Im Gespräch mit David Southwood

Zur Landung von Huygens unterhielt sich Raumfahrer.net mit David Southwood, ESA Science Director.

Ein Beitrag von Karl Urban. Vertont von Dominik Mayer.

David Southwood, ESA-Wissenschaftsdirektor. (Bild: 
ESA - P. Sebirot)
David Southwood, ESA-Wissenschaftsdirektor. (Bild:
ESA – P. Sebirot)

David Southwood ist Wissenschaftsdirektor der ESA und sprach auf der Presse-veranstaltung im European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt mit Raumfahrer.net.

“Wir tun hier etwas, das ist meiner Meinung nach schwieriger, als auf dem Mars zu landen. Was wir hier tun, spielt sich auf der anderen Seite des Sonnensystems ab, zehn mal weiter von der Sonne entfernt als wir und in einer Atmosphäre, die wir nicht kennen! Wir haben Titan [zuletzt] als verschwommenes Glimmen mit Hilfe von Voyager gesehen. Dies waren die einzigen Informationen, die wir bei der Entwicklung des Landesystems nutzen konnten! Sie könnten sagen das ist Hybris.

Sie müssen verstehen, dass wir hier eine Herausforderung annehmen, die deutlich härter ist, als auf dem Mars zu landen. Es ist anders und sie sehen wie nervös ich bin. Was Beagle anbelangt bin ich sehr sensibel, ich bin absolut traurig, dass wir ihn verloren haben. Ich bin jedoch überzeugt, dass Beagle in vielerlei Hinsicht ein ernstzunehmender Erfolg war. Er wurde gestartet, im All durchgecheckt und erfolgreich ausgesetzt, aber er scheiterte an der letzten Hürde. Huygens ist bisher nicht gefallen aber in der Tat gibt es noch genügend Hürden in diesem Rennen.

[…] Wir arbeiten in einer Risikobranche. Wir tun diese Dinge nicht, weil mit ihnen hohe Risiken verbunden sind. Wir tun sie, weil die wissenschaftlichen Möglichkeiten so bedeutend sind; um unseren Platz im Universum besser zu verstehen. Wenn Sie es so betrachten, müssen Sie Risiken in Kauf nehmen. Die Amerikaner fliegen zum Saturn. Wir können die Möglichkeiten von deren Programm umfassend erweitern, indem wir ihm beitreten. Was müssen wir dafür tun? Wir müssen die risikoreichste Aufgabe auf uns nehmen, aber auch die Aufgabe, die mit dem größten Bonus verbunden ist. Sie [die Amerikaner mit Cassini] fliegen viele Male um Titan. Wir werden ihnen erzählen, wie sie diese Daten nehmen und daraus eine dreidimensionale Ansicht der Titanatmosphäre erstellen.”

Auf die Frage, wie sich ein Erfolg der Huygens-Mission für Europa auswirken könnte, sagte David Southwood:

“Das müssen die europäischen Bürger entscheiden. Wir sind eine sehr erfolgsorientierte Organisation, denn wir hatten sehr sehr wenige Fehlschläge. Ich meine, Sie könnten “Beagle 2” nennen, aber das war ein Zusatz – ein optionelles Extra – auf einer unglaublich erfolgreichen Mission Mars Express. Niemand ist perfekt, aber unsere Erfolgsbilanz ist letztendlich sehr gut. Immerhin war Beagle 2 der einzige komplette Fehlschlag innerhalb unseres Wissenschaftsprogramms. – Ich spreche jetzt nicht über Raketen oder ähnliche Dinge. Europa hat eine gute Weltraumagentur, die es zusammenhält. Es hat große Fähigkeiten sowohl in der Industrie wie innerhalb der Agentur, die es ein zweites Mal nirgendwo auf dem Planeten gibt.

Alles was wir tun müssen, ist, zu sagen, dass Europa das Sonnensystem erforschen möchte – und ein Budget zu bestimmen, um dies zu tun. Das ist eine politische Aufgabe. […] [Die deutsche Wissenschaftsministerin] Frau Buhlmahn war heute hier. Es ist ihre Aufgabe, dafür in Deutschland zu kämpfen und das zu benutzen, was wir dafür getan haben. Das gilt ebenso für Großbritannien oder Frankreich. Wir leben in Demokratien und Entscheidungen werden von Politikern getroffen, die gegenüber der Öffentlichkeit verantwortlich sind.

[…] Sie dürfen niemals die Vorstellungskraft der normalen Leute unterschätzen. Sich vorzustellen, einen Ort zu besuchen, den wir nie zuvor gesehen haben, ständig bewölkt, ein mysteriöser Ort aus den Frühzeiten des Sonnensystems, das regt die Vorstellungskraft an. Sie wird auch angeregt, wenn dieser Ort nicht allzu einladend aussieht. All diese Menschen blicken hinauf zu den Sternen und fragen sich: Warum bin ich hier? Ich frage mich das auch. […]

Wenn Sie etwas weiterfahren, an den Rhein, sehen Sie diese wahnsinnigen Kathedralen. Das Bauen dieser gigantischen Münster ist das Äquivalent zu dem, was wir hier tun. Wir bringen normale Menschen in Berührung mit der Unendlichkeit, ihrem Ursprung.”

Das Interview können Sie auch in der kommenden Ausgabe des Raumfahrer.net-Webradios InSound, die in wenigen Tagen erscheint, nachhören.

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