Eine realistische Marsmission (3)

Die NASA arbeitet auf das Ziel hin, ca. 2020 auf dem Mond zu landen und dort eine Station einzurichten. Später sind bemannte / befraute Marsmissionen geplant. Doch wie würde eine solche Mission konkret aussehen? Dies ist der letzte Teil der dreiteiligen Artikelreihe.

Autor: Georg Jakubaas. Vertont von Karl Urban.

Der Aufenthalt auf dem Mars
Gleich nach der Landung wird die Funktionalität der Lebenserhaltungssysteme und weiterer missionskritischer Systeme gründlich getestet. Erst danach überprüft die Besatzung die weniger wichtigen Anlagen. Die Flugsysteme werden deaktiviert, die Lebenserhaltung für den Marsaufenthalt konfiguriert. Dabei beginnt die Besatzung, sich an die 3/8 Gravitation (0,38 g) anzupassen. Nachdem die wichtigsten Arbeiten abgeschlossen sind und die Crew sich mit den Effekten der Marsanziehung vertraut gemacht hat, steuert sie ihr Habitat in die Nähe des Wohn- und Labormoduls, welches seit zwei Jahren auf ihre Ankunft wartet.

Die Marsbasis mit redundantem Habitat
(Bild: NASA)

Danach kommt der große Augenblick. Der erste Schritt auf dem Mars wird gemacht. Leider werden wir nicht live dabei sein können. Wer aber wird der oder die Glückliche sein, diesen bedeutsamen Schritt zu machen? Und was wird er oder sie sagen? Auf diese Fragen gibt die Mars-Referenzmission verständlicherweise keine Antworten. Im Rahmen der ersten Außeneinsätze wird das Ankunftsmodul an das redundante Energiesystem der Basis angeschlossen. Die beiden Module werden durch einen Tunnel verbunden, womit die Größe des Lebensraumes verdoppelt wird.

Konzept des Wohnbereichs im Habitat
(Bild: NASA)

Gleich vom Beginn des Aufenthaltes weg verbrauchen die Astronauten die Vorräte, welche im unteren Teil des Wohn- und Labormoduls gelagert sind. Es entsteht neuer, nutzbarer Raum. Dieser wird dazu verwendet, ein bioregeneratives Lebenserhaltungssystem einzurichten: Mitgebrachte Samen werden ausgesät, es wachsen Pflanzen, die Sauerstoff und Nahrung produzieren. Dieses System ist für die Mission und für die Lebenserhaltung zwar nicht unbedingt notwendig, es verleiht den Lebenserhaltungssystemen aber eine zusätzliche Komponente, womit ihre Robustheit erhöht wird.

Konzept der Trainingsgeräte
(Bild: NASA)

Die Erforschung des Mars’
In den ersten Monaten wird die nähere Umgebung der Basis erforscht. Es werden erste Gesteins- und Bodenproben gesammelt und analysiert. Die Atmosphäre, das Marswetter, der Boden, die Lichtverhältnisse werden untersucht. Auch werden Sensoren, Proben und Experimente ausgesetzt. Neben den wissenschaftlichen Tätigkeiten sind auch eine Reihe anderer Arbeiten zu erledigen. Systeme müssen gewartet oder repariert werden, Essen muss zubereitet werden. Auch benötigen die Planetenforscher Freizeit, um sich zu erholen. Die durchschnittlichen täglichen Aufwände der Missionsteilnehmer werden wie folgt geschätzt:

Schlafen, an- und entkleiden:8 Stunden
Körperhygiene, Räume reinigen, persönliche Kommunikation:1 Stunde
Freizeit, Muskeltraining, entspannen:1 Stunde
Zubereiten der Mahlzeiten, essen, abräumen:1 Stunde
Ein Tag frei pro Woche:3 Stunden
Planen, berichten, dokumentieren, mit der Erde kommunizieren:1 Stunde
Sozialleben, Sitzungen, Selbstuntersuchungen, Gesundheitsfürsorge:1 Stunde
Überwachen, kalibrieren, warten und reparieren der Systeme:1 Stunde
Arbeitszeit:7 Stunden

Nachdem die unmittelbare Umgebung um die Basis herum erforscht und analysiert wurde, sind mehrere kleinere und größere Expeditionen geplant.

Mobilität auf dem Mars wird in unterschiedlichen Stufen implementiert. In einem Radius um die Basis herum, welchen die Astronauten durch Laufen durchqueren können (ca. 1 km), arbeiten sie in Druckanzügen.

Konzept der Luftschleuse
(Bild: NASA)

In einem Umkreis von 1 bis 10 km kommen Fahrzeuge ohne Druckkabine zum Einsatz, welche mit einem Druckanzug bestiegen werden. Weit entfernte Ziele werden mit einem Fahrzeug zurückgelegt, das mit einer Druckkabine und einer Luftschleuse ausgestattet ist. Mit solchen Fahrzeugen wird es möglich sein, entfernte Einsätze mit einer Dauer von bis zu 10 Tagen zu absolvieren. Ein solches Gefährt kann im Normalfall zwei, im Notfall vier Personen transportieren und beherbergen. Dabei werden Gebiete erreicht, die bis zu 500 km entfernt sind.

Nach jeder großen Exkursion folgen 40 Tage Analyse der mitgebrachten Proben. Nach diesen 40 Tagen erhält die Besatzung jeweils eine Woche frei. Insgesamt sind während des ca. 600 Tage dauernden Aufenthaltes sieben große Exkursionen geplant. Einen Teil der zur Verfügung stehenden Zeit werden die Marsforscher dazu verwenden, die Basis auf die Ankunft weiterer Module vorzubereiten, da mit jeder neuen Mannschaft auch ein zusätzliches Habitat auf dem Mars hinzukommt. Alle Wohn- und Labormodule verbleiben auf dem Mars und werden zukünftigen Missionen zur Verwendung bereitstehen. Mit dem Eintreffen der zweiten Gruppe wird die Basis um eine Einheit erweitert, nämlich um jene, in der sich die Raumfahrer während ihres Fluges zum Mars aufgehalten haben.

Um für den Rückflug nicht außer Übung zu kommen, werden auch regelmäßig Trainings und Simulationen des Aufstiegs, des Andockmanövers, des Rückfluges und der Landung auf der Erde absolviert.

Im Zeitplan ist auch berücksichtigt, falls während des Aufenthaltes eine erhöhte Strahlenbelastung auftritt. Diese kann z.B. durch große Sonneneruptionen (Solar Flares) ausgelöst werden. Zwar schützen die Marsatmosphäre und der Planet die Astronauten bis zu einem gewissen Grad. Trotzdem werden die Forscher bei stark erhöhten Strahlenwerten in den Modulen bleiben müssen, welche sie vor solcher Strahlung schützen. Kaum ein Schutz existiert aber gegen die hochenergetischen, dauernd auftretenden kosmischen Partikel. Diese Strahlenbelastung wird in Kauf genommen werden müssen.

Rover vor dem Mars Ascent Vehicle
(Bild: NASA)

Die letzten 50 Tage des Marsaufenthaltes verbringt die Besatzung damit, die Systeme der Basis für die kommende Wartezeit und damit für einen reduzierten Betrieb zu konfigurieren. Da die zweite Expedition erst Monate nach dem Abflug der Ersten landen wird, muss die Station gesichert werden. Auch wird das Aufstiegsmodul für seinen ersten und einzigen aktiven Flug vorbereitet. Zudem wird das im Orbit befindliche ERV von der Marsoberfläche aus aktiviert, sodass es für das bevorstehende Andockmanöver in Bereitschaft ist. Das Krafttraining wird dramatisch intensiviert, damit die Besatzung für die Schwerelosigkeit und die spätere Anpassung an die normale Erdanziehung vorbereitet ist. Da diese Aktivitäten absolute Priorität haben, werden andere, nicht lebenswichtige Aufgaben minimiert oder ganz gestoppt.

Die Rückkehr zur Erde
Nach 600 Tagen ist das Ende des Marsaufenthaltes gekommen und aus den Planetenforschern werden wieder Astronauten. Sie begeben sich in das vollgetankte Aufstiegsmodul, welches einer Apollo-Kommandokapsel ähnelt und neben den Lagesteuerungsdüsen zusätzlich über zwei Triebwerke und Treibstofftanks für den Aufstieg in den Marsorbit verfügt. Beim Aufstieg wird der Treibstoff verwendet, der aus der Atmosphäre des Mars gewonnen wurde.

Start des Mars Ascent Vehicle
(Bild: NASA)

Ein interessanter Aspekt ist, dass die Aufstiegsstufe keine hypergolischen Treibstoffe verwendet (Hydrazin und Stickstoff-Tetroxyd), wie das bei den Apollo-Missionen der Fall war. Triebwerke mit hypergolischen Treibstoffen sind sehr verlässlich, da sie sehr einfach konstruiert sind. Die beiden Chemikalien reagieren ohne komplizierte Technik miteinander. Trotzdem hat sich die NASA für die komplexeren und damit risikoreicheren Triebwerke entschieden, da nur für diese der Treibstoff auf dem Mars produziert werden kann. Bei den Lagesteuerungssystemen werden aber auch bei der Marsmission hypergolische Systeme verwendet.

Nach dem Aufstieg erreicht das Aufstiegsmodul einen runden Marsorbit. Die Astronauten docken am ERV an und lassen das MAV später zurück. Danach bereiten sie das ERV für den langen Flug nach Hause vor. Schließlich zünden sie die Triebwerke und verlassen den Roten Planeten mit Kurs auf die Erde.

Das MAV dockt an das ERV an
(Bild: NASA)

Da die zweite bemannte Mission zum Mars schon starten wird, noch während die erste Expedition auf dem Rückflug ist, beginnt das Debriefing der ersten Besatzung bereits während des Rückfluges. Dies ist notwendig, damit die zweite Gruppe von den wertvollen Erfahrungen und den gewonnenen Erkenntnissen der ersten profitieren kann.

Während des Rückfluges unterziehen sich die Astronauten einem intensiven Spezialtraining, welches sie dabei unterstützt, ihre Körper auf die normale Erdanziehung (1 g) vorzubereiten. Die dazu notwendigen Geräte befinden sich an Bord des ERV. Wie beim Hinflug verfügt die Besatzung über relativ viel Zeit. Deshalb wird ein Schwerpunkt der Transitphase das Training für den Wiedereintritt bilden. Die dafür notwendigen Simulatoren sind ebenfalls mit an Bord. Nach ca. 110 Tagen endet auch der letzte Teil der Mission. Die Astronauten führen die letzte Korrektur der Flugbahn durch, begeben sich in das ECCV und trennen sich anschließend vom ERV.

Es folgt die letzte kritische Flugphase der Marsmission. Wie schon beim Einschwenken in den Marsorbit wird die Landung auf der Erde mittels Aerocapture / Aerobraking eingeleitet. Nachdem dieses Manöver abgeschlossen ist, wird das ECCV durch Bremsfallschirme verschiedener Größen weiter abgebremst. Zuletzt kommt noch eine weitere Neuheit zum Einsatz. Das ECCV landet nicht wie die Apollo-Kommandokapseln mit einem Fallschirm, sondern unter Verwendung eines steuerbaren Gleitschirms. So kann die Landung präzise in der Nähe einer NASA-Basis erfolgen. Es ist anzunehmen, dass die Landung nicht auf Wasser erfolgt, sondern auf festem Boden. Damit sind die Pioniere knapp 900 Tage nach ihrem Start wieder auf der Erde angekommen und die erste Etappe des Marsprogramms abgeschlossen, während die zweite gerade erst begonnen hat.

Die Kommandokapsel gleitet gesteuert dem Landeziel entgegen
(Bild: Bildquelle)

Die Zeit nach der Rückkehr
Nach der Landung wird wahrscheinlich eine Quarantänephase folgen. Ob diese Maßnahme notwendig ist, hängt auch davon ab, ob auf dem Mars Spuren von Leben gefunden werden.

Auf jeden Fall wird eine längere Erholungs- und Anpassungsphase notwendig sein, während derer sich die Astronauten wieder an die Erdschwerkraft gewöhnen. Ist dies geschehen, finden erneut Debriefings statt, diesmal in Form von Interviews mit den zuständigen Wissenschaftlern und Technikern. Langfristig werden regelmäßige medizinische Untersuchungen durchgeführt, um später auftretende Krankheiten identifizieren zu können.

Doch stellen wir mal alle Wissenschaft, Technik und Medizin beiseite. Letztendlich werden die Marsforscher die Helden vieler Nationen sein. Sie haben den ersten Schritt der Menschheit auf einem anderen Planeten getan. Sie haben einen Riesensprung für die Menschheit hinaus ins All gemacht. Es ist nicht auszudenken, welchen Medienrummel diese Menschen auslösen werden. Eine der berühmten Tickertape-Paraden, wie die Apollo 11 Astronauten, werden sie allemal genießen dürfen. Vielleicht sogar sechs – in jedem an der Mission teilnehmenden Land eine.

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