Spitzer – Das letzte der Großen Teleskope

Der Start des Spitzer-Weltraumteleskops komplettiert ein ehrgeiziges Beobachtungsprogramm der NASA.

Autor: Michael Stein.

Das Weltraumteleskops führte zum Zeitpunkt seines Starts die Bezeichnung SIRTF (= Space Infrared Telescope Facility). Erst danach wurde es zu Ehren des amerikanischen Wissenschaftlers Lyman Spitzer Jr. (1914-1997), der unter anderem eine treibende Kraft bei der Realisierung des Hubble-Weltraumteleskops war, umbenannt. Frühe Meldungen zu dieser Mission finden Sie auf Raumfahrer.net daher noch unter der Bezeichnung SIRTF. Bitte berücksichtigen Sie dies bei einer Suche nach News-Meldungen über dieses Weltraumteleskop.

Das Spitzer-Weltraumteleskop in seiner erdfernen Umlaufbahn um die Sonne.
(Grafik: NASA)

Einleitung
Mit dem Start des Spitzer-Weltraumteleskops am 25. August 2003 fand das so genannte Great Observatory Program der NASA seinen Abschluss. Hinter diesem Programm steht die Idee, mit einer Flotte von vier weltraumgestützten Teleskopen das Weltall in verschiedenen, wissenschaftlich relevanten Spektralbereichen beobachten zu können. Dem Spitzer-Weltraumteleskop kommt dabei die Aufgabe zu, die auf der Erdoberfläche kaum beobachtbare kosmische infrarote Strahlung ins Visier zu nehmen.

Im Rahmen des Great Observatory Program sind bisher die Weltraumteleskope Compton Gamma-Ray Observatory (1991), das Chandra X-Ray Observatory (1999) sowie das Hubble Space Telescope (1990), das Beobachtungen im Bereich der Infrarotstrahlung und des sichtbaren Lichts vornimmt, gestartet worden. Während Compton aufgrund des Ausfalls eines Gyroskops aus Sicherheitsgründen 1999 bei einem kontrollierten Absturz in der Erdatmosphäre verglühte werden Hubble und Chandra voraussichtlich noch mehrere Jahre lang in Betrieb sein.

Vorgeschichte
Bereits Anfang der 1980er Jahre wurden von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA Vorschläge für den Bau eines großen weltraumgestützten Infrarot-Teleskops untersucht. Damals, am Anfang der Space Shuttle-Ära, hatte man ein wiederholtes Starten des geplanten Teleskops an Bord amerikanischer Raumfähren vorgesehen – immerhin herrschte seinerzeit die heute kaum noch nachvollziehbare Hoffnung vor, im beinahe wöchentlichen Rhythmus Raumfähren für bis zu 30 Tage dauernde Forschungsmissionen in den Erdorbit schicken zu können. Auch die vorhergesehene Beeinträchtigung durch die Infrarot-Emmissionen des Shuttles wurde für tolerabel und beherrschbar gehalten.

Doch es sollte anders kommen: Sehr schnell nach Inbetriebnahme der ersten Raumfähren war klar, dass die optimistischen Vorstellungen der 1970er Jahre über niedrige Betriebskosten und geringe Turn-Around-Zeiten der Shuttle-Flotte unrealistisch waren. Darüber hinaus war das im Januar 1983 gestartete erste weltraumgestützte Infrarot-Teleskop IRAS (= Infrared Astronomical Satellite) derartig erfolgreich, dass die NASA 1984 schließlich von der Idee eines Shuttle-basierten Teleskops Abschied nahm und die Entwicklung eines autonomen Weltraumteleskops in Auftrag gab. Welch’ glückliche Hand die NASA mit dieser Entscheidung bewies zeigte sich schon ein Jahr später, als während der Shuttle-Mission STS-51-F unter anderem auch ein kleines Infrarot-Teleskop an Bord getestet wurde: Die Beobachtungen des Teleskops mit einem Spiegeldurchmesser von nur 15,2 Zentimetern, das auf der Instrumentenplattform des Spacelab 2 untergebracht war, wurden nämlich durch die Infrarot-Emmissionen der Raumfähre erheblich gestört.

Entwicklung der Spitzer-Planungen unter dem Eindruck ständig sinkender Finanzmittel.
(Grafik: NASA)

Damit war die letzte Wendung in der Entstehungsgeschichte des damals noch SIRTF genannten Teleskops aber noch nicht erreicht. Aufgrund massiver Kürzungen der NASA-Finanzmittel in den 1990er Jahren reduzierte sich auch das für die Entwicklung und den Bau des Teleskops zur Verfügung stehende Budget erheblich. Während die Planungen 1990 noch von mehr als zwei Milliarden US-Dollar Gesamtkosten und einer Startmasse von über fünfeinhalb Tonnen ausgingen kostete die endgültige, zwei Mal “geschrumpfte” Fassung des Weltraumteleskops nur noch rund 450 Millionen Dollar, und gleichzeitig reduzierte sich das Startgewicht auf 750 Kilogramm – in jeder Hinsicht eine wahrhaft gigantische Reduktion. Obwohl Spitzer heute gegenüber dem Design des Jahres 1990 natürlich etwas geringere Fähigkeiten aufweist konnte der Großteil der geplanten Eigenschaften des Teleskops durch innovative Ideen und Ausnutzung des technischen Fortschritts erhalten werden.

Zuletzt mußte der ursprünglich für April 2003 geplante Start des Weltraumteleskops noch einmal verschoben werden, da es Probleme mit einem Feststoffbooster der Delta II-Trägerrakete gab. Die Beseitigung dieses Problems hätte zwar nicht vier Monate in Anspruch genommen, allerdings hatten – nachdem der Starttermin im April aufgrund der technischen Probleme verstrichen war – zunächst die beiden Mars-Rover Spirit und Opportunity Priorität, die im Gegensatz zum Spitzer-Weltraumteleskop nur während kurzer, wenige Wochen umfassender Startfenster ihre Reise zum Mars antreten konnten.

Das Weltraum-Teleskop
Während die erste SIRTF-Version noch eine Titan-Trägerrakete benötigt hätte, um ins Weltall befördert zu werden, reicht für das Realität gewordene Spitzer-Teleskop eine Delta II Heavy aus. Mit Hilfe dieser Rakete wird das Teleskop nach dem Start in eine Umlaufbahn um die Sonne befördert werden, die der Erdumlaufbahn entspricht. Spitzer wird der Erde auf ihrem Weg um die Sonne folgen und sich dabei mit einer Geschwindigkeit von rund 0,1 Astronomische Einheiten (d.h. ein Zehntel der Entfernung Erde-Sonne) pro Jahr von der Erde entfernen. Der große Vorteil dieses Orbits gegenüber einer Erdumlaufbahn ist die deutlich kältere Umgebungstemperatur von nur etwa 30 bis 40° Kelvin (= über dem absoluten Nullpunkt).

Spitzer während letzter Tests vor dem Start. Auf dieser Aufnahme ist das mit Solarzellen bestückte Sonnenschutzschild gut erkennbar.
(Foto: NASA)

Warum ist man bestrebt, die Temperatur des Teleskops so gering wie möglich zu halten? Auch Spitzer selbst sendet infrarote Strahlung – also Wärmestrahlung – aus, und je wärmer das Teleskop ist, umso mehr stört dieses “Eigenrauschen” die Beobachtung. Durch den gewählten Orbit und die damit verbundene extrem niedrige Umgebungstemperatur ist nur noch ein relativ geringer Aufwand für die Kühlung des Teleskopspiegels und der Detektoren auf die Betriebstemperatur von etwa 5,5° Kelvin notwendig. Vor der Aufheizung des Teleskops durch die Sonne wird es durch einen Schutzschild bewahrt, der gleichzeitig als Träger für die Solarzellen zur Energiegewinnung dient.

Damit wäre auch gleich etwas über den Aufbau des Spitzer-Weltraumteleskops gesagt. Vor der Sonneneinstrahlung wird das Teleskop durch den erwähnten Schutzschild bewahrt, darüber hinaus ist der Teleskoptubus schwarz gestrichen, wodurch eine optimale Wärmeabstrahlung gewährleistet ist. Die einfallende infrarote Strahlung fällt auf einen Spiegel mit 85 Zentimeter Durchmesser und wird schließlich in die so genannte Multiple Instrument Chamber geleitet, wo drei verschiedene Messinstrumente die infrarote Strahlung registrieren. Dabei handelt es sich um zwei Detektoren-Arrays zur Registrierung von naher und mittlerer infraroter Strahlung bzw. von ferner infraroter Strahlung sowie um einen Spektrographen zur Untersuchung mittlerer infraroter Strahlung. Diese drei wissenschaftlichen Instrumente des Spitzer-Teleskops werden bei nur 1,5° Kelvin betrieben, was mit Hilfe einer cryostatischen Kühlanlage erreicht wird.

Was soll das Teleskop beobachten?
Vom gesamten elektromagnetischen Spektrum ist für den Menschen nur ein kleiner Ausschnitt direkt wahrnehmbar – nur das sichtbare Licht und die (nahe) infrarote Strahlung in Form von Wärmestrahlung wird direkt durch die Augen bzw. die Haut registriert. Für alle anderen Strahlungsarten haben wir keine Rezeptoren, da sich im Laufe der biologischen Evolution für unsere Gattung schlicht niemals die Notwendigkeit ergab, hierfür empfänglich zu sein: Unsere Vorfahren haben offensichtlich überlebt, auch ohne beispielsweise über ein für infrarote Strahlung empfängliches Auge zu verfügen. (Ein solches Auge wäre jedoch vor Erfindung der Glühbirne ohne Frage von Vorteil gewesen; man denke nur an die Möglichkeit, auf diese Weise auch in der Dämmerung oder bei Dunkelheit gefährliche Tiere frühzeitig entdecken zu können!)

Das Spitzer-Weltraumteleskop ist für die Beobachtung des infraroten Strahlungsspektrums ausgelegt, das sich unmittelbar an dem von unserem Auge als rot wahrgenommenen Licht anschließt. Die infrarote Strahlung ist im Vergleich zum roten Licht energieärmer, hat eine niedrigere Frequenz und eine größere Wellenlänge. Die Astronomen unterteilen den infraroten Bereich des Strahlungsspektrums noch weiter: vom so genannten “Nahen Infrarot” mit Wellenlängen von rund einem Mikron bis zum “Fernen Infrarot” mit Wellenlängen von 200 Mikron (1 Mikron = 0,001 Millimeter) – wobei das “Nahe Infrarot” (Nomen est Omen) dem roten Licht am nächsten liegt. Anders ausgedrückt beobachtet Spitzer die Wärmestrahlung, die jedes Objekt, dessen Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunktes liegt, emittiert. Wie schon erwähnt absorbiert die Erdatmosphäre den größten Teil dieser aus dem Kosmos stammenden Wärmestrahlung, so dass ein Weltraumteleskop für die Beobachtung dieser Strahlungsart von unschätzbarem Wert ist.

Ein extrem weit entfernter Galaxien-Cluster (EIS0046-2930, Mitglieder in gelb-orange). Spitzer soll unter anderem auch solche weit entfernten Galaxien ins Visier nehmen.
(Foto: ESO)

Die wissenschaftlichen Ziele lassen sich unter vier Überschriften zusammenfassen. Zum einen soll Spitzer nach so genannten “Braunen Zwergen” und “Super-Planeten” suchen. Dabei handelt es sich um Himmelskörper, die irgendwo in der Übergangsphase zwischen Planeten und Sternen angesiedelt sind – sie sind zwar für planetare Verhältnisse gigantisch groß, aber doch nicht so groß, dass in ihrem Inneren eine Kernfusion hätte starten können. Daher sind sie auch nur schwer zu entdecken, denn sie emittieren kaum sichtbare Strahlung, sondern so gut wie ausschließlich Infrarotstrahlung. Für Astronomen ist es interessant zu wissen wie häufig sie sind, da die “Braunen Zwerge” unter anderem auch einen Bestandteil der so genannten “Dunklen Materie” bilden, die den Großteil der Materie unseres Universums ausmacht – und von deren Umfang die weitere Zukunft unseres Universums abhängt.

Eine andere spannende Aufgabe wird die Suche nach Staub- bzw. Gasscheiben um nahe Sterne sein. Solche Scheiben werden als Vorformen von Planetensystemen angesehen, und für Astronomen ist es natürlich interessant zu wissen, wie häufig solche proto-planetaren Staub- und Gasscheiben um Sterne sind.

Daneben wird Spitzer auch nach Galaxien suchen, die den Großteil ihrer Strahlung im infraroten Spektralbereich emittieren. Dieser Umstand könnte auf eine intensive Sternenentstehung in diesen Galaxien hindeuten, die eine Folge von Kollisionen zwischen Galaxien oder von stauberfüllten, aktiven Galaxienkernen sein könnten.

Zu guter Letzt können die Astronomen mit Hilfe des Spitzer-Weltraumteleskops auch einen Blick in die Frühzeit des Universums werfen. Alle kosmischen Objekte entfernen sich mit umso größerer Geschwindigkeit von uns, je weiter weg sie sind (und damit auch: je älter sie sind). Diese hohe “Fluchtgeschwindigkeit” erzeugt jedoch eine so genannte “Rotverschiebung” der emittierten Strahlung, so dass der Großteil der von Sternen und Galaxien in der Frühzeit des Universums ausgesandten Strahlung mittlerweile in den infraroten Spektralbereich verschoben ist. Deswegen kann Spitzer den Astronomen neue Einblicke in die Entstehungsphase der ersten Galaxien und Sterne gewähren.

Die Mission von Spitzer soll mindestens zweieinhalb Jahre dauern, die Wissenschaftler hoffen allerdings auf eine fünfjährige Nutzungsdauer des Teleskops. Sie wird in erster Linie begrenzt durch die Menge an Kühlflüssigkeit (flüssiges Helium), die von Spitzer mitgeführt wird. Gegenüber seinen (wenigen) Vorgängern stellt diese Mission einen enormen Fortschritt an Empfindlichkeit und Auflösung der Beobachtungsinstrumente dar, so dass man mit einer Vielzahl neuer Erkenntnisse rechnen kann.

Zum Abschluss noch ein Tipp: Wenn Sie sich ausführlich und unterhaltsam über die Infrarot-Astronomie informieren möchten, dann sei Ihnen der Besuch der Internetsite Cool Cosmos empfohlen – eine umfassende und aufwendig gestaltete Internetsite zu diesem Thema.

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