Nachlese: Raumfahrttage Morgenröthe-Rautenkranz 2019

Was haben die Deutsche Raumfahrtausstellung in Morgenröthe-Rautenkranz und die Kunstschule Bauhaus gemeinsam?

19. Mai 2019 in Morgenröthe-Rautenkranz
(Bild: T. Weyrauch)
Mai 2019 in Morgenröthe-Rautenkranz
(Bild: T. Weyrauch)

Beide beschränken sich auf das Wesentliche. Doch während Bauhausgründer Walter Gropius diese Konzeptrichtung bereits vor 100 Jahren umsetzte, ist die Deutsche Raumfahrtausstellung jetzt an diesem Punkt angekommen. Und das ist sehr erfrischend.

Am Sonntag, dem 19. Mai 2019 gingen in Morgenröthe-Rautenkranz die Raumfahrttage 2019 zu Ende. Wer Stammgast bei dieser Veranstaltung ist, musste unweigerlich feststellen, dass alles etwas kleiner und kompakter daher kam. Kein gigantisches Zelt war neben dem Hauptgebäude aufgebaut. Kein Gedränge am Wurst- und Getränkestand. Kein Kampf um Sitzplätze.

Die Veranstaltung fand im Gebäude statt und war durch die Anzahl der Stühle beschränkt. Man hatte außerdem im Vorfeld nicht groß Werbung gemacht. Die Folge war eine übersichtliche Anzahl an Teilnehmern. Diese waren dann auch fast ausschließlich das Fachpublikum, das man sich für eine derartige Veranstaltung wünschen mag. Für die Teilnehmer auf und vor der Bühne erschien das als angenehm.

Ebenso kompakt wie das Publikum war die Referentenliste. Leider fehlte einer, obwohl die entsprechende Fahne draußen wehte. Astronaut Reid Wiseman (USA) musste seine Teilnahme kurzfristig absagen. Schade, hätte doch die wage Möglichkeit bestanden, dass Alexander Gerst kurz vorbei geschaut hätte, um seinen ehemaligen Flugkollegen zu begrüßen. Auch fehlte Sigmund Jähn zum Auftakt, dessen Anwesenheit seit Jahren vom Publikum wie selbstverständlich vorausgesetzt wird. Er sollte erst am Sonntag zur Veranstaltung stoßen.

Der Freitag Nachmittag verstrich mit der obligatorischen Anmeldung, der Begrüßung der Teilnehmer und einem Rückblick auf die Ehrungen zum 40. Flugjubiläum des ersten deutschen Raumfahrers. Ganz wichtig für die angereisten Teilnehmer war aber das Wiedersehen mit lieben Freunden der Raumfahrt. So saß man folgerichtig dann auch bis in die Nacht bei gutem Essen und Getränken. Es gab viel zu erzählen. Die eigentliche Hauptveranstaltung folgte am Samstag. Es sollte um den Mond gehen. Das Thema „50 Jahre Mondlandung“ ist eben in diesem Jahr allgegenwärtig…

Eugen Reichl berichtet über den Weg zur Mondlandung.
(Bild: T. Weyrauch)
Eugen Reichl berichtet über den Weg zur Mondlandung.
(Bild: T. Weyrauch)

Eugen Reichl
Spätestens seit seinem Vortrags-Auftritt zur Jahreshauptversammlung des Fördervereins „Deutsche Raumfahrtausstellung e.V.“ im Jahre 2016 ist Eugen Reichl ein gern gesehener Gast. Der Münchener hat viele Facetten: Er ist Mitarbeiter eines Raumfahrtkonzerns, Sachbuchautor, gefragter Vortragsredner, Moderator, Mitstreiter von orion.com (Wien), und vieles mehr. Die Aufzählung könnte man noch fortsetzen.

Reichl oblag die Ehre, am Samstag den Eröffnungsvortrag zur Hauptveranstaltung zu halten. „50 Jahre bemannte Mondlandung“ lautete das Thema. Ich selber kannte seinen Vortrag in der Grundkonzeption bereits von der YurisNight 2019 in Wien. Reichl hatte daran zwischenzeitlich noch „gefeilt“. Der Foliensatz war überarbeitet und alles irgendwie noch stimmiger. Reichl ließ die Geschichte der Mondlandung beginnend mit den 1940er Jahren Revue passieren. Dabei erzählte er von so manch einer historischen, hier zu Lande unbekannten Person, die Einfluss auf den geschichtlichen Ablauf genommen hat. Das war natürlich hochgradig interessant, hätte es ja auch anders kommen können. Was wäre gewesen, wenn Präsident Truman die Raketenentwicklung von Anfang an unterstützt hätte? Was wäre gewesen, wenn Koroljow nicht so früh und plötzlich gestorben wäre? Was wäre geschehen, wenn Apollo 8 gescheitert wäre? Das Spiel mit „Was wäre wenn?“ ist irrelevant für die Fakten. Wir wissen, wie die Geschichte verlaufen ist. Aber eine Überlegung ist es schon Wert, um zu verstehen, wie knapp das „Rennen zum Mond“ ausgegangen ist.

Reichl zog den Bogen dann über Apollo 11 hinaus bis zu den Ankündigungen neuer Mondprojekte in unseren heutigen Tagen. Es machte Spaß, ihm zuzuhören.

Oleg Kotow am Rednerpult
(Bild: T. Weyrauch)

Oleg Kotow
Man war es gewöhnt, dass bei Raumfahrttagen in der Deutschen Raumfahrtausstellung mindestens(!) 2+X Raumfahrer anwesend sind. Diesmal war zur Hauptveranstaltung am Samstag „nur“ einer angereist. Aber was für einer! Mit der erfolgreichen Einladung von Kosmonaut Oleg Walerjewitsch Kotow war den Organisatoren für mich ein kleines Wunder gelungen, wusste ich doch, dass er bei anderen Veranstaltungen schon mehrfach aus verschiedenen Gründen absagen musste.

Kotow hat an der Militärischen Medizinakademie Kirow studiert und promoviert. Er arbeitete darauf als Arzt im Sternenstädtchen und wurde in drei ISS-Raumflügen (Starts 2007, 2009, 2013) eingesetzt.

2016 verließ Kotow das Kosmonautenausbildungszentrum (ZPK) und arbeitet bei TsNIIMash, einem Forschungszentrum, das sich auch mit Flugtests befasst. 2018 wurde er stellvertretender Leiter des Institut für biomedizinische Probleme in Moskau. (Quelle: wikipedia ru)

Bei der traditionellen Überreichung eines Räuchermanns - v.l. Museumsleiterin Romy Mothes, Kosmonaut Oleg Kotow, Journalist und Autor Gerhard Kowalski, Karin Schädlich Vorsitzende Deutsche Raumfahrtausstellung Morgenröthe-Rautenkranz e.V.
(Bild: T. Weyrauch)
Bei der traditionellen Überreichung eines
Räuchermanns – v.l. Museumsleiterin
Romy Mothes, Kosmonaut Oleg Kotow,
Journalist und Autor Gerhard Kowalski,
Karin Schädlich Vorsitzende Deutsche
Raumfahrtausstellung
Morgenröthe-Rautenkranz e.V.
(Bild: T. Weyrauch)

Damit war es den Organisatoren gelungen, einen der Top-Spezialisten für Weltraum-Medizin, Langzeitflüge und Isolationstests auf die Bühne zu holen. Kotow verstand es, das Publikum trotz des etwas trockenen Fach-Stoffs zu fesseln. Dank an dieser Stelle sei Gerhard Kowalski gezollt, der wie immer perfekt und temperamentvoll dolmetschte. Fazit des Vortrages: Es gibt noch viel zu erforschen im raumfahrtmedizinischen Bereich. Eine Station um, bzw. auf dem Mond wird andere medizinische Probleme aufwerfen, als heute auf der ISS existieren. Von einem Flug zum Mars ganz zu schweigen. Es ist eben alles nicht ganz so einfach, wie man sich das in so mancher tollen Computeranimation erträumt.

Michaela Girgenrath
(Bild: T. Weyrauch)
Michaela Girgenrath
(Bild: T. Weyrauch)

Michaela Girgenrath
Der Vortrag von Frau Dr. Girgenrath vom DLR schloss thematisch fast nahtlos an den Themenbereich von Kotow an. Girgenrath berichtete über das Projekt SIRIUS-19. Das ist ein Isolationsexperiment, das einen viermonatigen Aufenthalt auf einer Mondstation simuliert. Es findet in der Isolationsstation des Instituts für biomedizinische Probleme in Moskau statt, dem Institut, an dem Kotow arbeitet.

Erinnerungen an das Mars-500-Experiment werden wach. Für mich war es doch sehr interessant und wichtig, wie viele internationale Institute und Forschungsstätten beteiligt sind. Hier zeigt sich wieder einmal: Raumfahrt verbindet über Grenzen hinweg.

Rico Belder
(Bild: T. Weyrauch)
Rico Belder
(Bild: T. Weyrauch)

Rico Belder
Rico Belder vom DLR sprach über die Mission „ROBEX“. Belder ist Mitarbeiter am Institut für Robotik und Mechatronik, Autonomie und Teleoperation beim DLR in Oberpfaffenhofen. Der Absolvent der TU-Dresden hat übrigens 2010 eine für mich sehr interessante Diplomarbeit vorgelegt unter dem Titel „Reaktive Kollisionsvermeidungsstrategien für Roboter in der direkten Mensch-Roboter Interaktion“. Dem Thema Robotik ist er treu geblieben. Weiterführend daraus ging es in seinem Vortrag über ROBEX um autonom arbeitende Robotersysteme für die Fernerkundung. ROBEX leitet sich ab von „Robotische Exploration unter Extrembedingungen“. Vielen Dank an Herrn Belder, der nach Ende der Veranstaltung auch für ein kleines Fachgespräch zur Verfügung stand.

Sigmund Jähn
Der Lokalmatador Sigmund Jähn hatte seinen Auftritt am Sonntag-Vormittag zur Referenten-Talk-Runde. Natürlich wurde er von allen Anwesenden mit Begeisterung begrüßt. Natürlich war man stolz und glücklich, dass er da war. Und natürlich saß er wie jedes Mal brav und diszipliniert am Ende der Veranstaltung am Podium und gab allen, die es wollten, geduldig Autogramme. Unter den begeisterten Autogrammjägern waren wieder viele bekannte Gesichter. Man kann offensichtlich von „unserem Sigmund“ nicht genug bekommen. Alle waren zufrieden und glücklich. Es war halt so, wie immer…

Aber wer ganz genau hinsah, bzw. hinsehen wollte, merkte irgendwie, dass es nicht ganz so war, wie früher. Jähn hatte am Vortage in München eine Veranstaltung bestritten und war dann nach Rautenkranz gefahren. Erschöpfung und Müdigkeit von den Strapazen der Reise sah man dem 82 jährigen durchaus an. Zwei Wochen später bin ich durch Zufall selber von München via Regensburg, Hof, Plauen, Chemnitz, Dresden mit dem Auto nach Berlin gefahren. Es war Stress pur, bestimmt auch für einen Beifahrer.

Man möge ehrlich der Tatsache ins Auge sehen, das Herr Dr. Sigmund Jähn, unser Sigmund, nicht mehr jeder Einladung folgen, nicht mehr jeden Autogrammwunsch erfüllen und auch nicht für jedes Selfi bereitstehen kann und wird. Als „Figur des öffentlichen Lebens“, so wie das im Amtsdeutsch heißt, steht man zwar zwangsläufig immer irgendwie im Rampenlicht. Aber wir alle sollten langfristig den Bogen nicht überspannen. Also sollten wir die Ansprüche etwas herunter setzten. Er möge uns noch sehr lange erhalten bleiben.

Die Podiumsdiskussion
Teils ausgesprochen lebendig gestaltete sich die Podiumsdiskussion am Sonntag. Erfrischend war, dass es auf der Bühne durchaus unterschiedliche Meinungen gab. Während Belder die Zukunft der Raumfahrt mittels Robotik propagierte, sah Kotow das nicht ganz so optimistisch. Der Mensch sei bei bestimmten Aufgaben eben noch nicht zu ersetzen. Das gelte auch für interplanetare Raumflüge. Jähn bemerkte sinngemäß, dass seine Hoffnungen auf baldige gemeinsame Flüge zu Mond und Mars angesichts der Schwierigkeiten, sich zusammen um die Lösung der Probleme der Erde zu kümmern, zwischenzeitlich gedämpft wurden. Eine Aussage, über die es nachzudenken lohnt. Die meisten Zuhörer im Saal klatschten spontan.

Rahmen und Organisation
Die Organisatoren hatten neben den traditionellen Ritualen, wie zum Beispiel das Aufstellen zum Gruppenfoto der Akteure, auch wieder zur abendlichen Zusammenkunft in der örtlichen Gastlichkeit Frischhütte eingeladen. Bei leckerem Essen und kühlen Getränken konnten sich die Teilnehmer über das Erlebte austauschen.

Die Gesamtorganisation war rund um gelungen. Die technische Umsetzung mit Multifunktionswand, Akustikanlage und allem anderen, war perfekt. Man merkt, dass man aus früheren Veranstaltungen viel Erfahrung schöpfen konnte.

Alles in allem war es eine tolle Veranstaltung. Den Organisatoren und Helfern sei an dieser Stelle Dank gesagt. Und dass viele den teilweise weiten Anreiseweg in die Vogtländischen Berge nicht gescheut haben, zeugt davon, dass die Raumfahrttage in Morgenröthe-Rautenkranz zu einer der wichtigsten Veranstaltungen für die Freunde der Raumfahrt in Deutschland zählen.

Video (mit freundlicher Genehmigung von Diana Fiedler):

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