ESA präsentiert Herschel-Ergebnisse

Die ESA und die an den Forschungsarbeiten mit dem Weltraumteleskop Herschel beteiligten Konsortien präsentieren erste wissenschaftliche Ergebnisse spektroskopischer Untersuchungen mit den Instrumenten SPIRE, HIFI und PAC.

Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: ESA, Raumfahrer.net, Wikipedia, astronomie-heute.de. Vertont von Peter Rittinger.

ESA
Weltraumteleskop Herschel mit Sonne und Erde im Hintergrund
(Bild: ESA)

Das Weltraumteleskop Herschel wurde am 14. Mai mit einer Ariane-5-Trägerrakete vom Raumfahrtgelände bei Kourou in französisch Guayana gestartet. Bis Mitte Juli war es unterwegs zu seinem Zielorbit, einer Umlaufbahn um den Lagrangepunkt 2, der etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt auf der sonnenabgewandten Seite unseres Heimatplaneten liegt. An diesem Punkt gleichen sich die Gravitationskräfte von Sonne und Erde mit der Fliehkraft der Bahn aus. Herschel umläuft diesen Lagrangepunkt in etwa 700.000 Kilometern Abstand. Weitgehend ungestört von Einflüssen der Erde und abgeschirmt von der Sonne können die Instrumente des Großteleskops hier die infrarote Strahlung, die von verschiedensten Himmelskörpern ausgesandt wird, genauer analysieren. Dazu verfügt Herschel über einen 3,5 Meter durchmessenden Hauptspiegel, zwei Kameras und drei Spektrometerkomplexe.

SPIRE steht für Spectral and Photometric Imageing Receiver und ist ein Fourier-Transformationsspektrometer, das Strahlung im Wellenlängenbereich von 194 bis 672 Mikrometern analysieren kann. Dies entspricht etwa dem Tausendfachen der Wellenlängen sichtbaren Lichts. Infrarote Strahlung hat den Vorteil, dass sie Gas- und Staubwolken durchdringt. Außerdem hinterlassen diese Wolken selbst charakteristische Spuren im Licht, so dass auch deren Zusammensetzung messbar wird. Ergänzt wird SPIRE durch PACS (Photodetector Array Camera and Spectrometer) und HIFI (Heterodyne Instrument for the Far Infrared) für Untersuchungen bei Wellenlängen im fernen Infrarotbereich von 57 bis 210 Mikrometern. Um Wärmestrahlung, die Temperaturen von nur wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt entspricht, messen zu können, müssen die Instrumente mittels suprafluidem Helium und weiterer Mechanismen stark gekühlt werden. Die Betriebstemperaturen der Messeinrichtungen liegen zwischen -273 und -271 Grad Celsius (0,3-2 Kelvin). Genaueres zu Instrumenten und deren Kühlung hat Karl Urban zu Beginn der Mission in seinem ausführlichen Artikel Herschel und Planck: Ein Blick hinter die Kulissen bei Raumfahrer.net geschrieben.

Gestern präsentierte die ESA nun eine ganze Reihe von Ergebnissen, die mit Hilfe der Spektrometer der Raumsonde Herschel gewonnen wurden. Sie betreffen alle Instrumente und verschiedene Klassen von Beobachtungsobjekten. So wurden massive Sterne, Kometen, Sternentstehungsgebiete und verschiedene Galaxientypen spektroskopisch untersucht. Die Daten wurden in der Kalibrierungs- und Erprobungsphase des Teleskops erfasst, stellen aber bereits jetzt dessen Leistungsfähigkeit unter Beweis. Die offizielle Messkampagne wird etwa 3 Jahre dauern, solange, bis der etwa 2.400 kg große Heliumvorrat erschöpft ist.

ESA & SPIRE-Konsortium
Spektrum von VY Canis Majoris
(Bild: ESA & SPIRE-Konsortium)

Mit dem Instrument SPIRE wurde der größte bekannte Stern, VY Canis Majoris, anvisiert. Dabei handelt es sich um einen roten Überriesen, der riesige Mengen Materie in seine Umgebung auswirft. Diese Materie wird von kosmischen Winden (Teilchenstrahlung) relativ einseitig weggedrückt. Dadurch erscheint der Stern als starke Lichtquelle am Rande einer riesigen kosmischen Gas- und Staubwolke. Das nun von der ESA vorgestellte Teilspektrum zeigt deutliche Linien, die durch Kohlentoffmonoxid und Wasserdampf hervorgerufen werden. Spektren leuchtender Körper enthalten bestimmte scharf begrenzte Wellenlängen, sogenannte Linien, die für die vorhandenen Stoffe typisch sind. Durchdringt das Licht kalte Wolken, so hinterlassen auch diese ihre charakteristischen Marker, durch die man viel über die Wolke erfährt. Insgesamt lässt sich eine ganze Reihe chemischer und physikalischer Daten aus den Spektren gewinnen. Dazu gehören die Zusammensetzung, prozentuale Anteile der Stoffe, Temperatur und Ionisation, aber auch die Größe von Staubpartikeln.

ESA & SPIRE-Konsortium
Die Galaxie Messier 82 und ein Ausschnitt ihres Spektrums im Infrarot-Bereich
(Bild: ESA & SPIRE-Konsortium)

Neben den oben erwähnten CO- und H2O-Linien konnten mehr als 200 weitere identifiziert werden. Außerdem wurden auch Linien gemessen, die bisher nicht zugeordnet werden konnten. Die Komplettanalyse eines Spektrums ist vergleichbar mit der Untersuchung von Fingerabdrücken und erfordert durchaus etwas detektivischen Spürsinn. Die Herschel-Spektren von VY Canis Majoris verbessern unsere Kenntnisse über Mechanismen beim Masseverlust massiver Sterne und die komplexe Chemie in deren Umfeld. Hier entstehen aus Wasserstoff sowie den im Stern durch Fusionsprozesse gebildeten Atomen wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff einfache und komplexe organische und anorganische Verbindungen sowie unterschiedliche Staubarten. Diese bilden gewaltige durch das All treibende Wolken, die den Grundstoff für neue Sterne, Planeten und kosmische Kleinkörper darstellen. VY Canis Majoris ist etwa 4.900 Lichtjahre von der Erde entfernt. Der Stern leuchtet 100.000-mal heller als die Sonne, hat die dreißig- bis vierzigfache Masse und den 2.600-fachen Durchmesser unseres Zentralgestirns. Er wirft gegenwärtig große Mengen Material aus und befindet sich, in astronomischen Maßstäben gerechnet, kurz vor dem Ende seiner Existenz. Dann wird er zu einer Supernova.

Ebenfalls mit SPIRE wurde die Balkenspiralgalaxie M 82 (Messier 82) erforscht. Sie befindet sich im Sternbild Ursa Major (Großer Bär), ist etwa 14 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, hat einen Durchmesser von 40.000 Lichtjahren und gehört zur M-81- Galaxiengruppe im Virgo-Superhaufen. Im Infrarotbereich ist die kleine Galaxie eine der hellsten überhaupt, was sie zu einem geeigneten Untersuchungsobjekt für die Erprobungsphase des Herschel-Teleskops macht. In M 82 gibt es große Sternentstehungsgebiete. Ebenso wie das Ende von Sternen ist deren Geburt besonders interessant für Astronomen. Im Spektralausschnitt von 200 bis etwa 700 Mikrometern lassen sich mühelos charakteristische Linien für Kohlenstoff, Kohlenstoffmonoxid und Stickstoff-Ionen identifizieren.

ESA & HIFI-Konsortium
Komet P186/Garradd
(Bild: ESA & HIFI-Konsortium)

Auch Kometen werden, sobald sie in Sonnennähe kommen und dabei einen Gas- und Staubschweif sowie eine Koma entwickeln, interessant für Infrarotbeobachtungen. Durch die Untersuchung verschiedener Kometen will man Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den kosmischen Vagabunden genauer feststellen. Eine gut ausgeprägte für Wasser typische Spektrallinie bei 557 GHz dürfte immer dabei sein. Kometen sind u. a. auch deshalb für Astronomen interessant, weil sie sich seit ihrer Entstehung beinahe immer in sehr kalten Bereichen des Sonnensystems aufgehalten haben. Dadurch sind kaum chemische Veränderungen möglich, sodass die Materie noch in ihrer Urform vorliegt. Der Komet Garradd wurde im Januar 2007 entdeckt. Sein sonnennächster Punkt liegt bei gut 600 Millionen Kilometern Abstand vom Zentralgestirn, seine Umlaufzeit bei etwa 10,6 Jahren.

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