TanDEM-X offenbart Gletschermasse im Detail

Um die Entwicklung eines Gletschers genau verstehen und vorhersagen zu können, muss man seine Masse genau kennen. Wie wichtig diese Daten sind, zeigt sich besonders in Südamerika. Eine Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Quelle: DLR.

DLR (CC-BY 3.0)
Künstlich eingefärbtes TerraSAR-X Bild (Stripmode) des Upsala-Gletschers in Patagonien/Argentinien vom 7. Januar 2008. Die Farben geben Auskunft über die Rauigkeit der Geländeoberfläche, Gebiete die vornehmlich glatt für das Radar erscheinen sind in dunkleren Grau- und Blautönen eingefärbt. Bereiche mit einer gröberen Oberflächenstruktur erscheinen dagegen in Gelbtönen.
(Bild: DLR (CC-BY 3.0))

Auf lokaler Ebene, in den tropischen Regionen zwischen Bolivien und Venezuela, sichert das Schmelzwasser der Gletscher die Trinkwasserversorgung während der Trockenzeit. Die grundlegenden Daten über die Massenveränderung der Gletscher sind jedoch nicht einfach zu beschaffen. Dabei tragen die Massenverluste global gesehen auch zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Wie ein neues Analyseverfahren unter Verwendung von TanDEM-X-Daten zeigt, gilt das vor allem für Patagonien.

Üblicherweise müssen die Wissenschaftler die Gletschermassenänderungen vor Ort vermessen – problematisch bei großen und unzugänglichen Gebieten. Allein die patagonischen Eisfelder haben eine Gesamtfläche von fast 18.000 Quadratkilometer und liegen an der Grenze zwischen Chile und Argentinien in den Anden. Alternativ geben Schwerefeld-Messungen per Satellit Aufschluss über die Massenbilanz. Eine Methode, die sich jedoch nicht für Gletscher in tropischen Regionen mit geringer Eisbedeckung eignet. TanDEM-X bietet nun die Möglichkeit die Massenbilanz von Gletschern per Radarfernerkundung zu bestimmen – mit einem einheitlichen Messverfahren und so genau wie nie zuvor. Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben eine spezielle Verarbeitungsmethode entwickelt und konnten damit aus den Radardaten erstmals ein detailliertes Bild der Massenänderungen sämtlicher Gletscher Südamerikas gewinnen.

Ganze Gletscher verschwunden
Die FAU-Studie zeigt, dass die patagonischen Eisfelder die größten Verluste erlitten haben – Neben den Massenverlusten der großen Eisfelder sind bereits ganze Gletscher verschwunden. Zwischen 2000 und der Zeitspanne 2011-2015 schrumpfte das patagonische Inlandeis jährlich um rund 17,4 Gigatonnen. Das entspricht einem Rückgang von 19,3 Kubikkilometer pro Jahr und übertrifft selbst den Massenverlust von Gletschern, die in den Tropen liegen. Die Analyse der TanDEM-X-Daten bestätigt vorangegangene Untersuchungen und offenbart nun eine dramatische Entwicklung, wie sie bislang nur für Gebiete in Bolivien und Peru bekannt war.

Malz et. al. 2018 doi:10.3390/rs10020188.
Ausschnitt aus Karte der Hohenänderung des Südpatagonischen Inlandeises; die Namen in der Karte bezeichnen die wichtigsten Auslassgletscher. (a) pixel-basierte Abschätzung der Massenänderung im Zeitraum zwischen 2000-2015, (b) für den Bereich des Gletschereinzugsgebietes abgeschätzte mittlere Massenveränderung. Für die Analyse wurden Höhenmodelle der Shuttle Radar Topographie-Mission aus dem Jahr 2000 mit Höhenmodellen der TanDEM-X-Mission aus dem Zeitraum 2011-2015 herangezogen.
(Bild: Malz et. al. 2018 doi:10.3390/rs10020188.)

Die TanDEM-X-Geländemodelle erfassen Höhenunterschiede mit einer Genauigkeit von einem Meter. So lassen sich selbst einzelne Gletscher präzise untersuchen. Die FAU-Geographen aus den Bereichen Fernerkundung und Geoinformation sowie physikalische Klimatologie um Prof. Dr. Matthias Braun und Dr. Tobias Sauter nutzen diese Daten aus dem Zeitraum 2011-2015 und verglichen sie mit Aufnahmen der Shuttle Radar Topographie-Mission aus dem Jahr 2000. Aus der Differenz berechneten sie, in einem komplexen Verfahren, zunächst die Höhenveränderungen der Gletscher und daraus die Veränderungen der Gletschermasse. Dank der hochauflösenden TanDEM-X Daten und der neuen Verarbeitungsmethode war es den FAU-Forschern somit erstmals möglich, die großen patagonischen Inlandeisflächen getrennt von den umliegenden Gletschern zu analysieren. Die Ergebnisse der weitreichenden Studie wurden im Fachmagazin „Nature Climate Change “ veröffentlicht und finden möglicherweise Eingang in den nächsten Bericht des Weltklimarats.

Fortsetzung TanDEM-X und Tandem-L
Derzeit läuft eine Aktualisierung des globalen Geländemodells der TanDEM-X-Mission – die Erlanger Forscher hoffen daher, von diesen Daten in Zukunft noch mehr profitieren zu können. Sie möchten ihre Analysen auch auf andere Regionen ausdehnen und vor allem zeitlich fortschreiben. Eine weitere Hoffnung der Geographen ruht auf Tandem-L, der Nachfolgemission zu TanDEM-X. Ziel von Tandem-L ist es, die Landmasse der Erde im Wochenrhythmus abzubilden. Im L-Band-Frequenzbereich von 23,6 Zentimeter könnten die Radarsignale der neuartigen Satelliten durch die Vegetation durch und in den Erdboden hineindringen. So sollen Radar-Tomographische-Aufnahmen ein Bestandteil der Tandem-L-Mission sein, um eine noch genauere Erfassung der Gletschermassen zu ermöglichen. Künftig könnten die FAU-Wissenschaftler die Gletschergebiete in Südamerika zeitlich und räumlich hochgenau beobachten und weitere wertvolle Erkenntnisse daraus erarbeiten.

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