Astronautenpionier John Young verstorben

John Young ist am 05.01.2018 im Alter von 87 Jahren verstorben. Ein nicht ganz objektiver Rückblick auf seine erstaunliche Karriere als Astronaut und Pionier der bemannten amerikanischen Raumfahrt.

Ein Beitrag von Oliver Karger. Quelle: NASA, Raumfahrer Net.

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John Young (rechts) und Gus Grissom (links) posieren für das offizielle Crewfoto für Gemini 3, den ersten bemannten Geminiflug.
(Bild: NASA)

Akribie, Hingabe und Ausdauer – das sind lediglich drei von vielen Attributen, die John Young ausgezeichnet haben. Doch sind es wahrscheinlich die drei, welche dazu beigetragen haben, dass John Young zu vielen „Firsts“ in der bemannten Raumfahrt beigetragen hat. Neben der notwendigen Ernsthaftigkeit und klarer Worte war jedoch auch der ein oder andere Schabernack dabei.

John Watts Young wurde am 24. September 1930 in San Francisco, USA geboren, wuchs jedoch nach Umzügen nach Georgia und später Florida im Sunshine State an der Atlantikküste auf. Durch sein bereits in der Jugend gefördertes Interesse für das Fliegen studierte Young Luftfahrttechnik am Georgia Institute of Technology in Atlanta. Nach Abschluss des Studiums 1952 trat er der US-Marine bei und diente im Koreakrieg auf dem Zerstörer USS Laws.

Nach Ende des Koreakriegs absolvierte er eine Ausbildung zum Piloten und begann schließlich 1959 das Training zum Testpiloten in der United States Naval Test Pilot School. Nach erfolgreichem Abschluss war er in mehrere Systemtests involviert und erzielte dabei verschiedene Flugrekorde, z.B. den schnellsten Steigflug auf 3000 m und später auf 25000 m in einer Phantom II. Sein späterer Astronautenkollege und ehemalige NASA-Administrator Charles Bolden beschreibt Youngs Fähigkeiten in bezeichnender Weise: „Während meiner Karriere als Testpilot habe ich keinen wie ihn getroffen. Jeder andere stieg in sein Flugzeug. John zog es an wie einen Anzug! Es war einfach unglaublich.“

Inspiriert durch John F. Kennedys Rede 1961 einen Amerikaner bis zum Ende des Jahrzehnts zum Mond zu bringen, meldet Young sich bei der NASA zur Astronautenauswahl. Er gehörte zur zweiten Gruppe an Astronauten, die für die Gemini- und späteren Apollomissionen trainiert wurden. Am 23. März 1965 startete John Young mit seinem Kommandanten Gus Grissom an Bord von Gemini 3 zum Erstflug des Geminiprogramms. Der Flug verlief reibungslos bis auf einen kleinen Zwischenfall, der bis ins Repräsentantenhaus des US-Kongresses Wellen schlug und John Young die Verschwendung von Steuergeld vorgehalten wurde. Der Grund, er schmuggelte ein Corned Beef Sandwich an Bord, da es ein Lieblingsessen von Gus Grissom war und dieser die übliche Astronautennahrung nicht mochte. Das Transkript des Gemini 3-Funkverkehrs legt jedenfalls nahe, dass Young durchaus seinen Spaß an der Aktion hatte (Seite 45, Gemini 3 Mission Air-to-Ground Transcript ).

Durch Verschiebungen in der Crewrotation und der Zuteilung von Ed White zur ersten Apollo-Mission wurde Young Kommandant von Gemini 10 im Juli 1966. Zusammen mit Michael Collins war er der erste, der Rendezvous mit zwei verschiedenen Agena-Stufen durchführte, während Collins zudem zwei Raumspaziergänge unternahm. Im weiteren Verlauf des Jahres 1966 wurde Young als Kommandomodulpilot einer Apollo-Besatzung zugeteilt, deren Kommandant Thomas Stafford und deren Mondlandefährenpilot Eugene Cernan waren. Die Besatzung war zunächst für den zweiten bemannten Apollo-Flug vorgesehen. Durch die durch den Feuerunfall von Apollo 1 notwendig gewordene Neuzuteilung absolvierten Stafford, Young und Cernan das Training für Apollo 7 als Backup-Besatzung und schließlich die Vorbereitungen für einen Test der Mondlandefähre in der Mondumlaufbahn mit Apollo 10. Im Mai 1969 flogen Stafford und Cernan das Mondlandemodul im Mondorbit, während Young der erste war, der Solo den Mond umkreiste.

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John Young, Kommandant von Apollo 16, steht neben dem Apollo Lunar Surface Experiments Package (ALESP) im Descartes Hochland auf dem Mond. Die Aufnahme entstand am 21. April 1972.
(Bild: NASA)

Nach der erfolgreichen Landung auf dem Mond durch Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit Apollo 11 und der Präzisionslandung von Apollo 12 von Charles Conrad und Alan Bean bereitete sich Young als Backup-Kommandant auf Apollo 13 vor. Durch das Rotationsprinzip der Missionszuteilung wurde John Young Kommandant von Apollo 16, der zweiten Mondmission die einen wissenschaftlichen Schwerpunkt hatte. Daher studierte Young zusammen mit seinen Landefährenpiloten Charles Duke und den Crews von Apollo 15 und 17 Geologie. Am 21. April 1972 landet Apollo 16 im Descartes Hochland und Young erkundete zusammen mit Duke zu Fuß und mit einem Rover während drei Exkursionen das Umland, wobei sie zahlreiche Experimente durchführten und etwa 96 kg Mondgestein sammelten.

John Youngs letzter Einsatz innerhalb des Apollo-Programms war die des Backup-Kommandanten für Apollo 17. Mit Ende der Apollomissionen wurde Young im Januar 1973 zunächst Leiter der Space Shuttle-Abteilung im Astronautenbüro und ein Jahr später im Januar 1974 mit dem Rücktritt von Alan Shepard der Leiter des Astronautenbüros. In dieser Funktion koordinierte er die Missionszuteilungen, die Trainings und Flugvorbereitungen und involvierte die Astronauten in den Entwicklungsprozess des Space Shuttles. Aufgrund seiner Erfahrung wurde Young für den Erstflug des Space-Shuttles als Kommandant bestellt. Erstmals wurde ein neues Raumflugsystem ohne vorherigen unbemannten Test gleich bemannt geflogen. Zusammen mit Bob Crippen hob Young am 12.04.1981 mit STS-1 ab und wurde damit der erste Raumfahrer, der fünf Flüge ins All unternommen hatte. Der von der NASA als „kühnster Testflug aller Zeiten“ bezeichnete Flug wurde von John Young wie gewohnt mit professioneller Akribie durchgeführt. Im Nachhinein gab er in einem Interview zu Protokoll, dass ihm keine Daten vorgelegen hätten, die ein höheres Risiko belegt oder widerlegt hätten.

Seinen sechsten und damit letzten Raumflug unternahm Young 1983 mit STS-9, der ersten Spacelab Mission. Mit an Bord war auch Ulf Merbold, der im Vorfeld von Young als Astronautenneuling einer kritischen Betrachtung unterzogen wurde. So berichtet Merbold, dass John Young darauf bestand mit jedem seiner Crewmitglieder mindestens einen gemeinsamen Trainingsflug unternommen zu haben. So musste auch Merbold sein Können im Trainingsflugzeug T-38 unter Beweis stellen und „seinen Commander“ von sich überzeugen. Neben seinen direkten Astronautenkollegen konnten sich auch viele weitere an seinen Missionen Beteiligten von Youngs außerordentlicher Akribie in der Vor- und Nachbereitung der Raumflüge erinnern. Die an der Entwicklung und am Bau des Spacelabs beteiligten Ingenieure der Firma Erno erzählen noch heute von John Youngs genauer und akribischer Arbeitsweise und besonderer Fähigkeit, direkt zum Kern eines technischen Problems vorzudringen und auch unangenehme Fragen zu stellen, um leicht ironisch zu enden: „… ich frag bloß!“

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John Young und Bob Crippen, die Crew der ersten Space Shuttle Mission STS-1 in einer kurzen Pause während des intensiven Trainings im Flugdeck des Shuttles Columbia in der Orbiter Processing Facility am 1. Oktober 1980.
(Bild: NASA)

Nach STS-9 wurde Young für STS-61-J als Kommandant nominiert. Ursprünglich sollte diese Mission das Hubble-Weltraumteleskop aussetzen, der Challenger-Unfall im Januar 1986 führte jedoch zur Absage der Mission STS-61-J. So bliebt STS-9 Youngs letzter Flug ins All.

Im Mai 1987 wurde Young zum speziellen Assistenten des Direktors des Johnson Space Centers in Houston ernannt und als Leiter des Astronautenbüros durch Daniel Brandenstein abgelöst. Seiner eigenen Einschätzung nach erfolgte die Versetzung wahrscheinlich aufgrund seiner öffentlichkeitswirksamen Kritik an den Sicherheitsstrukturen und vor allem der Sicherheitskultur der NASA, welche zum Verlust der Challenger und ihrer Besatzung führte.

Getrieben vom Verlust der Challengercrew und seines Freundes und Kollegen Gus Grissom, der bei Apollo 1 ums Leben kam, setzte er sich für Verbesserungen der Space Shuttle Flotte und der operativen Sicherheit der künftigen internationalen Raumstation ISS ein. Im Februar 1996 wurde Young zum technischen Direktor des Johnson Space Centers ernannt und überwachte in dieser Funktion ebenfalls Sicherheitsaspekte und technische und operative Abläufe von NASA-Missionen.

Im Alter von 74 Jahren ging John Young am 31. Dezember 2004 nach 42 Dienstjahren als damals dienstältester Astronaut der NASA in den Ruhestand. Als „alter Mondgeologe“ wäre er jedoch gerne nochmal dorthin geflogen.

Am vergangenen Freitag, den 05. Januar 2018 ist John Young an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben. Er war der einzige NASA-Astronaut, der im Gemini-, Apollo- und dem Space Shuttle-Programm involviert war und sechsmal ins All flog. Mit ihm geht ein weiterer der ersten Astronauten, die sich dafür einsetzten und vorlebten, dass der Mensch den nächsten Schritt in den Weltenraum macht. Er war in jedweder Hinsicht ein astronautischer Astronaut! Er wird vermisst werden.

Ruhe in Frieden, John Watts Young.

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