Super Strypi: Rakete versagt bei Jungfernflug

Am 4. November 2015 erfolgte der Erststart eines neuen, kleinen US-amerikanischen Satellitenträgers von einer der Hauptinseln Hawaiis aus. Die Super Strypi genannte Rakete erfüllte ihre auf rund 13 Minuten angesetzte Mission nicht, sie versagte schon im Verlauf des Betriebs ihrer ersten Stufe.

Autor: Thomas Weyrauch. Quelle: Aerojet Rocketdyne, Hawaii Blog, ORS, Spaceflight Now, Universität Hawaii, USAF.

Super Strypi vor dem Start (Bild: USAF

Super Strypi setzt sich aus drei Stufen zusammen, in denen unterschiedlich große Feststoffmotore mit feststehenden Ausströmdüsen zum Einsatz kommen. Alle Motore sind Erzeugnisse von Aerojet Rocketdyne aus den USA. Als Treibstoff kommt in ihnen Hydroxyl-terminiertes Polybutadien (HTPB) zum Einsatz.

Die erste Stufe besitzt einen LEO-46 genannten Motor mit einer Masse von etwas über 22 Tonnen, die zweite Stufe hat ein LEO-7 genanntes Aggregat mit einer Masse von etwa 3,5 Tonnen, und in der dritten Stufe wurde ein LEO-1 genannter Antrieb mit einer Masse von etwa 710 Kilogramm verbaut.

Nach erfolgreichen Tests und angelaufener Produktion soll Super Strypi Startkosten im Bereich zwischen 15 und 16 Millionen US-Dollar ermöglichen und den Transport von Nutzlasten mit einer Gesamtmasse um 300 Kilogramm erlauben. Von Hawaii aus könnten es etwa 275 Kilogramm für eine sonnensynchrone Bahn 400 Kilometer über der Erde sein, bei Start an der US-Ostküste in einen solchen Orbit sogar 320 Kilogramm.

Die Bestandteile der Super Strypi (Bild: USAF)

Aerojet Rocketdyne verspricht sich eigenen Angaben zufolge deutlich gesenkte Kosten für den Transport von kleinen Erdsatelliten und von Monaten auf Wochen reduzierten Zeiten für die Vorbereitung entsprechender Starts. Dafür habe man beim Entwurf der Rakete auf ein komplexes und teures Flugführungssystem verzichtet (und versuchte, einfachere Lösungen zu nutzen).

Spinnerzeugung durch angestellte Heckflossen – Illustration (Bild: ORS)

Die Entwicklung der Rakete ist ein Projekt einer Abteilung des US-Verteidigungsministeriums, die bei der Umsetzung mit den US-amerikanischen Sandia-Laboratorien (Sandia National Laboratories), dem Labor für Raumflug Hawaii (Hawaii Space Flight Laboratory, HSFL), dem pazifischen Raketentestgelände (Pacific Missile Range Facility, PMRF) und dem US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtkonzern Aerojet Rocketdyne zusammen gearbeitet hat.

Auf der Luftwaffenbasis Kirtland in Neumexiko arbeitet seit dem 21. Mai 2007 das Operationally Responsive Space Office (ORS Office, ORS), dessen Aufgabe es entsprechend seiner Bezeichnung ist, für neu entstandene Anforderungen möglichst rasch nutzbare Lösungen im Bereich militärischer und die nationale Sicherheit der USA betreffender Raumfahrtanwendungen zur Verfügung zu stellen.

Super Strypi Missonsablauf – Illustration (Bild: HSFL)

Das ORS-4-Projekt, in dessen Rahmen Entwicklung und Test der aktuell als experimentell bezeichneten Rakete Super Strypi erfolgte, wurde nach Informationen aus den USA bis dato mit über 35 Millionen US-Dollar an staatlichen Mitteln gefördert.

Der Start der etwas über 19 Meter langen Rakete erfolgte von der vollständig neu aufgebauten Rampe LP-41 des PMRF an einer Kokole Point genannten Position am Küstenstreifen Barking Sands im Südwesten der Insel Kauai.

Nach dem Verlassen der Startschiene des rund 40 Meter langen Richtgestells – welche der Führung bei geringer Geschwindigkeit und fehlender aerodynamischer Stabilisierung dient – um 4:45 Uhr MEZ (17:45 Uhr Ortszeit Hawaii) am 4. November 2015 gewann die Rakete rasch an Höhe. In einer Videoübertragung, die die Universität Hawaii bereitstellte und vom Branchendienst Spaceflight Now im Internet gezeigt wurde, wurde jedoch recht schnell erkennbar, dass der Flug sich nicht so vollzog, wie er geplant war.

Durch mit einer gewissen Anstellung am Heck angebrachte Finnen war die Rakete zur Stabilisierung wie vorgesehen in Rotation um ihre Rollachse versetzt worden. Dies war aus Telemetrie-Animationen in den präsentierten Livebildern unschwer abzulesen.

Die Nutzlastkonfiguration beim Jungfernflug, oben HiakaSat, unten Dispenser für Kleinstsatelliten (Bild: ORS)

Bilder einer im oberen Drittel der Rakete montierten Kamera zeigten, dass sich im Blickfeld der Kamera nach wenigen Sekunden Flug ein von links nach rechts verlaufender Spalt in der Raketenwand oberhalb einer Reihe von Nieten oder Ähnlichem zeigte.

Die Telemetrie-Animationen legten aber auch schnell nahe, dass es während der 76 Sekunden angesetzten Brennphase der ersten Stufe nicht mit rechten Dingen zuging. Telemetrie und Videobilder der Onbord-Kamera zeigten, wie das Heck in zunehmende Pendelbewegung geriet. Die in der Atmosphäre hinterlassene Abgasspur bildete eine Korkenzieher-spiralenartige Struktur aus.

Am Schluss der Brennphase und danach zeigte die Animation der Telemetriedaten eine heftige Rotation der Rakete, möglicherweise um den weit vorne liegenden Schwerpunkt. Am Ende der gezeigten Telemetrieanimations-Bewegtbilder war noch ein Einsatz von Kaltgas-Düsen des Lagekontrollsystems an der zweiten Raketenstufe zu sehen.

Illustrationen des HiakaSat (Bild: HSFL)

Die US-Luftwaffe (United States Airforce, USAF) veröffentlichte via Spaceflight Now eine kurze Mitteilung, in der gesagt wird, dass die experimentelle Rakete kurz nach dem Start versagt hat. Versagensgründe wurden nicht angegeben, was verständlich ist, da erst eine Analyse der Geschehnisse erfolgen muss.

An Bord der Rakete befindliche Klein- und Kleinstsatelliten, 13 an der Zahl, gingen verloren. Die schwerste Nutzlast war ein Satellit der Universität Hawaii namens HiakaSat mit einer Masse von rund 55 Kilogramm. Ursprünglich waren 80 Kilogramm vorgesehen, die dann nach Ansage durch das ORS auf zunächst 40 Kilogramm herabgesetzt werden mussten. Daher handelt es sich bei HiakaSat um eine Modifikation des Hawaiisat 1 alias HS1, dessen Struktur bei HiakaSat gewissermaßen halbiert wurde.

HiakaSat im Reinraum (Bild: HSFL)

HiakaSat hätte als Technologiedemonstrator für eine kosten-effektive Satellitenplattform zur Überprüfung neuer Technologien dienen sollen. Der Satellit war außerdem mit einem bildgebenden Hyperspektralabtaster und zwei Farbkameras ausgestattet, die zur Erdbeobachtung gedacht waren. Ein Namensbestandteil des vollständigen Namens des Raumfahrzeugs, Hyperspectral Imaging Aeronautical Kinematic Analysis Satellite, bezieht sich auf die letztgenannte Aufgabe.

Der anvisierte Orbit für HiakaSat war ein annähernd sonnensynchroner in rund 450 Kilometern über der Erde mit einer Neigung von 97,3 Grad gegen den Äquator (475 – 525 km bei 94 Grad laut HSFL 2013). Dort wollte die Universität Hawaii den Satelliten für einen Zeitraum zwischen einem und zwei Jahren einsetzen. Das HSFL nannte 2013 eine Auslegungsbetriebsdauer von zwei Jahren.

Das ORS-4-Projekt hinkte der ursprünglichen Zeitplanung deutlich hinterher. Ein erster Super-Strypi-Start war ursprünglich einmal für das zweite Quartal 2012 vorgesehen. Probleme im Bereich der Zeitplanung und bei technischen Details führten jedoch immer wieder zu Verzögerungen.

Unklar ist, ob der Fehlstart in Zusammenhang mit einem zuvor identifizierten Problem mit der Konstruktion der ersten Stufe der Super Strypi steht. Der Jungfernflug wurde nach Feststellung des Problems zunächst auf 2016 verschoben. Das ORS hatte dann entschieden, dass man 2015 startet, weil man trotz eines höheren Risikos denke, die Stufe trotz des Problems sicher fliegen zu können. Ein Einverständnis der Nutzlasteigentümer hatte man offenbar eingeholt.

Bei einem Brenntest des LEO-46-Motors der ersten Stufe im Jahr 2014 hatte sich ein Isolationsproblem herauskristallisiert. Eine isolierende Beschichtung des Motorgehäuses war durchgebrannt. Der Motor der ersten Stufe der Rakete, die am 4. November 2015 versagte, wurde, obwohl exakt nach vorher festgelegten Spezifikationen hergestellt, im Hinblick auf das beim Test 2014 beobachtete Verhalten als anfällig eingeschätzt.

Eine Modifikation des Motors sei nicht möglich gewesen, obgleich neu zu produzierende Exemplare von vorne herein entsprechend anpassbar seien, berichtete der Hawaii Blog. Das ist nachvollziehbar, da man an innen-liegende Isolierschichten nicht heran kommt, wenn ein Feststoffmotor erst einmal mit Treibstoffmasse befüllt ist.

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