New Glenn Testflug NG-2 schafft Landung

Einen unglaublicher Erfolg konnte Blue Origin heute verbuchen. Schon beim zweiten Testflug schafft der Booster eine Landung auf dem Drone-Ship Jacklyn. Auch wenn es von den Anforderungen her nicht vergleichbar ist, dürften die Erfahrungen mit New Shepard sicherlich eine wichtige Komponente für das rasche Erreichen dieses Meilensteines gewesen sein. Das ist ein extrem wichtiger Schritt hin zur Wiederverwendung. Auch die Oberstufe performte, wie schon beim ersten Flug demonstriert, erwartungsgemäß. Alle Nutzlasten sind erfolgreich ausgesetzt worden.
Ein Portalbeitrag des Raumfahrer.net Redakteurs James.

Quelle: Blue Origin, NG-2Livestream, engl. Wikipedia, Raumfahrer.net Forum, 13. November 2025

Die New Glenn in Zahlen

Mit einer Gesamthöhe von 98m ist die New Glenn eine der höchsten jemals gebauten Trägerraketen.

New Glenn auf LC-36
Credit: Blue Origin

Die erste Stufe nimmt dabei 57,4m ein. Die zweite Stufe 26,3m, wobei allerdings davon über 7m, zu unterst die Triebwerke, in die erste Stufe hineinragen. Der gemeinsame Durchmesser beider Stufen und dem Fairing beträgt stolze 7m. Angetrieben wird die erste Stufe der New Glenn von sieben, mit LOX und CH4 betriebenen BE-4 Triebwerken, ausgeführt mit gestufter Verbrennung, mit jeweils 2450kN Schub welcher auf ca. 40% rückregelbar ist. Der spezifische Impuls dieser Triebwerke beträgt 3300m/s. Drei dieser Triebwerke sind +/- 5° ausregelbar. Die zwei, mit LOX und LH2 im Expander Cycle betriebenen BE-3U Triebwerke der zweiten Stufe liefern jeweils 778kN Schub welcher auf ca. 75% rückregelbar ist. Der spezifische Impuls dieser Triebwerke beträgt 4360m/s.

Die Nutzlasten auf NG-2

Als Nutzlast befinden sich die beiden EscaPADE Raumsonden und ein Technologiedemonstrator von Viasat an Bord. Die EscaPADE´s sollen so um die 60 Millionen Dollar gekostet haben und sind damit im untersten Preissegment angesiedelt.

Missionslogo der EscaPADE Mission auf NG-2
Credit: NASA, Blue Origin

Die EscaPADE (Escape and Plasma Acceleration and Dynamics Explorer) Raumsonden „Blue“ und „Gold“, für die als Ziel eine Umlaufbahn um den Mars vorgesehen ist um dort das „Weltraumwetter“ zu untersuchen, hätten ursprünglich bereits beim Erststart von New Glenn an Bord sein sollen.
Die NASA nahm jedoch wegen des unsicheren Starttermines schon im September letzten Jahres davon Abstand, denn das günstige, alle ca. 26 Monate wiederkehrende Startfenster zum Mars hatte sich bereits seinem Ende genähert.
Nun sind sie, auch außerhalb eines solchen Startzeitrahmens Nutzlast des 2. Starts. Angesichts des geringen Gewichtes von 550kg pro Sonde und des Schubes von 2 BE-3U Triebwerken würde man annehmen, dass die energiesparende Hohmann Transferbahn nicht zwingend erforderlich wäre. Aber tatsächlich nutzt man nun die mit ca. 20 Milionen Dollar sehr preiswerte Transportmöglichkeit eines Teststarts und kombiniert diese mit der Nutzung des nächsten Hohmann Transfersfensters, welches sich im Spätjahr 2026 öffnet. Zu diesem Zweck fliegen die Sonden den Langrange Punkt L2 des Erde-Sonne-Systems an, wo sie auf diesen Zeitpunkt warten.
Zu gegebener Zeit werden sie den L2 verlassen und, um Geschwindigkeit aufzubauen mit einem zusätzlichen Swing-by Manöver an der Erde, die endgültige Bahn Richtung Mars eingeschlagen. Statt der ursprünglichen Reisezeit von ca. 9 Monaten, wenn sie das Startfenster 2024 nicht verpasst hätten, kommen so fast 2 Jahre zusammen und werden damit erst im September 2027 den Mars erreichen. Die Wartezeit am Langrange Punkt L2 will man nun nutzen um mit den vorhandenen Sensoren (Magnetometer, elektrostatische Analysatoren und Langmuir-Sonde) das dortige „Weltraumwetter“ zu vermessen.

Integration von NG-2

Der Erststart von New Glenn erfolgte am 16. Januer 2025. Ursprünglich war von einem zweiten Start noch im Frühling die Rede, aber auf was in der Raumfahrt wirklich Verlass ist, das sind nun mal Verschiebungen. Nach etlichen von diesen konnte am 8. Oktober der Booster aber zum Integrationsgebäude am LC-36 gerollt werden. Dort wurden die erste und zweite Stufe integriert.

Jacklyn in Warteposition
Credit: Blue Origin

Am 29. Oktober erfolgte der Transport der gesamten Rakete zum LC-36, wo sie aufgerichtet, und am 31. Oktober der Static Fire Test durchgeführt wurde. Alle 7 Triebwerke feuerten bei 100% Schub über eine Dauer von 22 Sekunden. Daraufhin ging es wieder zurück in das Integrationsgebäude, um die Nutzlasten in das voluminöse 7m-Fairing der New Glenn zu installieren. Am 8. November wurde der Stack zum letzten Mal zum Launch Complex 36 transportiert und am Startplatz aufgerichtet. Die Landeplattform Jacklyn wurde derweilen ca. 375 Meilen östlich des Capes stationiert

Sonntag, 9. November 2025, Starttag 1

New Glenn stand aufrecht auf LC-36. Um 16:14 MEZ gab Blue Origin bekannnt, daß die Betankung im Gange ist. Knapp zwei Stunden vor der vorgesehenen Startzeit zog dichte Bewölkung über das Cape. Es folgte schwerer Regen, aber da war ja noch Zeit.
Eine halbe Stunde vor dem Starttermin war der Himmel stellenweise wieder blau, aber weiterhin windig, unbekannt war das Wetter am Landeort. Bei ca. T-20:00 wurde schließlich auf T-53:00 zurückgestellt, neue Startzeit 21:18 MEZ. Aber um 20:58 MEZ, 20min vor dem geplanten Start wurde der Countdown gestoppt. Ein Schiff befand sich in der Sperrzone. Um 21:43 wurde der Countdown bei T-30:00 wieder aufgenommen, womit sich eine Startzeit genau am Ende des Startfensters um 22:13 MEZ ergab. Blue Origin meldete gutes Wetter, aber noch ein Problem an einer Bodeneinrichtung. Der Go-NoGo Poll um 21:56 MEZ war in mehreren Punkten negativ. Auch das Schiff befand sich weiterhin in der Sperrzone. Ein Start war nicht mehr möglich. Die abschließende Frage, die wohl verbleibt, ist was es einem Seefahrzeug kostet in eine Sperrzone einzufahren. Nach dem Schließen des Startfensters gab Blue Origin übrigens noch bekannt das der Start wegen Cumulus Bewölkung abgesagt wurde, keine Erwähnung anderer Gründe, obwohl im Go/NoGo Poll etliche Starthindernisgründe vorlagen.
Neuer Starttermin sollte nach Absprache mit FAA und Range der 12. November sein.

Missionsprofil von NG-2
Credit: Blue Origin

Mittwoch, 12. November 2025, Starttag 2

Am diesem Tag galt schon das Tagesstartverbot, welches die FAA wegen dem US-Shutdown für die Raumfahrt erlassen hatte. Blue Origin konnte jedoch bei der FAA eine Ausnahmegenehmigung, möglicherweise wegen dem erforderlichen Startfenster dieser Planetenmission, erreichen. Jedoch veroffentlichte Blue Origin bereits im Lauf des Tages eine Startabsage des Startversuches. Die Verschiebung hatte jedoch die NASA veranlasst. Grund war das Wetter, jedoch nicht jenes auf der Erde.
Denn am Tag zuvor wurde ein schwerer koronaler Massenauswurf auf der Sonne beobachtet, der an diesem Tag spätabends oder etwas später die Erde erreichen sollte. Da die Auswirkungen des daraus resultierenden geomagnetischen Sturms werden als schwerwiegend eingeschätzt wurden, und man die EscaPADE´s nicht einem Risiko, welches gar nicht erforderlich ist, aussetzen wollte entschied sich die NASA für eine Verschiebung.
Bezüglich dieses Weltraumwetterereignisses siehe auch: „ESA überwacht schwerwiegendes Weltraumwetterereignis
Schon früh am nächsten Morgen konnte man sich für einen weiteren Startversuch entscheiden.

Donnerstag, 13. November 2025, Starttag 3

Aktivierung des Sound Suppression Systems vor dem Start
Credit: Blue Origin

Die Wetterbedingungen waren endlich ideal. Überall. Am Startplatz, am Landeplatz und auch über der Grenze zum All. Wieder im gleichen Zeitraum wie Sonntags die Meldung von Blue Origin vom laufenden Betankungsvorgang. Zu T-17:00 erfolgte der Go/NoGo Poll. Diesmal war alles auf Go. Ein ganz ungestörter Countdown, bis der Startdirektor bei T-00:20 den Countdown stoppte. Schon wieder wurde die Geduld auf die Probe gestellt. Nach einer knappen halben Stunde wurde der Countdown bei T-33:00 wieder aufgenommen. Neue Startzeit war damit 21:45. Dabei blieb es auch nicht. Nächster Hold bei T-17:04. Information über den Grund gab es keine. Mit Wiederaufnahme des Countdowns war die Startzeit auf 21:55 MEZ gerutscht.

Der Start ist erfolgt
Credit: Blue Origin

Wieder wurde T-00:20 erreicht. Diesesmal aktivierte sich zu diesem Zeitpunkt das Sound Suppression System. Bei ca. T-00:04 liefen die Triebwerke an und nach T-00:00 hob der Träger vorerst sehr gemütlich ab. Er brauchte ca. 37s für die ersten 1000m. Das änderte sich bald. Nach gut eineinhalb Minuten wurde auf einer Höhe von ca. 12km MaxQ erreicht, nach gut 3 Minuten, auf knapp 72km Höhe hatten die Erststufentriebwerke ihren Dienst erfüllt.

Im Flug
Credit Blue Origin

Ab hier ging es schnell. Stufentrennung und Zündung der Zweitstufentriebwerke. Nach keinen 4 Minuten im Flug wurde auf knapp 120km Höhe das Fairing abgetrennt.

Der Booster folgte in der Zwischenzeit seiner Flugparabel, wo er auf einer Höhe von 67km nach knapp 7 Minuten Flugzeit den halbminütigen mit 3 Triebwerken ausgeführten Reentry-Burn eingeleitete.

Landing Burn von NG-2
Credit: Blue Origin

Die Fluglagesteuerung durch die Finnen war im Livestream, da nur Bilder von großer Entfernung vorhanden waren, leider nicht erkennbar. Nach ca. achteinhalb Minuten war die Flughöhe auf ca. 3km abgesunken, als die kritische Phase des Landing-Burns nahte.

Die 3 schwenkbaren Triebwerke konnten wieder gezündet werden, und verringerten die Sinkgeschwindigkeit für ca. 20s. Die Landeplattform war im Anflug erkennbar.

Anflug auf Jacklyn
Credit: Blue Origin

Schon die letzte Phase des Landeanfluges müßte mit nur dem mittleren Triebwerk bewältigt worden sein, war jedoch im Stream auch nicht erkennbar.
Der Stream war nicht ganz durchgehend, das Buffering im Landeanflug war ungünstig.
Erkennbar war jedoch das Ausklappen der Landebeine und Triebwerkfeuern direkt auf die Landeplattform. Damit setzte der Booster auf… und er blieb stehen.

New Glenn ist auf der Landeplattform Jacklyn gelandet
Credit: Blue Origin

Jubel war zu vernehmen und auch so wohl mancher Betrachter des Livestreams hatte diesen Moment gebannt verfolgt.

Auch wenn die Rückführung des Boosters wohl der spannendste Teil der Mission war, das Missionsziel mußte erst noch erreicht werden. Hier konnte man sich etwas entspannen, die Zeitabstände vergrößerten sich. Und ab hier konnte Blue Origin nur noch Animationen des Flugverlaufes anbieten.

Nach knapp 13 Minuten war der Zeitpunkt für die Deaktivierung der beiden BE-3U Triebwerke erreicht, die nach 25 Minuten Flugzeit für gut 100s wieder aktiviert werden mußten. Damit war die Ausrichtung der Flugbahn geschafft.
Nach über 33 Minuten im Flug konnte das Aussetzen der EscaPADE´s wieder Live beobachtet werden, 5 Minuten später wurde der Viasat Demonstrator aktiviert. Damit erreicht der Flug seine Missionsziele und die Beteiligten bei Blue Origin dürften wohl mit Zufriedenheit auf diesen Tag zurückblicken, der das Ergebnis vieler Jahre Arbeit ist.
Ein zweiter Betreiber von wiederverwendbaren orbitalfähigen ersten Stufen ihres Trägersystems steht am Start!

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