Das VLT entdeckt einen belebten Planeten – die Erde

Astronomen ist es gelungen, durch eine Beobachtung des Mondes mit dem Very Large Telescope der ESO einen belebten Planeten im Universum zu entdecken – unsere Erde. Leben auf unserem Heimatplaneten nachzuweisen, klingt zunächst vermutlich einmal trivial. Aber das kürzlich in der Fachzeitschrift Nature vorgestellte Verfahren könnte in Zukunft dazu beitragen, auch an anderen Orten im Universum die Existenz von Lebensformen nachzuweisen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, B. Tafreshi, TWAN
Das hier gezeigte Bild wurde am 27. Oktober 2011 aufgenommen und zeigt die untergehende schmale Mondsichel über dem Paranal-Observatorium der ESO in Chile. Neben der hellen Mondsichel ist auch die restliche Mondscheibe erkennbar. Dieses Phänomen ist auch als sogenannter Erdschein bekannt. Es entsteht, wenn von der Erde reflektiertes Sonnenlicht die Mondoberfläche beleuchtet. Neben dem Mond sind auf dem Bild auch die Planeten Merkur und Venus erkennbar.
(Bild: ESO, B. Tafreshi, TWAN)

Seit der Entdeckung des ersten Exoplaneten im Jahr 1995 konnten Astronomen bis zum heutigen Tag 760 Exoplaneten nachweisen. Der Wunsch eines jeden “Exoplanetenjägers” ist es vermutlich, bei seiner Suche eine “zweiten Erde” zu entdecken – also einen außerhalb unseres Sonnensystems gelegenen Planeten, welcher theoretisch über die Umweltbedingungen verfügt, um dort die Entstehung und Weiterentwicklung von außerirdischen Lebensformen zu ermöglichen.

Einige wenige der bisher entdeckten Planeten umkreisen ihre jeweiligen Zentralsterne im Bereich der dortigen habitablen Zonen. Da es sich dabei aber um Gasplaneten handelt, kann sich dort kein Leben entwickelt haben. Andere entdeckte Exoplaneten verfügen über eine feste Oberfläche und einen Durchmesser, welcher mit dem der Erde vergleichbar ist. Diese umkreisen ihre Sterne allerdings auf Umlaufbahnen, welche außerhalb der habitablen Zonen der jeweiligen Sterne liegen.

Aufgrund der in letzter Zeit erfolgten Neuentdeckungen – durch immer weiter verfeinerte Suchmethoden gelingt mittlerweile auch die Entdeckung von immer kleineren und somit erdähnlichen Exoplaneten – wird jedoch allgemein davon ausgegangen, dass durch die diversen astronomischen Suchprogramme schon bald die Entdeckung einer “zweiten Erde” gelingen wird.

Hierbei, so die Minimalanforderungen, müsste es sich um einen terrestrischen Planeten handeln, dessen Orbit innerhalb dieser habitablen Zone verläuft und der somit Bedingungen aufweist, welche das dauerhafte Vorhandensein von Wasser im flüssigen Aggregatzustand ermöglichen. Nur unter dieser Voraussetzung, so die gegenwärtig allgemein anerkannte Meinung, besteht die Möglichkeit, dass sich Leben bilden kann.

ESO, NASA, M. Kornmesser
Bei dieser sehr realistisch wirkenden Ansicht des Mondes handelt es sich um eine Simulation, welche auf genauen Karten der Reflexionsfähigkeit und des Höhenprofils der Mondoberfläche basiert. Die zugrunde liegenden Karten wurden vom Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) – einem aktuell aktiven Mondorbiter der NASA – angefertigt. Die helle Mondsichel wird direkt von der Sonne angestrahlt. Der Rest der Mondscheibe leuchtet dagegen schwach in dem von der Erde reflektierten Licht.
(Bild: ESO, NASA, M. Kornmesser)

Aber wie geht es dann weiter? Wie kann nachgewiesen oder ausgeschlossen werden, dass sich auf dem entdeckten Planeten im Laufe von Millionen und Milliarden von Jahren Leben entwickelt hat? Immerhin sind diese Planeten viele Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt und es ist somit ausgeschlossen, deren Oberflächen mit den irdischen Teleskopen direkt zu beobachten. Zwar war es den Astronomen bisher möglich, bei verschiedenen Exoplaneten deren Atmosphären zu analysieren und dabei auch einige der jeweiligen Bestandteile zu bestimmen und Rückschlüsse über die vorherrschenden Temperaturen und Luftströmungen zu ziehen. Solche Beobachtungen genügen aber nicht für eine Aussage über eventuell existierende Lebensformen auf einem Exoplaneten.

Für die praktische Beantwortung der Frage, welche Suchmethoden erfolgversprechend sind, haben sich Astrobiologen bisher notgedrungenerweise immer des einzigen Studienobjektes bedient, von dem bekannt ist, dass dort definitiv Leben existiert – der Erde. So wird zum Beispiel der von der Europäischen Weltraumorganisation ESA betriebene Venusorbiter Venus Express unter anderem etwas “zweckentfremdet” dazu eingesetzt, um durch eine Analyse der Erdatmosphäre eindeutige Anzeichen für Lebensformen auf unserem Heimatplaneten zu finden (Raumfahrer.net berichtete).

Aber die direkte Untersuchung der Erde durch die verschiedenen Instrumente interplanetare Raummissionen ist nicht der einzige von den Wissenschaftlern eingeschlagene Weg. So ist es jetzt einem Astronomenteam gelungen, die Existenz von Lebensformen auf der Erde durch eine Beobachtung des Erdmondes indirekt nachzuweisen.

“Wir haben einen Trick angewendet – die Beobachtung des aschfahlen Mondlichts – um die Erde so zu untersuchen, wie wir auch Exoplaneten untersuchen würden”, so Michael Sterzik von der Europäischen Südsternwarte ESO, der Erstautor einer Studie, welche am 1. März 2012 in der Fachzeitschrift “Nature” publiziert wurde. “Ein Teil des Sonnenlichts, mit dem die Erde beleuchtet wird, wird von dieser zurück in das Weltall reflektiert und trifft dabei auch auf den Mond. Die Mondoberfläche wirkt dabei wie ein gigantischer Spiegel, welcher das Licht wieder zurück zur Erde reflektiert. Diese schwache Lichtreflexion haben wir mit dem VLT [gemeint ist das Very Large Telescope der ESO in den chilenischen Anden] näher untersucht.”

NASA Science
Die Entstehung des Erdschein-Effektes: Das von der Sonne ausgehende Licht trifft auf die Erde und wird von dieser in Richtung Mond reflektiert. Der Mond wiederum reflektiert das so empfangene Erdlicht zurück in Richtung Erde.
(Bild: NASA Science)

Das von den Astronomen für ihre Studie analysierte “aschgraue” oder “aschfahle” Mondlicht, auch unter der Bezeichnung Erdschein bekannt, ist bereits mit dem bloßem Auge relativ einfach zu erkennen. Am besten lässt sich dieser Effekt beobachten, wenn der Mond etwa drei Tage vor oder nach Neumond als schmale Sichel am nächtlichen Himmel präsent ist. Neben der hellen Mondsichel ist dann auch die nicht direkt vom Sonnenlicht beleuchtete restliche Mondscheibe sichtbar. Dieser Effekt entsteht dadurch, dass diese zu diesem Zeitpunkt nicht direkt von der Sonne beschienenen Oberflächenbereiche des Mondes das Licht reflektieren, welches von der zeitgleich voll von der Sonne beschienenen Erde ausgeht und dabei unter anderem auch den Mond trifft.

Die Astronomen um Michael Sterzik suchten im Erdschein des Mondes nach eindeutigen Anzeichen für organisches Leben, wobei sie sich speziell auf den Nachweis von bestimmten in der Erdatmosphäre enthaltenen Gasen wie Sauerstoff, Ozon, Methan und Kohlendioxid konzentrierten. Diese Gase, welche allgemein mit den Vorhandensein von Lebensformen assoziiert werden, können zwar auch in der Atmosphäre eines komplett unbelebten Planeten auftreten, würden dann jedoch nur in verhältnismäßig geringen Mengen auftreten. Als Biosignatur gilt dagegen das gleichzeitige Auftreten dieser Gase mit relativen Häufigkeiten, welche nur durch die Anwesenheit von Leben erklärt werden können.

ESO, L. Calçada
Auf dem Umweg der Beobachtung des aschgrauen Mondlichts können Astronomen die Eigenschaften des von der Erde in den Weltraum reflektierten Lichts bestimmen und die Erde auf dieses Weise so untersuchen als ob es sich hierbei um einen Exoplanet handelt, auf dem es Spuren von Leben nachzuweisen gilt. Das von der Erde reflektierte Licht ist stark polarisiert. Die gleichzeitige Untersuchung der Intensität und Polarisation bei verschiedenen Wellenlängen erlaubt eine viel empfindlichere Suche nach Spuren des Lebens als bei den bisher angewandten Untersuchungsmethoden.
(Bild: ESO, L. Calçada)

Solche atmosphärischen Biosignaturen, welche auch als die “Fingerabdrücke des Lebens” bezeichnet werden, lassen sich mit den herkömmlichen Methoden nur sehr schwer nachweisen. Das Astronomenteam setzte daher erstmals ein neues und im Vergleich zu früheren Experimenten deutlich empfindlicheres Verfahren ein, bei dem nicht nur die Intensität des reflektierten Lichts in verschiedenen Wellenlängenbereichen, sondern auch dessen Polarisation genauer untersucht wird.

Bei polarisiertem Licht verfügen die elektrischen und magnetischen Felder, aus denen sich das Licht letztendlich zusammensetzt, über eine spezielle Orientierung. Bei unpolarisiertem Licht haben die Orientierungen der Felder dagegen keine spezielle Ausrichtung, sondern sind vielmehr zufällig verteilt. Eine solche Beobachtungsmethode wird auch als Spektropolarimetrie bezeichnet. Die Astronomen nutzten für ihre Beobachtungen einen speziellen Betriebsmodus des FORS2-Instruments am VLT, um die Polarisation des Lichts zu messen. Bei der Beobachtung des aschgrauen Mondlichts mit dem VLT waren auf diese Weise die in der Erdatmosphäre enthaltenen Biosignaturen deutlich nachweisbar.

Die Beobachtungsergebnisse der Astronomen zeigen, dass die Atmosphäre der Erde teilweise von Wolken durchzogen und die Oberfläche zudem teilweise mit Wasser bedeckt ist. Der entscheidende Hinweis für “Leben auf der Erde” war jedoch der Nachweis, dass auf unserem Heimatplaneten eine Vegetation existiert. Im Rahmen ihrer Untersuchungen gelang es den Wissenschaftlern sogar, Unterschiede im Wolken-Bedeckungsgrad und im Ausmaß der irdischen Vegetation nachzuweisen. Die detektierten Unterschiede hingen davon ab, von welchen Bereichen der Erdoberfläche das zuvor in Richtung Mond reflektierte Licht ausgesandt wurde.

Stefano Bagnulo vom Armagh-Observatorium in Nordirland, ein Koautor der Studie, erläutert die Vorteile der neuen Methode folgendermaßen: “Das Licht eines weit entfernen Exoplaneten wird vom Licht seines Zentralsterns stark überstrahlt. Es ist daher extrem kompliziert, dieses Licht zu analysieren. Das Problem ähnelt dem Versuch, ein Staubkorn direkt neben einer hell leuchtenden Glühbirne zu beobachten. Im Gegensatz zum direkten Licht eines Zentralgestirns ist das von einem Planeten reflektierte Licht allerdings polarisiert. Polarimetrische Beobachtungsverfahren können uns deshalb dabei helfen, das von einem Exoplaneten reflektierte Licht aus dem blendend hellen Sternenlicht herauszufiltern.”

“Unsere Chancen, Leben außerhalb unseres Sonnensystems zu entdecken, hängen letztendlich von zwei Faktoren ab. Erstens muss solches Leben überhaupt erst einmal existiert. Und zweitens müssen wir die technischen Fähigkeiten besitzen, solches Leben dann auch nachzuweisen”, so Enric Palle vom Instituto de Astrofisica de Canarias/ Teneriffa, ein weiterer Koautor. “Unsere Studie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur Entwicklung der dafür nötigen technischen Fähigkeiten.”

“Die Spektropolarimetrie könnte uns seines Tages verraten, ob einfaches, auf Photosynthese basierendes Leben auch noch irgendwo anders im Universum entstanden ist”, so Michael Sterzik weiter . “Nach kleinen grünen Männchen oder nach intelligentem Leben suchen wir dabei allerdings freilich nicht.”

Raumcon-Forum:

Nature:

Nach oben scrollen