Die Mission geht nach Kasachstan

Der Mars Express-Projektleiter Dr. Rudolf Schmidt schildert seine Eindrücke über den Transport von Mars Express und Beagle 2 nach Baikonur.

Autor: Michael Stein

Die Container mit Mars Express und Beagle 2 kommen auf dem Rollfeld an.
(Foto: ESA)

Der Termin für den Transport des Raumfahrzeugs nach Baikonur kommt näher und näher. Und so viele Sachen müssen zur selben Zeit bereit sein. Wolga-Dnjepr, unser Spediteur, verlangt viel Papierkram bevor die beiden Antonow-Transportflugzeuge zu uns geschickt werden. Wir müssen den Mars Express-Orbiter fertig und in seinem speziellen Transportcontainer verpackt haben.
Das bedeutet alle Computer zu verpacken und die Support-Ausrüstung für den Transport in Übersee-Containern zu beschriften. Das sind viele Packlisten, Formulare und Pro-forma-Rechnungen! Es ist wahrscheinlich einfacher zum Mars zu fliegen als 100 Tonnen Ausrüstung in zwei Flugzeugen nach Baikonur zu bekommen!
19. März 2003, 05:00 Uhr, Paris
Der Mitarbeiter an der Hotel-Rezeption weckt mich. Trotz einer Marathon-Sitzung am Abend vorher in Amsterdam habe ich es geschafft, die letzte Maschine nach Paris zu bekommen. Keine Zeit für das Frühstück; ich nehme den Shuttle-Bus, checke am Flughafen-Terminal ein und komme gegen 09:00 Uhr in Toulouse an.

Der Mars Express-Container wird in den Frachtraum der Antonow gehoben.
(Foto: ESA)

Die Piloten haben gerade die Triebwerke ihrer Antonow-Transportflugzeuge ausgeschaltet. Ich stelle fest, dass der Geräuschpegel während des Fluges eindrucksvoll sein wird. Gegen 10:00 Uhr öffnet sich die Heckrampe und die Beladung beginnt. Die ersten Übersee-Container verschwinden langsam im gigantischen Bauch des Flugzeugs, getragen vom bordeigenen Kran der Antonow. Vier Stunden später verladen sie den siebten Container.
Nun kommt der kostbarste Teil der Fracht. Ein Schwerlast-LKW kommt mit den Mars Express– und Beagle 2-Containern herangefahren. Jeder steht um diese Container herum und macht Fotos. Die Filmteams versuchen das Beladen der Maschine so gut wie möglich einzufangen.
Es ist schon schwer genug, vom Rollfeld auf die Höhe des Frachtraums zu klettern, aber dann muss ich eine steile, wacklige und zerbrechlich aussehende Leiter hinaufklettern. Im Inneren sehe ich das Cockpit (sechs eng aneinander gepresste Sitze) und daneben ein kleines Abteil.
Champagner-Toast
Wie um alles in der Welt sollen die Besatzung, neun Kollegen und ich da hinein passen? Glücklicherweise stellt sich heraus, dass die Leiter nur für die Besatzung ist; wir werden im Heck der Maschine untergebracht. Um dorthin zu gelangen müssen wir eine fünf Meter lange, ebenso zerbrechlich wirkende Leiter hochklettern.

Das Antonow-Transportflugzeug vor dem Start in Toulouse.
(Foto: ESA)

Im Inneren der Transportmaschine sind unsere zehn Sitze, zwei Tische, ein Ofen um unser Essen aufzuwärmen sowie eine Toilette untergebracht. Wir müssen ein Formular mit Sicherheitsvorschriften unterschreiben in dem unter anderem steht, dass wir im Flugzeug keinen Alkohol trinken dürfen. Was machen wir mit den Champagnerflaschen, die wir für die Feier des Starts nach Baikonur mitgebracht haben? Ich überlasse das Ihrer Vorstellung…
In einem Flugzeug ohne Sichtkontakt mit der Außenwelt zu sitzen ist etwas beunruhigend, und wir sind angespannt. Nach einem problemlosen, aber lauten Fünf-Stunden-Flug landen wir in Uljanovsk, Russland. Die Zollkontrollen dauern sechs Stunden. Endlich heben wir nach Baikonur ab, wo wir am Nachmittag des 20. März nach fast 14 Stunden im Flugzeug landen.
Es ist wirklich großartig plötzlich den Rest des Teams wieder zu sehen. Es dauert etwas bevor unsere Besatzung die Heckklappe senkt. Zuerst sehe ich das Tageslicht wieder erscheinen und als die Rampe sich senkt taucht mehr und mehr der Landschaft im Blickfeld auf. Schließlich sehe ich russische Freunde am Boden stehen um uns zu begrüßen. Meine Kollegen winken aus der Entfernung und kommen auf das Flugzeug zu. Ich könnte schreien: Wir haben es geschafft! Die Raumsonde ist in Baikonur, wir alle sind hier, und wir sind bereit, um mit den Startvorbereitungen zu beginnen! Zwei Tage später kommen die übrigen 46 Tonnen Ausrüstung mit einer anderen Antonow an.
Die Operationen in Europa sind vorbei. Eine neue Phase in der Geschichte des Mars Express-Projekts hat begonnen.

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