Kann ein Sonnensturm Elektronik einfrieren?

Die Kombination aus dem Erreichen des Maximums an Sonnenaktivität und neuen, besonders kompakten elektronischen Komponenten an Bord von Satelliten macht eine Unterbrechung wichtiger Kommunikationsverbindungen, Störungen bei der Verfügbarkeit von Navigationssignalen und weiteren wesentlichen Satellitendiensten durchaus wahrscheinlich.

Quelle: EE Times, NASA. Vertont von Peter Rittinger.

Schätzung des Verlaufs der Sonnenaktivität nach Anzahl der Sonnenflecken von Mai 2012 
(Bild: NASA/David Hathaway)
Schätzung des Verlaufs der Sonnenaktivität nach Anzahl der Sonnenflecken von Mai 2012
(Bild: NASA/David Hathaway)

Das nächste zyklische Maximum an Sonnenaktivität erwarten Wissenschaftler für die Jahre 2013 und 2014. Der 2012 bisher stärkste Sonnensturm traf die Erde im Monat März. Sein Einfluss auf die Betriebsfähigkeit von Kommunikationsnetzen und Infrastruktur zur Stromversorgung war nach Angaben der US-amerikanischen Raumfahrtagentur NASA wegen des Winkels, in dem er die Erde erreichte, jedoch begrenzt.

Wenn die Sonne bald beginnt, wieder große Mengen energiereicher Protonen, Ionen, ultravioletter Strahlung und anderer energiereicher Partikel Richtung Erde zu schicken, könnten diese für eine Reihe von Satelliten neuerer Bauart zu einer Art Feuerprobe werden. Als besonders anfällig erweisen sich möglicherweise besonders kompakte elektronische Baugruppen, die für energiesparenden Betrieb mit geringen Versorgungsspannungen ausgelegt wurden. Für die in einer Reihe von Bauteilen verwendeten dielektrischen Materialien besteht die Gefahr von Beschädigungen, wenn sie von energiereichen Partikel von der Sonne getroffen wurden.

Partikel und Strahlung von der Sonne erreichen das Erdmagnetfeld – Illustration
(Bild: NASA)

Im Ergebnis führen Fehler in nicht ausreichend abgeschirmten elektronischen Gerätschaften an Bord von Satelliten beispielsweise zum Ausfall von Teilen des Weltraumsegments des US-amerikanischen Satelllitennavigationssystems GPS und sorgen für eine deutlich geringere Genauigkeit bei der Positionsbestimmung oder das vollständige Ausbleiben von Navigationssignalen.

Neben der unmittelbaren Beschädigung von elektronischen Baugruppen von Satelliten beeinträchtigen Sonnenstürme aktive, um die Erde kreisende Satelliten auf eine weitere Art und Weise: Sonnenstürme erhöhen den Widerstand der Restatmosphäre, dem Satelliten beim Flug um die Erde ausgesetzt sind. Aktive Satelliten müssen in entsprechenden Zeiträumen mehr Betriebsmittel aus bordeigenen Tanks zum Bahnerhalt einsetzen. Für die Reduzierung von Weltraumschrott ist ein erhöhter Restwiderstand allerdings etwas Positives: Der Schrott wird rascher abgebremst, seine Flughöhe reduziert sich schneller und ein zerstörerischer Wiedereintritt in dichtere Schichten der Erdatmosphäre kommt früher zustande.

Experten, die sich intensiv mit dem sogenannten Weltraumwetter, den Veränderungen des interplanetaren Mediums im erdnahen Bereich der Magnetosphäre beschäftigen, bereiten Messungen im All in Zonen mit energiereichen Partikeln vor und stellen sich auf die kommende Welle von Weltraumwetterphänomen, denen auch die Satelliten der neuesten Generation ausgesetzt sein werden, ein.

In einem Interview gab der Direktor des Weltraumwetterlabors der Universität Boulder im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado, Daniel Baker, zu bedenken, dass immer mehr Raumfahrzeuge statt spezieller strahlungsgehärteter, für die Anwendung im All angepasster Bauelemente solche für den allgemeinen Massenmarkt produzierte enthalten werden. Die veränderten Produktionsergebnisse der Elektronikindustrie führen laut Baker zu einer erhöhten Verwundbarkeit unserer Weltraumsysteme.

Mögliche Auswirkungen von Sonnenstürmen - Illustration 
(Bild: NASA)
Mögliche Auswirkungen von Sonnenstürmen – Illustration
(Bild: NASA)

Eine besondere Herausforderung ist es, das Innere von Bauteilen elektronischer Baugruppen, Koaxialkabeln und Abschirmungen an Bord von Satelliten, die mit dielektrischem, also schwach- oder nichtleitendem Material gefertigt wurden, gegen das sogenannte Deep Dielectric Charging (DDC), bei dem ein Elektronenfluss mit Elektronen hoher Energie für die Bildung gefährlicher Potentiale sorgt, zu schützen. Ist eine bestimmte Spannung erreicht, sind abrupte, Beschädigungen verursachende Entladungsvorgänge möglich. Von DDC bedroht sind insbesondere Satelliten in großen Flughöhen. Verschiedentlich wird vermutet, dass DDC für empfindliche Elektronik an Bord neuerer Satelliten zu einem schwerwiegenden Problem werden könnte.

In einem Satelliten einfach wesentlich mehr Material für Abschirmungen zu verwenden, mag auf den ersten Blick auf der Hand liegen, ist aber meistens nicht praktikabel, oft aus Gründen einer gewissen einzuhaltenden Obergrenze der Startmasse eines Raumfahrzeugs. Den Konstrukteuren von Satelliten rät Daniel Baker, sich beim Entwurf eines Raumfahrzeugs sehr früh mit Eigenschaften und Verhalten dielektrischer Materialien, deren Einsatz geplant ist, auseinanderzusetzen. Unbedingt erforderlich ist es außerdem, bei der Konstruktion zu berücksichtigen, wie sich dielektrisches Material in elektronischen Baugruppen im Laufe der Zeit beim Betrieb im Weltraum auflädt.

Intelligente Stromversorgungsnetze am Boden, bei dem die Erzeuger, Verteiler, Transporteure und Verbraucher elektrischer Energie sehr eng und abhängig miteinander vernetzt sind, hält Baker ebenfalls für besonders verwundbar durch Sonnenstürme. Netzausfälle im mittleren Westen und an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika zeigten erst jüngst wieder, dass das Ausbleiben der Versorgung mit elektrischer Energie schnell chaotische Zustände nach sich ziehen kann. Intelligente Stromversorgungsnetze vor Auswirkungen des Weltraumwetters zu schützen, betrachtet Baker als vorrangige Aufgabe.

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