Von der Buchmesse Leipzig: Alle guten Dinge sind Drei

Gerhard Kowalski legt sein neues Buch „Der unbekannte Gagarin“ über den ersten Kosmonauten der Welt vor. (von Andreas Weise)

Ein Beitrag von Andreas Weise.

drei Werke über Gagarin - das aktuelle mittig
(Bild: Andreas Weise)
drei Werke über Gagarin – das aktuelle mittig
(Bild: Andreas Weise)

Wer kennt sie nicht, die tragische Geschichte vom Wettlauf zwischen Hase und Igel, aufgeschrieben durch die Gebrüder Grimm. Immer wenn man glaubt, man habe sein Ziel erreicht, da ist schon wieder alles anders. Besonders schmerzhaft muss das sein, wenn es sich dabei um ein selbst gestecktes Ziel handelt, einen Themenkomplex allumfassend abzuschließen.

Genauso muss sich der Journalist, Autor und Gagarin-Experte Gerhard Kowalski gefühlt haben, als sein zweites Buch „Heute 6:07 UT“ erschien. Die Veröffentlichung erfolgte rechtzeitig zum 50. Jahrestag des ersten bemannten Kosmosfluges im April 2011. Alles Bekannte und Wissenswerte, was Kowalski bis zu diesem Zeitpunkt über den ersten Menschen im Weltraum recherchiert hatte, war dort zusammengetragen. Soweit so gut.

Und nun das:
Nur einen Tag nach dem Gagarin-Jubiläum wurde in Moskau auf einer Pressekonferenz die Veröffentlichung von 200 neuen Geheimdokumenten zum Flug Gagarins angekündigt.

Kowalski wäre aber nicht Kowalski, wenn er nicht hier sofort nach gehakt hätte. Somit hat er sich erneut auf eine Odyssee in die Abgründe von Geheimhaltung, Verschleierung und Halbwahrheiten in der sowjetischen Weltraumgeschichtsschreibung der ersten Jahre begeben.
Nach vier Jahren weiterer Recherchearbeit liegt das Ergebnis jetzt vor: Das dritte, und wie der Autor im Untertitel meint, finale Buch zum ersten Kosmonauten der Welt.

Alle guten Dinge sind also Drei möge man denken. Ob das auch wirklich stimmt, wird die Zeit zeigen. Vorstellen kann ich mir das nicht.

Zum Werk selber: Zunächst fällt auf, das es irgendwie optisch schmaler, zu mindestens aber nicht größer als sein Vorgänger ist. Das verwundert natürlich zuerst.
Die 327 Seiten können somit nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier offensichtlich etwas weggelassen wurde. Nun habe ich nicht das neue Werk mit dem Inhalt seines Vorgängers Wort für Wort verglichen. Der persönliche Eindruck aber entsteht, dass einige Passagen speziell zur Erläuterung des geschichtlichen Umfeldes, fehlen. Ob das daran liegt, dass Bücher in ihrer Seitenzahl beschränkt sein sollten, weis ich nicht. Auf alle Fälle hätte man hier etwas weiter ausholen können.

Und wie steht es um den Inhalt? Kowalski ist es tatsächlich gelungen, einige der letzten weiße Flecken in der Gagarin-Geschichte zu tilgen.

Das beginnt mit der hierzulande fast unbekannten Kindheit von Gagarin in der Zeit der deutschen Besatzung im 2. Weltkrieg. Dabei verblüfft die Erkenntnis, dass Gagarin eigentlich durch das Raster der Headhunter für den ersten Kosmonauten auf Grund seiner Kindheitsbiographie hätte fallen müssen.

Auch gibt es neue präzisere Erkenntnisse zu seinem Raumflug und der Problematik Landung. Die Anwesenheit der vielen Armeeangehörigen Minuten nach der Landung, zu sehen auf vielen unzähligen Privatfotos. wird klarer. Wie bekannt verfehlte Gagarin den Landepunkt um ca. 300 Kilometer … und landete zufällig mitten im Standort einer Raketen-Division.

Autor (li.) und Kritiker (re.) mit der Neuerscheinung
(Bild: privat)
Autor (li.) und Kritiker (re.) mit der Neuerscheinung
(Bild: privat)

Des weiteren wird der bis heute nicht endgültig geklärte Unfalltod Gagarins intensiv beleuchtet. Zwar hat das Auftauchen eines neuen, bis dato der Öffentlichkeit unbekannter KGB-Untersuchungsbericht auch keinen Schlussstrich ziehen können. Doch das ist insofern interessant, da er weniger Rücksicht auf eventuelle Verantwortliche und Schuldige nehmen musste, da ja streng geheim. Und noch immer sind höchste Stellen daran interessiert, dass es zu keiner abschließenden Klärung kommt, wohl um die Verantwortlichen von damals zu schonen.

Kowalski versucht das Gewirr von Fehlinformation, Lüge, Verklärung, Propaganda und Publicitydebakel so weit wie möglich zu zerreißen. Dabei erfährt der Leser fast nebenbei, wo so manche Quelle für so manchen Fachartikel außerhalb der Sowjetunion waren.

Wie dem auch sei, das Werk ist informativ und spannend. Mit dem Wissensstand von heute, März 2015, hat Kowalski wirklich das finale Gagarin-Buch präsentiert. Und so bleibt am Schluss festzuhalten: Der erste Mensch im Weltraum war nicht der von der sowjetischen Propaganda auf einen Thron erhobene sozialistische Superstar. Er war ein einfacher, lebensfroher junger Mann mit Träumen und auch Fehlern. Das macht ihn aus heutiger Sicht so menschlich und liebenswürdig. Und dabei schmälert das in keinster Weise seine große Heldentat. Im Gegenteil.

Fazit: Das Buch ist für jeden Raumfahrtbegeisterten in Ost und West sehr empfehlenswert!

DER UNBEKANNTE GAGARIN
Erschienen im Machtwortverlag 2015
ISBN: 978-3-86761-137-4

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