Einer internationalen Forschungskooperation unter Beteiligung der Universität Bern ist erstmals anhand eines sogenannten Interferenz-Experiments der Beweis gelungen, dass sich Antimaterie-Teilchen nicht nur wie Teilchen, sondern auch wie Wellen verhalten können. Dieser Erfolg ebnet den Weg zu einem neuen Untersuchungsfeld in der Erforschung von Antimaterie. Eine Medienmitteilung der Universität Bern.
Quelle: Universität Bern.
Gemäss den Gesetzen der Quantenphysik weisen Materie-Teilchen nicht nur die Eigenschaften von Teilchen, sondern auch diejenigen von Wellen auf. Dieser Welle-Teilchen-Dualismus wurde bereits 1924 vom französischen Physiker Louis de Broglie postuliert. Die Existenz des Wellenverhaltens von Materie (Materiewellen) wurde seither erfolgreich in verschiedenen Experimenten mit Elektronen und Neutronen sowie auch mit komplexerer Materie bis hin zu grossen Molekülen nachgewiesen. Auch bei Antimaterie-Teilchen kann der Welle-Teilchen-Dualismus nachgewiesen werden – dies gelang bereits mit sogenannten Beugungsexperimenten. Nun schafften es Forschende der internationalen QUPLAS-Kollaboration jedoch erstmals, Antimateriewellen auch anhand von einzelnen Positronen (Antiteilchen des Elektrons) mit einem sogenannten Interferenz-Experiment nachzuweisen. Die Ergebnisse wurden im renommierten Journal Science Advances publiziert.
Ein Experiment, das bereits Einstein umtrieb
Zur QUPLAS-Kollaboration gehören Forschende der Universität Bern und des Politecnico di Milano. Um den Welle-Teilchen-Dualismus von einzelnen Positronen nachzuweisen, führten sie ein Experiment durch, das dem sogenannten Doppelspalt-Experiment ähnlich ist. Dieses hatten bereits berühmte Physiker wie Albert Einstein und Richard Feynman als Gedankenexperiment ins Spiel gebracht; es wird in der Quantenphysik oft verwendet, um das Wellenverhalten von Teilchen zu demonstrieren. Bei diesem Experiment werden Teilchen (in diesem Fall Positronen) von einer Quelle aus auf einen Detektor-Schirm geschossen. Dazwischen befindet sich eine Platte mit zwei oder mehreren Spalten, durch die die Teilchen hindurchfliegen können. Wenn sich die Teilchen wie Teilchen verhalten, zeigt sich auf dem Schirm ein Muster aus Streifen, das der Anzahl Spalten entspricht. Wenn sich die Teilchen jedoch wie Wellen verhalten, zeigt sich auf dem Schirm ein sogenanntes Interferenzmuster, bestehend aus mehreren Streifen (mehr Streifen als Spalten). Dies kommt daher, weil sich die von der Quelle ausgehenden Wellen gegenseitig überlagern.
Auftreffpunkt auf dem Mikrometer genau
Den QUPLAS-Forschenden gelang es nun erstmals in einem solchen Experiment, ein Interferenzmuster von Antimateriewellen nachzuweisen. Sie nutzen dazu einen innovatives sogenanntes Talbot-Lau-Interferometer mit einer Kernemulsionsplatte als ortsempfindlichen Detektor für die auftreffenden Teilchen. «Mit der Kernemulsion konnten wir den Auftreffpunkt der einzelnen Positronen sehr exakt bestimmen und so das Interferenzmuster auf den Mikrometer – also den millionstel eines Meters – genau rekonstruieren», erklärt Dr. Ciro Pistillo vom Laboratory for High Energy Physics (LHEP) und Albert Einstein Center for Fundamental Physics (AEC) der Universität Bern. Damit konnten die Forschenden zwei grosse Hindernisse von Antimaterieexperimenten überwinden: den geringen Antiteilchenfluss und die komplexe Manipulation der Antiteilchen-Strahlung.
Die Forschenden des LHEP und AEC spielten eine Schlüsselrolle für den Erfolg des Projekts: Akitaka Ariga, Antonio Ereditato, Ciro Pistillo und Paola Scampoli waren insbesondere für das Design, den Aufbau und den Betrieb des Emulsionsdetektors sowie für die Analyse der Auftreffpunkte der Positronen verantwortlich.
Neues Feld in der Antimaterieforschung
«Unsere Beobachtung der Ennergieabhängngigkeit des Interferenzmusters beweist eindeutig dessen quantenmechanischen Ursprung und somit das Wellenverhalten der Positronen », sagt Professorin Paola Scampoli. Der Erfolg des Experiments ebnet den Weg zu einem neuen Untersuchungsfeld auf der Grundlage von Antimaterie-Interferometrie. Ein Ziel dabei sind beispielweise Gravitationsmessungen mit exotischen Atomen wie Positronium, das aus einem Elektron und einem Antiteilchen (Positron) besteht. Damit könnte die Gültigkeit des sogenannten schwachen Äquivalenzprinzips für die Antimaterie überprüft werden. Dieses Prinzip ist die Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie und wurde noch nie mit Antimaterie geprüft. Künftige Forschungsfelder auf Basis der Antimaterie-Interferometrie könnten einst Aufschluss liefern über das Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie im Universum.
Originalpublikation:
S. Sala, A. Ariga, A. Ereditato, R. Ferragut, M. Giammarchi, M. Leone, C. Pistillo, P. Scampoli, First demonstration of antimatter wave interferometry. Sci. Adv. 5, eaav7610 (2019). DOI: 10.1126/sciadv.aav7610 Science Advances: First demonstration of antimatter wave interferometry