Eine realistische Marsmission (2)

Die NASA arbeitet auf das Ziel hin, ca. 2020 auf dem Mond zu landen und dort eine Station einzurichten. Später sind bemannte / befraute Marsmissionen geplant. Doch wie würde eine solche Mission konkret aussehen? Dies ist der zweite Teil der dreiteiligen Artikelreihe.

Autor: Georg Jakubaas. Vertont von Karl Urban.

Das erste Startfenster
Pro Startfenster werden drei Flüge gestartet. Die ersten drei Flüge sind Lasttransporte und dienen dazu, die Marsbasis einzurichten und ein Raumschiff für den Rückflug in den Marsorbit zu befördern.

Der Zeitplan der Marsmission
(Bild: NASA / G. Jakubaas)

Mit dem ersten Marsflug wird das vollbetankte ERV (Earth Return Vehicle) zum Mars transportiert und im Orbit geparkt. Das ERV besteht aus einer Antriebsstufe, einem Wohnmodul, einem Versorgungsmodul und der Kapsel für den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre (ECCV, Earth Crew Capture Vehicle). Bereits an Bord des ERV befinden sich die Verpflegung und alle Verbrauchsgüter für den gesamten Rückflug. Das Wohnmodul ist größtenteils identisch mit dem Habitat, mit welchem die Astronauten später zum Mars fliegen werden und auch mit dem zweistöckigen Wohn- und Laborkomplex, in welchem sie sich auf dem Mars aufhalten werden. Der Hinflug verläuft wie alle Lastflüge auf einer Minimum-Energie-Flugbahn, bei welcher der Flug etwa 224 Tage dauert. Das Raumschiff wird anschließend etwa vier Jahre lang im Marsorbit den Planeten umkreisen, bis es wieder aktiviert wird und zum Einsatz kommt.

Mit dem zweiten Flug im gleichen Startfenster wird ein unbetanktes MAV (Mars Ascent Vehicle, das Aufstiegsraumschiff) und das Modul für die Sauerstoff/Methan-Treibstoffproduktion auf den Mars befördert, zusammen mit sechs Tonnen flüssigem Wasserstoff, das für die Treibstoffproduktion benötigt wird. Auch ein 160 kW-Nuklearreaktor, sowie ein Mars-Geländefahrzeug und ein Mars-Rover mit Druckkabine wird mit an Bord sein.

Nach der Landung wird der Nuklearreaktor einige hundert Meter von der Basis entfernt platziert und autonom oder per Fernsteuerung in Betrieb genommen. Danach beginnt das Modul für die Treibstoffgewinnung damit, Sauerstoff und Methan aus der Marsatmosphäre als Treibstoff für das MAV zu produzieren. Dabei verwendet es den mitgebrachten Wasserstoff. Die Produktion wird etwa ein Jahr dauern und einige Monate vor dem Start der Besatzung zum Mars abgeschlossen sein. Am Ende stehen 30 Tonnen Sauerstoff und Methan im MAV zur Verfügung. Später wird die Treibstoffgewinnung dazu benutzt, um zusätzliche Betriebsstoffe für den Aufenthalt auf dem Mars zu produzieren. Die Fabrik ist in der Lage, Treibstoff für die Rover, Chemikalien für Energiezellen, sowie Wasser, Sauerstoff, Stickstoff und Argon herzustellen. Diese Substanzen dienen als zusätzliche Sicherheitsreserve für die Lebenserhaltungssysteme.

Der dritte Transport bringt den zweistöckigen Wohn- und Laborkomplex inklusive Notrationen, einen zweiten 160 kW-Nuklearreaktor, ein weiteres Mars-Geländefahrzeug, Werkzeuge, Ersatzteile und einen weiteren fernsteuerbaren Mars-Rover auf den Roten Planeten.

Das Wohn- und Labormodul ist beinahe identisch mit dem Modul, in welchem die Astronauten zum Mars reisen werden. Damit spart man einerseits Kosten, andererseits verwendet man ein redundantes System, das der Besatzung zusätzliche Sicherheit für den Fall gibt, dass mit einem Modul Probleme auftreten. Dies ist auch der Grund, weshalb das Wohn- und Labormodul bereits von Anfang an mit nichtverderblichen Notrationen ausgestattet ist. So kann die Besatzung im Wohn- und Labormodul überleben, falls das andere Modul Schaden nimmt.

Die einzelnen Systeme müssen nahe beieinander landen, was eine hohe Präzision voraussetzt. Die Module müssen beschränkt mobil sein und werden deshalb mit Rad- oder Kettenantrieb ausgestattet, um sie nach der Landung nahe aneinander positionieren zu können. Anschließend wird die gesamte Ausrüstung zum Teil autonom, zum Teil per Fernsteuerung in Betrieb genommen und ausgetestet. Nur wenn alles einwandfrei funktioniert, die Treibstoffgewinnung abgeschlossen, das MAV vollgetankt und das ERV einsatzbereit im Orbit ist, startet die kritischste Phase der Mission: der Flug der ersten Mannschaft zum Mars.

Das zweite Startfenster

Rover mit Druckkabine vor dem MAV
(Bild: NASA)

Im zweiten Startfenster werden erneut drei Flüge zum Mars unternommen. Mit dem ersten Flug dieser Gruppe wird ein zweites, ebenfalls vollgetanktes EAV zum Mars entsandt und dort wie das erste EAV im Orbit geparkt.

Der zweite Flug platziert ein zweites MAV und ein zweites Modul für die Sauerstoff/Methan-Treibstoffproduktion, sowie weitere Ersatzteile auf dem Mars. Diese zusätzlichen Systeme haben eine Doppelfunktion. Einerseits dienen sie der ersten Mannschaft als Ersatz, falls ein ERV, MAV oder das Treibstoff-Produktionsmodul ausfällt. Falls sie von der ersten Besatzung nicht benötigt werden, wird die zweite Besatzung sie für ihre Mission verwenden. Mit diesem Rotationsprinzip lässt sich die Mission beinahe beliebig oft verlängern und die Marsbasis sukzessive ausbauen.

Nach dem Start der ersten beiden Lastschiffe folgt letztlich die erste Mannschaft mit dem dritten Flug im zweiten Startfenster. Obwohl die Astronauten als letzte starten, werden sie vorher auf dem Mars ankommen, da sie auf einem schnellen Transitkurs fliegen. Dieser dauert nur 150 Tage, im Gegensatz zu den 224 Tagen, welche die Lastflüge benötigen.

Der erste bemannte Flug

Start der ersten Menschen zum Mars
(Bild: NASA)

Nachdem alle notwendigen Systeme auf dem Mars in Betrieb genommen und alle Vorbereitungen abgeschlossen wurden, starten die Astronauten nach vielen Jahren intensivsten Trainings mit dem siebten Flug endlich zum Mars.

Der Start erfolgt gleich wie bei den vorhergehenden Flügen mittels herkömmlicher Triebwerke bis in den Erdorbit. Nach dem Start werden alle Systeme des Raumschiffs komplett und eingehend getestet, solange noch Echtzeitkommunikation mit dem Kontrollzentrum und ein allfälliger Flugabbruch z.B. zur ISS möglich ist. Wenn alle Systeme einwandfrei funktionieren, ist es Zeit für den TMI (Trans Mars Injection).

In der Mars-Referenzmission war geplant, für das Verlassen des Erdorbits einen thermonuklearen Antrieb zum Einsatz zu bringen. Dieser Antrieb wurde bis 2006 im Rahmen des Projektes Prometheus entwickelt und ist ein Nachfolger des NERVA-Projektes, welches 1972 eingestellt wurde. Durch Budgetkürzungen scheint das Projekt aber ebenfalls gefährdet zu sein. Es ist deshalb anzunehmen, dass auch für den MOI (Mars Orbit Insertion) konventionelle Triebwerke zum Einsatz kommen werden.

Um Energie zu sparen werden nach dem erfolgreichen TMI alle Systeme heruntergefahren, die für den Transit nicht benötigt werden. Die für den Flug selbst notwendigen Arbeiten und Verrichtungen der Besatzung bestehen aus Routineaufgaben wie das Zubereiten der Mahlzeiten oder den Unterhalt des Raumschiffs. So steht den Raumfahrern relativ viel Zeit zur Verfügung. Die Crew trainiert deshalb während des Transits den MOI (Mars Orbit Insertion) und die Landung. Dafür werden entsprechende Simulatoren an Bord mitgeführt. Zudem trainieren die Astronauten ihre Konstitution und bereiten sich einerseits auf die lange Transitphase in der Schwerelosigkeit und später auf die Marsschwerkraft vor. Durch regelmäßige Gesundheitschecks werden sowohl medizinische Daten erhoben, als auch die Ergebnisse des Konstitutionstrainings verifiziert. Alle Daten und Ergebnisse der Simulationen und des Trainings werden an das Kontrollzentrum übermittelt und liefern kommenden Missionen wertvolle Erkenntnisse.

Vor allem zu Beginn des Fluges, wenn die Kommunikation noch ohne längere Wartezeiten abläuft, werden die Astronauten relativ viel Medienarbeit leisten. Durch die internationale Besatzung wird weltweit ein großes Interesse der Medien zu befriedigen sein.

Während des Fluges halten sich die Astronauten im Wohnmodul auf, das beinahe identisch mit dem Wohn- und Labormodul ist, welches bereits auf dem Mars auf die Astronauten wartet. Auf die Nutzung einer künstlichen Schwerkraft per Rotation wird verzichtet, da die Risiken größer wären als der Nutzen. Früher plante man, das Raumschiff mit einer ausgebrannten Raketenstufe mittels eines 30 Meter langen Stahlseils zu verbinden und in Rotation zu versetzen. Von Langzeitaufenthalten auf der Mir und der ISS weiß man, dass ein längerer Aufenthalt in der Schwerelosigkeit teilweise kompensierbar ist und keine unmittelbare Gefahr für den Organismus der Astronauten darstellt. Der Flug dauert ca. 150 Tage, also etwa fünf Monate.

Die Ankunft auf dem Mars

Schema des aerocapture / areobraking Manövers
(Bild: NASA / G. Jakubaas)

Um Gewicht zu sparen wird bei der Ankunft nicht per Triebwerk gebremst, sondern mit dem Aerocapture/Aerobraking-Verfahren. Dabei tritt das ankommende Raumschiff in die Atmosphäre ein und wird dabei so abgebremst, dass es praktisch ohne nennenswerten Treibstoffverbrauch in einen Orbit gelangt (aerocapture). Ein Hitzeschild schützt das Raumschiff bei diesem Manöver, mit welchem sogar ein kreisrunder Orbit erreicht werden kann. Bei den Marsmissionen wird mit diesem Verfahren aber in einen elliptischen Orbit eingeschwenkt.

Sekunden vor der Landung
(Bild: NASA)

Nach dem Manöver taucht das Raumschiff beim Erreichen des Periapsis (größte Annäherung an den Planeten) erneut in die Marsatmosphäre ein und wird davon so weit abgebremst (aerobraking), dass eine Landung möglich wird. Der Entscheid für den Einsatz dieses Verfahrens hat drei Gründe:

  1. Für die Landung auf dem Mars wird sowieso ein Hitzeschild benötigt, welches auch für Aerobraking verwendet werden kann.
  2. Die zusätzlichen Anforderungen an den Hitzeschild sind nur bescheiden.
  3. Mit diesem Verfahren kann eine Triebwerkstufe eingespart werden, womit ein potenzielles technisches Risiko eliminiert wird.

Nach der ersten Abstiegsphase durch die Atmosphäre wird der Hitzeschild abgesprengt und der sequenzielle Einsatz von mehreren, unterschiedlich großen Fallschirmen bremst den Fall weiter ab. In der letzten Phase setzt das Raumschiff mit Hilfe der Landetriebwerke sanft in der Nähe der Basis auf.

Verwandte Artikel:

Nach oben scrollen