Der offene Sternhaufen NGC 371

Eine neu veröffentlichte Aufnahme des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) zeigt eine rötlich leuchtende Wolke aus glühendem Wasserstoff in der Umgebung des Sternhaufens NGC 371. Hierbei handelt es sich um eine Geburtsstätte neuer Sterne in der Kleinen Magellanschen Wolke, einer der Nachbargalaxien unserer Milchstraße.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO. Vertont von Peter Rittinger.

ESO, Manu Mejias
Diese Aufnahme des VLT der ESO wurde mit dem FORS1-Instrument erstellt. Sie zeigt den offenen Sternhaufen NGC 371 und den ihn umgebenden Nebel aus ionisiertem Wasserstoff.
(Bild: ESO, Manu Mejias)

NGC 371 wurde am 1. August 1826 von dem schottischen Astronomen James Dunlop entdeckt. Dieser in einen Emissionsnebel eingebettete offene Sternhaufen befindet sich innerhalb der Kleinen Magellanschen Wolke im Sternbild Tukan. Diese irreguläre Zwerggalaxie, welche nur von der südlichen Hemisphäre aus beobachtet werden kann, ist lediglich rund 200.000 Lichtjahre von unserer Heimatgalaxie entfernt und stellt damit einen der nächstgelegenen Nachbarn unserer Milchstraße dar. Auf den ersten Blick erinnert die Umgebung von NGC 371 fast an einen Bluttropfen. Doch tatsächlich repräsentiert ein solcher farbiger Nebel aus ionisiertem Wasserstoff – die astronomische Fachbezeichnung lautet “HII-Region” – die Geburtsstätten neu entstehender Sterne.

Das Leuchten eines Emissionsnebels gilt als ein sicheres Anzeichen dafür, dass sich in dieser Region gerade eine Vielzahl von neuen Sternen bildet. Typischerweise entstammen die Sterne eines offenen Sternhaufens alle der gleichen HII-Region. Mit der Zeit wird im Rahmen der Sternentstehung der größte Teil des dort ursprünglich vorhandenen Wasserstoffgases verbraucht, bis schließlich nur noch eine diffuse Gasschicht in den Außenregionen des Sternhaufens übrig bleibt. Genau dieser Prozess ist bei der nebenstehenden Aufnahme des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) zu erkennen. Der offenen Sternhaufen NGC 371 präsentiert sich inmitten einer HII-Region. Der dort konzentrierte Wasserstoff ist bereits weitestgehend aufgebraucht. Seine Überreste konzentrieren sich in einer diffusen, schalenartigen Struktur, welche den Sternhaufen NGC 371 umgibt.

Die Kleine Magellansche Wolke beheimatet Sterne fast aller Altersklassen – von den noch sehr jungen und relativ kräftig leuchtenden Sternen innerhalb des Sternhaufens NGC 371 bis hin zu den “Sternleichen” in den Überresten von Supernova-Explosionen. Die leuchtkräftigen Sterne geben große Mengen an ultravioletter Strahlung ab. Diese UV-Strahlung regt das Gas in der Umgebung der Sterne über Entfernungen bis hin zu mehreren hundert Lichtjahren zu einem Leuchten an. Genau dieses farbenfrohe Leuchten verleiht dem hier gezeigten Bild seinen besonderen ästhetischen Reiz.

Offene Sternhaufen wie NGC 371 stellen allerdings keineswegs seltene astronomische Objekte dar. Auch in unserer Milchstraße befinden sich mehrere beeindruckende Exemplare. Der Sternhaufen NGC 371 stellt für die Astronomen jedoch ein besonders interessantes Objekt dar, da er eine große Zahl von veränderlichen Sternen beherbergt. Dabei handelt es sich um Sterne, deren Leuchtkraft sich aufgrund physikalischer Prozesse im Inneren der Sterne in regelmäßigen Intervallen verändert.

ESO, IAU, Sky&Telescope
Eine Auffindkarte für den offenen Sternhaufen NGC 371.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Ein spezieller Typ von veränderlichen Sternen, welcher von Astrophysikern als “langsam pulsierende B-Sterne” bezeichnet werden, kann mittels der Astroseismologie für die Untersuchung des inneren Aufbaus solcher Sterne herangezogen werden. Hierbei werden durch die Untersuchung und Analyse der Oberflächenschwingungen der Sterne Rückschlüsse auf deren inneren Aufbau gezogen. Die dabei angewandte Vorgehensweise ähnelt der Untersuchung des Erdinneren durch die Analyse der Ausbreitung von Erdbebenwellen.

Innerhalb von NGC 371 befinden sich mehrere Sterne dieses speziellen Veränderlichen-Typs. Auch andere dort präsente Arten von veränderlichen Sternen nehmen im Rahmen astronomischer Untersuchungen eine Schlüsselrolle ein. Sie ermöglichen zum Beispiel die Vermessung der Entfernungen unserer Heimatgalaxie zu anderen Galaxien und helfen so unter anderem bei der Bestimmung des Alters des Universums.

Die hier gezeigte Aufnahme wurde mit dem FORS1-Instrument des Very Large Telescope der ESO aufgenommen. Der “FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph” (auf Deutsch “Brennweitenreduzierer und niedrigauflösender Spektrograph”) ist das vielseitigste Instrument des Very Large Telescope. Diese Kombination aus einer astronomischen Kamera und einem Spektrografen wurde von den Universitätssternwarten in Heidelberg, Göttingen und München in Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt und gebaut. FORS1 war eines der ersten Instrumente, welches am Very Large Telescope installiert wurde.

Die mit dem Instrument gewonnenen Rohdaten von NGC 371 wurden von dem Amateurastronomen Manuel Mejias im Rahmen des “Hidden Treasures”-Wettbewerbs der ESO aus dem umfangreichen Datenarchiv der Europäischen Südsternwarte ausgewählt, der daraus das hier gezeigte Bild erstellte. Dieser Wettbewerb bot Amateurastronomen die Möglichkeit, die in dem Archiv der ESO enthaltenen und bis dahin noch nicht kalibrierten und nachbearbeiteten Rohbilder am heimischen Computer aufzubereiten. Mit seiner Version von NGC 371 belegte Manuel Mejias den sechsten Platz in dem Wettbewerb.

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