Woßchod 3KD/3KV – Das Comeback der Sowjets

Bereits vor Abschluss des Flugprogramms von Wostok war klar, dass sich die Sowjetraumfahrt in Kürze vor einem Dilemma stehen würde. Die Wostok-Ära war an ihr Ende gekommen, jedoch ließ das als Nachfolger konzipierte Sojus-Raumschiff weiterhin auf sich warten. Aus dieser Not heraus wurde schließlich eine Tugend gemacht und es entstand das Raumschiff “Woßchod” (zu dt.: Aufstieg, Transkription auch als “Wosschod” oder Wos-chod”).

Ein Beitrag von Felix Korsch.

Woßchod 1 (?) unmittelbar vor dem Start. (Bild: RKK Energija)

Technische Daten

Die Konstruktionsarbeiten forderten zahlreiche Kompromisse. So konnte man bei mehrköpfigen Besatzungen die Raumfahrer nicht mehr hinauskatapultieren und so eine “weiche” Landung garantieren. Vielmehr änderte man das Landeszenario und montierte nun kleine Feststofftriebwerke an den Fallschirmtrossen, um die Geschwindigkeit unmittelbar vor dem Aufsetzen zu verringern. Um Platz für zwei bis drei Raumfahrer in der eh schon engen Kapsel zu schaffen, montierte man die Konturensessel jeweils um 90° versetzt und man installierte zusätzlich eine Art Stoßdämpfer, um die Landeenergie abzufangen.

Die technischen Daten von Woßchod entsprachen weitestgehend denen von Wostok, denn weder an den Flugsystemen noch an den Instrumenten wurden erwähnenswerte Veränderungen vorgenommen. Somit ist Woßchod auch eher eine Modifikation von Wostok als eine echte Weiterentwicklung. Ursprünglich plante Koroljow für das Jahr 1964 einen weiteren, finalen Wostok-Flug. Doch die Regierung hatte andere Pläne, zumal das Wostok-System ausgereizt war und jede weitere Mission nur eine Wiederholung einer vorigen wäre. Dies hätte einerseits den Nutzen im Vergleich zum enormen Kostenaufwand gegen Null gesenkt, andererseits auch keine propagandistische Verwertung erlaubt. Letztendlich war der Geldfluss aus Moskau zu jedem Zeitpunkt vor allem von letzterem abhängig, und Koroljow blieb nichts anderes übrig, als nach einer Alternative zu suchen.

Der designierte Nachfolger für Wostok, Sojus, welcher gleichzeitig den Wettlauf zum Mond vorantreiben sollte, ließ trotz intensiver Anstrengungen weiter auf sich warten. Ein Programmstopp würde, so wusste auch Koroljow, unweigerlich den Ausstieg der Sowjetunion aus der bemannten Raumfahrt bedeuten. Gleichzeitig würde man damit den Amerikanern einen uneinholbaren Vorsprung einräumen und ihnen quasi “kampflos” das ferne Ziel, den Mond, überlassen.

Leonow und Beljajew vor dem Start in ihrer Kapsel. (Bild: RKK Energija)

Die logischen nächsten Schritte der Sowjetunion im Orbit wären der Start von mehrköpfigen Besatzungen, umfangreiche Steuermanöver, Kopplungstests und Raumausstiege gewesen – unentbehrlich für den geplanten Mondflug. Zusätzlich unter Druck geriet man Anfang 1964, als die Amerikaner den Start ihres zweisitzigen Gemini-Raumschiffes ankündigten. Am 4. Februar folgte postwendend die Anweisung an Koroljows OKB-1, ein dreisitziges Raumschiff binnen weniger Monate zu konzipieren, zu testen und schließlich fliegen zu lassen, um somit der Welt neue Sensationen und Erstleistungen präsentieren zu können.

Koroljow stand freilich nicht ganz ohne Konzepte da, konnte er doch auf den Entwurf des “Wostok Tsch”, einer mehrsitzigen Weiterentwicklung von Wostok 3, zurückgreifen. Hochtrabende Pläne und technische Neuerungen konnten in jener kurzen Zeitspanne natürlich nicht implementiert werden. Immerhin: “Woßchod“, wie das Projekt nun genannt wurde, bedurfte keiner langen Entwicklungszeit, da im wesentlichen nur das Innere der Wostok-Kapsel verändert wurde. Koroljow gab seinen Ingenieuren den Auftrag, gleich zwei verschiedene Versionen zu entwickeln – Typ 3KW für eine Dreimannbesatzung und Typ 3KD für einen Raumausstieg inklusive Luftschleuse.

Auch die Idee zu einem Ausstieg eines Raumfahrers wurde maßgeblich von der Ankündigung der NASA beeinflusst, mit Gemini 4 im Frühjahr 1965 erstmals die Luken in den freien Raum zu öffnen. Bereits 1964 plante Koroljow den Weltraumspaziergang eines Hundes, doch der Regierungsbeschluss vom 13. April 1964, welcher gleichzeitig die Rahmenbedingungen für das Woßchod-Programm setzte, forderte einen Menschen als ersten “Aussteiger”.

Woßchod 1 in der Montagehalle. (Bild: RKK Energija)

Erstaunlicherweise benötigte man vor jedem der beiden Flüge nur jeweils einen unbemannten Testflug (Kosmos 47 und 57) um die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems unter Beweis zu stellen.

Flugverlauf
Im Rahmen des Woßchod-Programms wurden 2 Missionen durchgeführt.

  • Woßchod 1: 12. Oktober 1964. Wladimir Komarow, Konstantin Feoktistow, Boris Jegorow.
    Erstmals in der Geschichte der Raumfahrt waren Missionen nicht mehr nur auf einen Piloten beschränkt. Vielmehr gab man hier zwei Zivilisten, Jegorow (Arzt) und Feoktistow (leitender Konstrukteur), die Möglichkeit, als Wissenschaftler an einem Flug teilzunehmen. Letzterer hatte nur am Woßchod-Raumschiff mitgearbeitet, da ihm Koroljow einen Platz im Raumschiff zusicherte. Beide litten an der Raumkrankheit. Die Kapsel landete nach erfolgreicher Mission (16 Orbits, 1d 17min) wie vorgesehen.
  • Woßchod 2: 18. März 1965. Alexej Leonow, Pawel Beljajew.
    Diese Mission stand unter keinem guten Stern, explodierte der einen Monat zuvor als Generalprobe gestartete Kosmos 57 doch im All durch ein aus Versehen ausgelöstes Selbstzerstörungssignal in 168 Einzelteile. Letztendlich führte man den unter zahlreichen lebensbedrohlichen Pannen leidenen Flug doch durch und Leonow konnte vor den Amerikanern als erster Mensch in den freien Raum aussteigen. Die Landung erfolgte nach 18 Orbits (1d 2h 2min) über 3200 Kilometer vom geplanten Landeort entfernt, die Kosmonauten waren jedoch wohlauf.

Programmende
Das Woßchod-Programm endete abrupt, da interne Kontroversen immer lauter geführt wurden und sich das Militär als missachtet ansah. Woßchod 3 mit Boris Wolynow und Georgi Katys wurde nur wenige Wochen vor dem geplanten Starttermin (November 1965, das Training war fast beendet) abgesagt. Woßchod 4 (Flug einer weiblichen Besatzung, mit Raumausstieg), Woßchod 5 (chirurgische Versuche an Tieren), Woßchod 6 (Ausstieg mit einer mobilen Manövriereinheit) und Woßchod 7 (Herstellung künstlicher Gravitation durch Verbindung mit der Drittstufe der Rakete und Rotation des Gesamtkomplexes) fanden ebenfalls nie statt.

Im Januar 1966 starb schließlich Sergej Koroljow, der jahrelange Chef aller Planungen auf dem Gebiet der bemannten Raumfahrt. Alle Raumfahrt-Programme wurden daraufhin abgebrochen und neu organisiert/strukturiert.

Quellen:

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