LIGO und Virgo sehen Neutronenstern-Verschmelzungen

LIGO und Virgo beobachten weitere Neutronenstern-Verschmelzungen. Die Gravitationswellen-Kandidaten wurden wahrscheinlich durch Kollisionen eines Neutronensterns mit einem schwarzen Loch und eines Doppelneutronensterns erzeugt. Eine Information des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut).

Quelle: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut).

Am 25. April 2019 beobachteten eines der beiden LIGO-Instrumente und der Virgo-Detektor ein Kandidatensignal. Dies wäre – wenn es bestätigt wird – die erste Verschmelzung zweier Neutronensterne im dritten Beobachtungslauf (O3) der Gravitationswellen-Detektoren, der am 1. April begann. Ein zweites mögliches Signal wurde am 26. April nachgewiesen, das – wenn es bestätigt wird – eine nie zuvor beobachtete Kollision eines Neutronensterns mit einem schwarzen Loch sein könnte. Das zweite Ereignis wurde sowohl von beiden LIGO-Instrumenten als auch vom Virgo-Detektor beobachtet. Dutzende von Teleskopen auf der Erde und im All sind auf der Suche nach passenden Signalen im elektromagnetischen Spektrum und der Astroteilchenphysik. Bisher gelang für keinen der Kandidaten die Identifizierung eines elektromagnetischen Signals oder einer Ursprungsgalaxie.
„Da im dritten Beobachtungslauf ein größeres Volumen des Universums untersucht wird, können wir nun seltenere und extremere Ereignisse wie die Kollision eines Neutronensterns mit einem anderen kollabierten Stern beobachten“, sagt Alessandra Buonanno, Direktorin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. „Wir erwarten in den kommenden Monaten viele weitere Entdeckungen“, fügt Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover und Direktor am Institut für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover hinzu. „Theorie und Experiment arbeiten Hand in Hand, um die Geheimnisse des Universums zu lösen.“

Die LIGO Scientific Collaboration und die Virgo Collaboration haben bereits im ersten Monat von O3 drei Kandidaten von Verschmelzungen binärer schwarzer Löcher identifiziert: am 8. April, 12. April und 21. April.

Numerisch-relativistische Simulation: T. Dietrich (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) und BAM-Kollaboration; Wissenschaftliche Visualisierung: T. Dietrich, S. Ossokine, H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik)
Numerisch-relativistische Simulation zweier einander umkreisender und verschmelzender Neutronensterne. Höhere Dichten sind orange dargestellt, geringere Dichten sind blue dargestellt.
(Bild: Numerisch-relativistische Simulation: T. Dietrich (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) und BAM-Kollaboration; Wissenschaftliche Visualisierung: T. Dietrich, S. Ossokine, H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik))

Gravitationswellen-Beobachtungen des Ereignisses „S190425z“
Als die Gravitationswelle am 25. April um 8:18 UTC auf der Erde ankam, nahmen nur das LIGO-Livingston-Instrument und der Virgo-Detektor Daten auf. LIGO Livingston registrierte das Ereignis (derzeit „S190425z“ genannt), das für Virgo zu schwach war, um es mit hoher statistischer Signifikanz nachzuweisen.

Aus diesen Gründen ist die Lokalisierung von S190425z am Himmel ungenauer als die von GW170817, der ersten Neutronensternverschmelzung, die durch Gravitationswellen entdeckt wurde. Diese von drei Detektoren beobachtete Verschmelzung war viel näher und damit lauter. Erste LIGO/Virgo-Beobachtungen schränkten die Himmelsposition von S190425z auf zwei Bereiche ein, die zusammen einen großen Teil (etwa 25%) des Himmels ausmachten.

Die automatisierte Analyse des Kandidaten bewertete diesen mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99% als Verschmelzung zweier Neutronensterne. Weitere Untersuchungen durch LIGO/Virgo-Forscher*innen verbesserten die Himmelslokalisierung und ergaben, dass das Signal im Abstand von 370 bis 640 Millionen Lichtjahren zur Erde entstand. GW170817 war etwa 130 Millionen Lichtjahre entfernt.

F. Foucart (U. of New Hampshire) und SXS-Kollaboration, Classical and Quantum Gravity, 34, 4 (2017)
Verschmelzung eines Neutronensterns mit einem schwarzen Loch von etwa der fünffachen Masse der Sonne. Das Gravitationsfeld des schwarzen Lochs dehnt und zerreißt schließlich den Neutronenstern. 90% der Neutronensternmaterie fällt innerhalb von einer Millisekunde in das schwarze Loch, während der Rest in einem langen Schweif ausgestoßen wird, oder er bildet einen heißen Torus aus dichter Materie um das schwarze Loch. Die Abbildung zeigt das schwarze Loch (schwarze Kugel), den Schweif und den Torus einige Millisekunden nach dem Zerreißen.
(Bild: F. Foucart (U. of New Hampshire) und SXS-Kollaboration, Classical and Quantum Gravity, 34, 4 (2017))

Gravitationswellen-Beobachtungen des Ereignisses „S190426c“
Ein zweites (statistisch weniger signifikantes) Kandidaten-Signal wurde am 26. April um 15:22 UTC von beiden LIGO-Detektoren und dem Virgo-Instrument beobachtet. Das Ereignis namens „S190426c“ könnte die allererste Beobachtung eines Neutronensterns sein, der mit einem schwarzen Loch kollidiert oder aber eine weitere Verschmelzung zweier Neutronensterne.

Die LIGO/Virgo-Analyse schätzte für dieses Ereignis eine relativ große Entfernung von 900 Millionen bis 1,6 Milliarden Lichtjahren und stellte Astronom*innen eine Himmelskarte zur Suche nach passenden Signalen im elektromagnetischen Spektrum und der Astroteilchenphysik bereit.

Suche nach passenden Signalen
Nach den beiden öffentlichen LIGO/Virgo-Hinweisen zu S190425z und S190426c wurden mehr als 160 Berichte von elektromagnetischen und Astroteilchen-Observatorien auf der Erde und im All veröffentlicht. Bisher hat keines von ihnen ein zu den Gravitationswellen-Kandidaten passendes Signal identifiziert. Weitere Beobachtungen sind im Gange.

Die LIGO/Virgo-Forscher*innen analysieren derzeit ihre Gravitationswellendaten genauer, um die statistische Signifikanz beider Ereignisse und die astrophysikalischen Eigenschaften ihrer jeweiligen Quellen besser zu verstehen.

Die Kooperationen
LIGO wird von der NSF finanziert und von Caltech und MIT betrieben, die LIGO konzipierten und die Initial- und Advanced-LIGO-Projekte leiteten. Finanzielle Unterstützung für das Advanced LIGO-Projekt wurde hauptsächlich von der NSF geleistet, wobei Deutschland (Max-Planck-Gesellschaft), Großbritannien (Science and Technology Facilities Council) und Australien (Australian Research Council-OzGrav) signifikante Verpflichtungen eingingen und Beiträge zum Projekt leisteten. Etwa 1.300 Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt sind durch die LIGO Scientific Collaboration, zu der auch die GEO Collaboration gehört, an der Unternehmung beteiligt. Eine Liste weiterer Partner finden Sie unter https://my.ligo.org/census.php.

Die Virgo-Kollaboration besteht derzeit aus etwa 350 Physiker*innen, Ingenieur*innen und Techniker*innen von ca. 70 Instituten aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Polen und Spanien. Das European Gravitational Observatory (EGO) betreibt den Virgo-Detektor nahe Pisa in Italien, und wird gefördert vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Frankreich, dem Istituto Nazionale di Fisica Nucleare (INFN) in Italien und Nikhef in den Niederlanden. Eine Liste der Mitglieder der Virgo-Kollaboration finden Sie unter http://public.virgo-gw.eu/the-virgo-collaboration/. Weitere Informationen finden Sie auf der Virgo-Website unter www.virgo-gw.eu.

Nach oben scrollen