Exoplanet mit retrograder Umlaufbahn entdeckt

Am 11. August 2009 gab ein internationales Astronomenteam unter der Leitung von David R. Anderson von der Keele University die Entdeckung eines Exoplaneten bekannt. Neben dem ungewöhnlichen Verhältnis zwischen Größe und Masse des neuen Planeten ist besonders dessen retrograde Umlaufbahn um seinen Zentralstern von Interesse.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Planetary Society, Preprint arXiv:0908.1553.

NASA, Pat Rawlings
Künstlerische Darstellung einer protoplanetaren Scheibe.
(Bild: NASA, Pat Rawlings)

Sterne und Planeten bilden sich aus rotierenden Gas- und Staubscheiben, den sogenannten Akkretionsscheiben und protoplanetaren Scheiben. Nach ihrer Bildung behalten der Stern und die Planeten den ursprünglichen Drehimpuls dieser Scheiben bei. Dies hat zur Folge, dass alle Objekte eines neu geborenen Sonnensystems über die gleiche Rotationsrichtung verfügen, welche mit der Rotationsrichtung der früheren Scheibe identisch ist. Und auch die Bewegungsrichtung der Planeten beim Umlaufen des Zentralsterns ist mit dieser Rotationsbewegung identisch.

Im Rahmen des von mehreren britischen Universitäten betriebenen SuperWASP-Programmes zur Suche nach Exoplaneten entdeckte ein Forscherteam mittels der Transitmethode bei einem etwa 1.000 Lichtjahre entfernten Stern im Sternbild Skorpion einen weiteren Planeten. Da es sich dabei um die 17. Planetenentdeckung dieses Programms handelte, erhielt dieser die Bezeichnung WASP-17b. Die Entdeckung dieses Planeten war an sich keine Überraschung, da der Stern bereits seit einigen Jahren durch minimale regelmäßige Helligkeitsschwankungen auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Solche regelmäßigen Veränderungen in der Helligkeit eines Sterns können ein Anzeichen dafür sein, dass der Orbit eines den Stern umkreisenden Planeten auf der Sichtlinie zwischen Erde und Stern verläuft. Tritt der Exoplanet auf seiner Umlaufbahn genau zwischen die Erde und seinen Zentralstern, so blockt er einen Teil des von seinem Stern ausgesandten Lichts ab, was in periodischen Abständen zu einer zeitweisen Absenkung seiner Helligkeit führt. Das gleiche Prinzip ist uns aus unserem Sonnensystem von den regelmäßig stattfindenden Merkur- und Venustransits her bekannt.

ESA, C. Carreau
Künstlerische Darstellung des Transits eines Exoplaneten vor seinem Zentralgestirn.
(Bild: ESA, C. Carreau)

Im Laufe intensiver Untersuchungen wurden seit dem 4. Mai 2006 neben den Beobachtungen der Helligkeitskurven auch mehrere sehr präzise Vermessungen der Spektren des Sterns WASP-17 und seines planetaren Begleiters erstellt. Dabei stellte sich heraus, dass WASP-17 ein Stern der Spektralklasse F6 ist und, mit einer Fehlertoleranz von 100 Kelvin, über eine Oberflächentemperatur von 6.550 Kelvin (ca. 6.280 °C) verfügt. Seine Werte für die Masse und den Radius liegen in etwa um 20 beziehungsweise 38 Prozent über den Werten unserer Sonne.

Der Planet umläuft seinen Heimatstern alle 3,74 Tage auf einer stark exzentrischen Bahn in einer mittleren Entfernung von 0,05 Astronomischen Einheiten (nur etwa 7,5 Millionen Kilometer). Auffällig waren die Werte für die Masse und den Durchmesser. WASP-17b verfügt über lediglich knapp 49 Prozent der Jupitermasse, ist dabei jedoch beinahe doppelt so groß wie dieser. Coell Hellier, ebenfalls an der Keele University tätig, sagte dazu: “Der Planet besitzt lediglich die Dichte von Styropor. Dies ist kaum ein Siebzigstel der Dichte der Erde.”

Des Weiteren beobachteten die Forscher eine ungewöhnliche Verzerrung der Lichtspektren während der gemessenen Planetentransits. Hierfür wurde der sogenannte Rossiter-McLaughlin-Effekt und die dabei auftretenden Dopplereffekte zugrunde gelegt. Die Seite des Sterns, welche sich durch dessen Rotation auf die Erde zu bewegt, zeigt demzufolge eine Blauverschiebung, die andere Seite hingegen weist eine Verschiebung in den Rotbereich auf.

Würde WASP-17b seinen Stern auf der üblichen Bahn umlaufen, so sollte er zunächst die auf die Erde zu rotierenden, leicht bläulich erscheinende Bereiche des Sterns abdecken. Zum Ende des Transits hin würde er dagegen die weg rotierenden, leicht rötlich erscheinenden Bereiche verdecken. Im Falle von WASP-17b ist die beobachtete Reihenfolge jedoch genau umgekehrt. Der Planet bedeckt bei jedem Transit zuerst den Rotbereich und erst anschließend den Blaubereich. Dies führt zu der Interpretation, dass WASP-17b sein Zentralgestirn in einem gegenläufigen Orbit umrundet.

Der Grund für diese sogenannte retrograde Bewegung, so die an den Forschungen beteiligten Wissenschaftler, dürfte in der Vergangenheit des Planetensystems zu finden sein. Sehr wahrscheinlich kam es in der Entwicklungsphase des Sternsystems zu einem Beinahezusammenstoß mit einem weiteren, ebenfalls sehr massereichen Objekt. Durch die starken gravitativen Auswirkungen dieser Begegnung wurden die ursprünglichen Bahnelemente von WASP-17b verändert. Unter anderem kam es sehr wahrscheinlich zu einer Änderung der Inklination, der Bahnneigung. Die Umlaufbahn “kippte” dabei in einem so starken Maße um, dass der Planet seinen Stern schließlich entgegen der ursprünglichen Richtung umlief.

Dass der Planet dabei einen stark exzentrischen Orbit in unmittelbarer Nähe zu dem Zentralstern eingenommen hat, dürfte nach Ansicht der Wissenschaftler auch der Grund für die ungewöhnlich geringe Dichte sein. Während seiner Umläufe um WASP-17 ist der Planet extremen Gezeitenkräften ausgesetzt. Zusammen mit der retrograden Bahn führt dies zu einer Aufheizung des Planeten. Die daraus resultierende Ausdehnung führt zu einem Anwachsen des Planetenumfangs und schließlich zu der geringen Dichte. Mit lediglich einem Siebzigstel der Erddichte verfügt er unter den bisher entdeckten Exoplaneten über die geringste nachgewiesene Dichte. Aufgrund der dadurch bedingten geringen Gravitation sollte sich seine Atmosphäre in eine Höhe von über 1.100 Kilometern erstrecken. Diese, so Anderson, sollte sich daher besonders gut für transmissionsspektroskopische Untersuchungen eignen.

Raumcon:

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