Suborbitale Flüge in der Sowjetunion

Rückblende: Frühe bemannte suborbitale Flüge in der Sowjetunion. Neue Informationen und neue Fragen … (Achtung, Aprilscherz)

Ein Beitrag von Andreas Weise. Quelle: Foto/Recherche.

In wenigen Tagen jährt sich zum 58. Mal der historische Flug von Juri Gagarin. 1961 startete zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ein Raumschiff mit einem Menschen an Bord zu einem Flug in den Weltraum. Der Flug ging über einen kompletten Erdorbit. Diese Erstleistung wurde von der Sowjetunion vollbracht.
Die USA brachten ihren Mann erst einen Monat später ins All. Dabei absolvierte der Astronaut Alan B. Shepard einen ballistischen Flug mit einer Redstone-Rakete. Technologisch gleich ziehen mit der Sowjetunion konnten die USA erst ein Jahr später mit dem historischen Flug von John Glenn. Alle diese Unternehmen waren höchst risikoreich und es gebührt den damaligen Raumfahrern höchste Anerkennung für ihren Mut. Nicht bekannt ist, wie viele Opfer es bei der Erringung dieser Ziele im Vorfeld gegeben hat.

Speziell für den Zeitraum der Endfünfzigerjahre gibt es in der Sowjetischen Raumfahrt- und Raketenentwicklung noch so manches Geheimnis, das den Nährboden verschiedenste Verschwörungstheorien bereitet. So fällt in diese Zeit die Entwicklung und Erprobung des Überschall-Marschflugkörpers W-350 Burja, der mit einer Geschwindigkeit von Mach 3,5 eine Wegstrecke von bis zu 8.500 Kilometer überbrücken können sollte. Die Starts dazu fanden auf dem streng geheimen Raketentestgelände in Kapustin Yar statt. Viele weitere Raketenwaffensysteme wurden hier erprobt und getestet. Darunter auch das Waffensystem Rakete R-5, dem man als Gegenstück zur amerikanischen Redstone-Rakete ein besonderes Augenmerk schenken sollte.

Wikipedia / Stache
Redstone (li.) und R-5 (re.) im Vergleich – Illustration
(Bild: Wikipedia / Stache)

Denn die R-5 könnte auch für die bemannte Raumfahrt eine Rolle gespielt haben. Wie bekannt, sind die Gerüchte nie ganz verstummt, dass es vor dem historischen Flug von Juri Gagarin bemannte Versuche mit ballistischen, suborbitalen Raumflügen gegeben haben soll. Diese sollen im Zeitraum zwischen 1958 und 1959 stattgefunden haben. Vermutlich kam hier eine bemannte Version der R-5 zum Einsatz. Alle Flüge, insgesamt vier, sollen von Kapustin Yar gestartet worden sein. Alle Flüge sollen gescheitert sein. Das bedeutet: Alle 4 mutmaßlichen suborbitale Kosmonauten sind dabei ums Leben gekommen. In mancher verschwörungstheoretischen Literatur sind sogar die Namen der Verunglückten genannt.

Die Quellen dieser Informations-Gerüchte sind unterschiedlich. Sie reichen von Geheimarchiven des sowjetischen Geheimdienstes KGB, über Statements ehemaliger hochrangiger Parteifunktionäre der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei bis zu Äußerungen des berühmten Raketenwissenschaftlers und Raumfahrtpioniers Hermann Oberth. Sogar die bekannte russische Tageszeitung Prawda beschäftigte sich 2001 in einem größeren Artikel mit dieser Problematik. Handfestes Material zu dem Thema war bis dato aber nirgends zu finden.

Nur der Raumfahrtjournalist und Autor Peter Stache hatte in seinem Buch „Sowjetische Raketen“ Entwurfszeichnungen für mögliche ballistische bemannte Flüge, von keinem geringeren als S.P. Koroljow erdacht, beschrieben. Auch veröffentlichte er mögliche Kombinationen mit der Rakete R-5, hier W-5 bzw. W-5a.

Der bemannte ballistische „Raumflug“ mit den vorhandenen Höhenraketen in der Sowjetunion wäre möglich gewesen. Die Sowjetunion hat mit Höhenraketen Experimente mit Hunden durchgeführt. Das war schon frühzeitig in verschiedenen DDR-Publikationen nachzulesen. Aber auch im Westen erschien Literatur, die das beschrieb. Zum Beispiel „Rote Raketen – Keiner kennt Baikonur“ von 1972. Vom Hund zum Mensch wäre es nur noch ein kleiner technologischer Schritt gewesen. Warum sollte die Sowjetunion diesen Schritt nicht durchgeführt haben?

Wichtig ist zu beachten: Allen diesen mutmaßlichen Informationen ist eines gemeinsam. Es gibt nicht einen einzigen Beweis, nicht eine einzige nachprüfbare Zeugenaussage, nicht ein belegtes Schriftstück dazu… . Scheinbar bis jetzt.

Nun ist ein Foto aufgetaucht, das Bewegung in die Geschichtsforschung bringen könnte. Es zeigt auf einer stillgelegten Versuchsanlage die Reste eines Raketenkopfs einer R-5 für den bemannten Einsatz. Die Fallschirmsektion in der Spitze des Kegels fehlt, was auf einen erfolgten Einsatz hinweisen könnte. Sogar der mutmaßliche Aufnahmeort soll bekannt sein: 48°36’55.7″N, 46°17’57.9″O.

RN
altes Material in der Steppe – Raketenkopf im Hintergrund, rechts größer
(Bild: RN)

Das Bild, im Original in sehr schlechtem Zustand, soll aus Kreisen ehemaliger Militärs des Warschauer Vertrages stammen, die in Kapustin Yar in den 70er Jahren mit dem Raketensystem Scud trainiert haben. Ähnlich wie in Baikonur liegt nicht benötigtes Material einfach in der Steppe herum, wobei schnell Sinn und Zweck in Vergessenheit geraten können. Trotz Fotoverbot rutschte hier dieses Bild offenbar durch.

Nun gilt es zu analysieren, was wirklich zu sehen ist und in wie weit das Gezeigte mit den allgemeinen Gerüchten in Einklang zu bringen ist. Denn wenn an diesem Gerücht etwas dran wäre, dann würde das bedeuten, dass die Sowjetunion bereits dei Jahre vor den USA versucht hätte, bemannte suborbitale Flüge durchzuführen. Man darf gespannt sein.

Fortsetzung folgt.

Update:
April! April! Alles nur geträumt! Wobei, eigentlich stimmt (fast) alles, was in dem Beitrag steht. Bleibt nur anzumerken, dass Peter Stache in seinem Buch „Sowjetische Raketen“ im Kapitel „Stratonauten starten nicht“ genau das Gegenteil schreibt, als hier suggeriert. Nämlich, warum die Sowjetunion trotz der vorhandenen Technologie auf den bemannten suborbitalen Flug verzichtet hat.

Und das Bild? Es ist so Manches auf ehemaligen sowjetischen Flugplätzen abgestellt. Das hat aber fast immer nichts mit Raumfahrt zu tun, obwohl es so aussehen könnte. Und der angegebene Aufnahmeort ist geraten. Er zeigt einen Startort auf dem Testgelände in Kapustin Yar, wo (vielleicht) die R-5 gestartet sein könnte.

Nach oben scrollen