Kalibration von Detektoren im All

Nicht nur Menschen müssen beim Aufenthalt im Weltraum vor den todbringenden Eigenschaften des Alls geschützt werden. Wissenschaftliche Instrumente an Bord von Satelliten befinden sich oberhalb der Erdatmospäre, welche die harte Strahlung absorbiert. Ebenfalls in einer für sie unfreundlichen Umgebung.

Autor: Tilman Kaiser.

Eine hohe Belastung dieser Geräte ergibt sich vor allem durch Teilchenstrahlung (z.B. elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds. u.a. Protonen im Van-Allen-Strahlungsgürtel) niedrige Temperaturen und niedrigen Druck. Diese drei Faktoren stellen für die empfindlichen Detektoren ein Problem dar. Bei den bildgebenden CCD-Detektoren (Charged-Coupled-Devices werden bekanntlich auch für die weitverbreitenden Digitalkameras der optischen Photographie verwendet) kann sich durch kosmische Teilchenstrahlung eine Verschlechterung im strahlungssensitiven Halbleitermaterial ergeben.

Ein Bild vom Krebsnebel. Aufgenommen von Hubble im sichtbaren Licht
(Bild: Hubble)

Solche CCDs werden übrigens nicht nur in der Beobachtung optischer Strahlung (sichtbares Licht), sondern seit geraumer Zeit auch für die Röntgenastronomie, wie z.B. auf dem Forschungssatelliten der ESA XMM-Newton (Raketenstart im Dezember 1999) zur Beobachtung von kosmischen Röntgenquellen, eingesetzt.

Diese Detektoren messen Photonenstrahlung – also elektromagnetische Strahlung oder schlicht und ergreifend Licht – der zu untersuchenden kosmischen Objekte dadurch, dass sie die von den Photonen (Lichtquanten) durch den quantenmechanischen “Photoelektrischen Effekt” (entdeckt 1905 durch Albert Einstein) aus dem Bindungszustand des Halbleiterbands herausgelösten Elektronen elektronisch auslesen.

Beim Transfer der Elektronen zur Ausleseanode durch Verändern der elektrischen Potentiale an den CCD-Pixeln können diese Ladungen teilweise in Ladungsfallen im Halbleitermaterial hängen bleiben. Dadurch ergibt sich ein Ladungsverlust. Wie groß der Verlust der Signalladungen beim Ladungstransport ist, wird durch die sogenannte Ladungstransfereffizienz angegeben (Charge Transfer Efficiency – CTE). Sie ist als ein Faktor zwischen 0 und 1 folgendermaßen definiert: durch Ladungsverluste abgeschwächtes Signal geteilt durch ursprüngliches Signal. Keine Ladungsverluste bedeutet: CTE = 1. Totaler Ladungsverlust (kein Output) bedeutet: CTE = 0. Manchmal wird auch von der CTI (Charge Transfer Inefficieny) gesprochen, die definiert ist durch CTI = 1 – CTE.

Bevor ein Detektor mit seinem Satelliten ins All geschossen wird, sollte der Detektor durch Messungen am Boden möglichst genau kalibriert (geeicht) werden. Im Idealfall kann eine detaillierte Detektor-Response-Matrix ermittelt werden – also eine Matrix, mit der später Wissenschaftler aus dem elektrischen Outputsignal genau auf den Strahlungsinput schließen können. Am Boden wird z.B. die CTE in Abhängigkeit bestimmter Parameter ermittelt. Es ergibt sich in der Regel eine Abhängigkeit der CTE von der Energie, mit der Detektor bestrahlt wird und von der Temperatur des Detektorraums.

Durch die Teilchenstrahlung im All verschlechtert sich die CTE eines CCD-Detektors in der Regel im Laufe der Jahre. Durch Temperaturänderung im Detektor kann die CTE teilweise wieder verbessert werden. Auf jeden Fall werden Detektoren auch während des Betriebs im All ständig nachkalibriert. Hierzu verwendet man z.T. installierte Röntgenquellen im Detektor aber auch sehr gut untersuchte Quellen im All.

Eine Krebsnebelaufnahme im Röntgenbereich von Chandra
(Bild: Chandra)

In der Hochenergieastrophysik (Röntgen- und Gammaastronomie) wird als Eichquelle (Standardkerze) gerne der Krebsnebel verwendet. Hohe Energien werden in unserem Universum z.B. am Ende der Entwicklung eines schweren Sterns frei, der sich nach einer heftigen Explosion je nach Anfangsmasse in einen Neutronenstern bestehend aus komprimierter Kernmaterie oder im Fall noch größerer Sternmasse, wenn der Druck der Kernmaterie nicht mehr der noch größeren Schwerkraft der Sternleichenmasse standhalten kann, in ein Schwarzes Loch umwandelt.

Der Krebsnebel ist der Überrest einer Sternexplosion (Supernova Remnant – SNR), die in chinesischen Schriften als ein heller Stern gedeutet wurde, welcher im Jahr 1054 für zwei Jahre lang am Nachthimmel “zu Gast” und sogar mit dem bloßen Auge zwei Tage lang tagsüber zu erkennen war.

1731 wurde diese mittlerweile schwächer gewordene optische Lichtquelle vom englischen Physiker John Bevis entdeckt und noch im selben Jahrhundert vom “Kometenjäger” Charles Messier in seinem Katalog unter der Bezeichnung M1 als Nebelfleck kategorisiert. Als der von Deutschland in die USA emigrierte Astronom Walter Baade 1942 detaillierte Untersuchungen über die Struktur des Krebsnebels veröffenlichte, wuchs das Interesse der Astrophysiker am Krebsnebel.

1963 wurde im 2-Gradfenster um den optischen Krebsnebel eine Röntgenquelle ausgemacht. Fünf Jahre später wurde im Zentrum des Krebsnebels ein im Radiowellenlängenbereich pulsierender Neutronenstern identifiziert, der letztendlich auch für die Röntgenstrahlung verantwortlich ist.

Der Katalog des ersten Röntgensatelliten Uhuru (Start vom afrikanischen Kontinent 1970) verzeichnet den Krebsnebel als fünftstärkste Röntgenquelle am Himmel.

Der Krebsnebel fungiert momentan als “Standardkerze” aller modernen Röntgen- und Gammasatelitten, u.a. Integral, Swift, XMM-Newton, Chandra und RXTE.

Auch den folgenden Röntgenmissionen der vergangenen 30 Jahre diente der Krebsnebel als geeignetes Kalibrationsobjekt: ROSAT, EXOSAT, Beppo-SAX, ASCA, Ginga, Einstein und Mir-HEXE.

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