Kommentar: Airbus Chef Enders hat die richtigen Ideen

Airbus Chef Thomas Enders fordert in einem Interview bei Spiegel Online Veränderungen beim Geo-Return der ESA und erklärt “Wegwerfraketen” zum “Auslaufmodell”.

Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: Spiegel Online.

CC BY SA 2.0, Heinrich Böll Stiftung
Airbus Chef Thomas Enders
(Bild: CC BY SA 2.0, Heinrich Böll Stiftung)

Struktur der europäischen Raumfahrt
In einem Interview mit Spiegel Online hat Tom Enders zum Thema europäische Raumfahrt Stellung bezogen:

Enders macht viele allgemeine Aussagen zu perspektivischen Themen wie auf Asteroiden nach Ressourcen zu suchen, viel interessanter sind jedoch seine Kommentare zu der Industriestruktur in Europa. Zum Geo-Return sagt er: “Mit den gegenwärtigen Strukturen kann es nicht weitergehen. Der sogenannte Georeturn-Verteilungsschlüssel ist ein großes Hindernis für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Wenn jedes Land so viel an Arbeitsaufträgen für seine Raumfahrtindustrie zurückbekommt, wie es für ein Raumfahrtprojekt bezahlt, kann man nicht wettbewerbsfähig bleiben”.

Enders fordert die deutsch-französische Politik – als größte Beitragszahler der ESA – auf, hier eine Änderung anzugehen, die Reaktion aus der Politik ist bisher laut Enders enttäuschend.

Leider konzentriert sich Enders einseitig auf die ESA und Deutschland und Frankreich. Seit kurzem ist die EU dabei eine eigene Raumfahrtagentur aufzubauen. Diese mehr Management orientierte Behörde mit dem Namen “Agentur der Europäischen Union für alle Weltraumprogrammkomponenten” bzw. englisch “EU Agency for the Space Programme” ist eine Erweiterung der aktuellen Behörde GSA für das Galileosystem und soll jetzt auch andere Raumfahrtprojekte durchführen.

Es gibt keinen Geo-Return bei der EU. Daher könnte eine Firma bereits heute eine neue Ariane bauen ohne Geo-Return, wenn sie Geld von der EU bekommt oder die Rakete komplett selbst finanzieren, was aber unwahrscheinlich ist.

Leider ist die EU im Bereich Trägerraketen bisher nur als Abnehmer, nicht jedoch als Finanzier aktiv. Und genau hier könnte Enders ansetzen. Die EU könnte einen (teil-)wiederverwendbaren Nachfolger von Ariane 6 finanzieren und die ESA übergehen.

In einer Anfrage der Bundestagsfraktion B90/Grüne sieht die Bundesregierung diese neue EU-Behörde sehr kritisch, da diese “zu einer Verschiebung etablierter Aufgaben und Rollen in der europäischen Raumfahrt zu Lasten der Mitgliedstaaten und der ESA führen.”

Diese “Entmachtung” der ESA bei Raumfahrtentwicklungen im kommerziellen Bereich ist meiner Einschätzung nach jedoch der einzige Weg, um die europäische Raumfahrt wieder auf Erfolgskurs zu bringen, denn die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Mitgliedsstaaten zu keinen großen Reformen bei der ESA bereit sind.

SpaceX
Falcon 9 Landung
(Bild: SpaceX)

Thema Wiederverwendung
Ebenso bemerkenswert wie Enders Kommentare zum Geo-Return sind seine Kommentare zur Technik der Ariane. Bisher gab es von keinem Entscheidungsträger aus Europa in der Presse ein klares Bekenntnis zum Thema Wiederverwendung, sondern nur ausweichend Antworten. ESA-Chef Wörner hat z.B. Raketen mit Ein-/Mehrwegplastikflaschen verglichen.

Airbus-Chef Enders sagt nun: “Wir haben, wie viele herkömmliche Raumfahrtfirmen, lange daran gezweifelt, dass das Recycling von Raketen technologisch möglich und ökonomisch sinnvoll sein kann. Aber der Trend ist sehr klar erkennbar. Und damit auch die Konsequenzen für uns: Wegwerf-Raketen sind ein Auslaufmodell.”

Dieses Bekenntnis zum Technologiewandel ist sehr bedeutend. Denn der Realität, dass die Wiederverwendung funktioniert, kann sich keiner mehr verwehren. Bisher hat es nur noch niemand von den Entscheidungsträgern gewagt, öffentlich den Technologiewandel zu fordern. Jetzt sind auch andere Akteure gefordert, öffentlich zu diesem Thema Stellung zu beziehen.

Hintergrund zu Situation der Ariane
Seit dem Aufstieg der US-amerikanischen Unternehmens SpaceX mit ihrer Falcon 9-Rakete steht die europäische Ariane 5 unter Druck. Die teilwiederverwendbare Falcon 9 Rakete kann deutlich günstiger gestartet werden als das “Wegwerfmodell” Ariane 5 aus Europa. Viele Kunden wechseln von Ariane zu SpaceX. Ein zweites Problem ist der Einbruch bei den Aufträgen für neue geostationäre Satelliten, ausgelöst durch die geplanten Internetkonstellationen mit mehreren hundert oder sogar tausenden Satelliten in niedrigen Erdorbits.

Dadurch gibt es weniger Nutzlasten, gleichzeitig tobt ein harter Preiskrieg zwischen SpaceX und Arianespace. Die französische Wirtschaftszeitung La Tribune warnt vor kolossalen finanziellen Verlusten bei Arianespace.

Um der Konkurrenz durch SpaceX zu begegnen, haben Arianegroup (Joint Venture von Airbus und Safran), ESA, CNES, DLR & ASI die Ariane 6 erdacht. Die Ariane 6 ist im Prinzip der Ariane 5 sehr ähnlich. Aus dem Vulcain 2 Haupttriebwerk wurde Vulcain 2.1. Die Booster sind kleiner geworden und jetzt 2 oder 4 an der Zahl statt nur 2. Und die Oberstufe wird durch das neue Vinci-Triebwerk angetrieben. Soweit die technischen Neuheiten. Eine Wiederverwendung wie bei SpaceX gibt es auch bei Ariane 6 nicht.

Auf der organisatorischen Ebene haben sich ein Großteil der Firmen zu dem neuen Joint-Venture Arianegroup zusammengeschlossen – das soll Effizienzgewinne bringen. Jedoch wurden offensichtlich hauptsächlich neue Namensschilder an den Standorten angebracht. Berichte über Standortzusammenlegungen oder andere härtere Maßnahmen konnte man der Presse nicht entnehmen.

Standortzusammenlegungen sind aber sehr wahrscheinlich notwendig, um mit SpaceX gleichzuziehen. SpaceX baut die komplette Rakete in Los Angeles, testet sie in Texas und startet vom Cape/KSC (Ostküste) oder von Vandenberg (Westküste). Zusätzlich ist SpaceX vertikal integriert und baut fast alles selbst.

In Europa gibt es anstatt zwei Standorten für Produktion/Tests mindestens 20 Standorte, allein in Deutschland kann man vier sofort nennen: Bremen (Oberstufe), Ottobrunn (Triebwerke), Augsburg (Boosterteile) und Lampoldshausen (Triebwerkstests) und es gibt sicher noch viele mehr Standorte für kleinere Bauteile.

Zusätzlich zu den neuen Raumfahrtstrukturen ist auch ein Technologiewandel hin zu einer wiederverwendbaren Ariane unumgänglich, wenn sie weiter kommerziell erfolgreich sein soll. Das bedeutet vor allem eine Rakete ohne Feststoffbooster, was politisch ein weiteres Problem ist, weil Italien dann nur noch wenig zu Ariane beitragen kann.

Außerdem gibt es eine enge Verzahnung von Ariane und der Atomrakete M51 in Frankreich. Beide Raketen benutzen eine ähnliche Boostertechnologie und werden von der Arianegroup gebaut. Dieser enge Verzahnung müsste erst gelöst werden.

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