Marssonde Fobos-Grunt im All / auf Erdbahn gefangen

Planmäßig um 21:16 Uhr MEZ hob die Trägerrakete Zenit-2SB mit der russischen Marssonde Fobos-Grunt und dem chinesischen Subsatelliten Yinghuo 1 in Baikonur ab. Jetzt befindet sich die Raumsonde im Parkorbit um die Erde.

Ein Beitrag von Stefan Heykes und Thomas Weyrauch. Quelle: IKI, Lawotschkin, Novosti Kosmonavtiki, phobos.cosmos.ru, RIAN, Roskosmos, Tsenki.

Nach mehr als einem Jahrzehnt Entwicklung und monatelangen Startvorbereitungen war es heute endlich soweit: Eine Trägerrakete vom Typ Zenit-2SB schickte Fobos-Grunt auf die Reise. Der Start der Zenit war insgesamt der fünfte in diesem Jahr, davon bereits der dritte mit einer russischen Nutzlast. Dies ist besonders hervorzuheben, da die Zenit als ukrainisches Modell eigentlich eine von der Regierung ungeliebte Trägerrakete ist und nur relativ selten eingesetzt wurde. Inzwischen scheint sie jedoch wieder ihren angestammten Platz zwischen der kleineren Sojus und der größeren Proton zu finden und in den kommenden Jahren auch zu behalten.

9 Minuten nach dem Start hatte die zweistufige Zenit-Rakete ihre Aufgabe erfüllt und wurde von der Nutzlast im ersten Parkorbit von 207 bis 347 km Höhe bei einer Bahnneigung von 51,4° abgetrennt. Diese wird von nun an autonom den Flug zum Mars antreten. Zuerst werden die Solarzellen von Fobos-Grunt ausgeklappt, so dass die Marschkonfiguration erreicht wird. Im Laufe der Nacht sind zwei Brennphasen der Raumsonde geplant. Beide werden über Südamerika stattfinden, dort werden auch viele Hobbyastronomen versuchen, Fobos-Grunt im Betrieb zu fotografieren oder Filmen.

Die erste Brennphase soll um 22:55 Uhr MEZ (zweieinhalb Stunden nach dem Erreichen des Parkorbits) durchgeführt werden, dies entspricht 1,7 Erdumrundungen. Jetzt wird bis 00:05 Uhr MEZ der gesamte Treibstoff des Zusatztanks SBB verfeuert, der dann kurz vor Afrika abgetrennt wird. Dadurch erreicht Fobos-Grunt eine Umlaufbahn von 250 bis 4.150 km Höhe. Eine weitere Erdumkreisung später, um 02:02 Uhr MEZ wird das Haupttriebwerk S5.92 zum zweiten Mal gezündet (bis 02:20 Uhr MEZ) und Fobos-Grunt auf Fluchtkurs bringen. Zum Abschied fliegt Fobos-Grunt eine Schleife über Mitteleuropa bis zur Krim, bevor sie in den Tiefen des Weltraums entschwindet.

Roskosmos via DLR
Fobos-Grunt mit Antriebseinheit (unten) in Marsnähe – Illustration
(Bild: Roskosmos via DLR)

Wenn dies gelingt, wäre Fobos-Grunt bereits die russische Raumsonde, die ihre Mission am besten erfüllt hat – ihr einziger nicht-sowjetischer Vorgänger Mars-96 strandete 1996 aufgrund eines Versagens der Trägerrakete bereits in der Erdumlaufbahn. Somit stellt Fobos-Grunt den absoluten Wiederbeginn der russischen Raumsondenprojekte dar. Die Sonde wurde fast komplett neu entwickelt und soll als Basis für eine ganze Reihe von geplanten Missionen herhalten. Besonders wichtig sind hier das Hauptantriebsmodul MDU. Es wurde von der Oberstufe Fregat abgeleitet, aber zum Einen nutzt es viele Systeme wie Steuerung, Lageregelung, Energieversorgung der Raumsonde mit und zum Anderen verfügt es über ein deutlich erweitertes System zur Thermalregulierung. Durch diese Maßnahmen wird die Einsatzzeit von 24 Stunden auf rund 1 Jahr ausgedehnt. Dadurch ist es möglich, dass das MDU auch die Einbremsung in den Marsorbit, bei anderen Missionen auch den Flug zu anderen Himmelskörpern (Mond, Venus, Mars) übernimmt.

Update:
Fobos-Grunt ist nach dem Start in ernste Schwierigkeiten geraten. Möglicherweise sind Probleme mit der MDU genannten Antriebseinheit der Marssonde oder mit der Software zu ihrer Steuerung, oder mit beidem, aufgetreten.

Nach Start und Aussetzen gelang es nicht, das Raumfahrzeug an der an sich erwarteten Position zu erfassen und Kontakt zu ihm herzustellen. Roskosmos, die russische Raumfahrtagentur, berichtete, dass es nach einer Nacht angespannter Suche gelang, die Sonde zu finden. Ihre Position ist ein deutliches Zeichen dafür, dass ihre Antriebseinheit keine der beiden im Erdorbit vorgesehenen Brennphasen durchgeführt hat.

Verschiedene Quellen melden, dass sich die Sonde in einem Parkorbit befindet. Rund zweieinhalb Stunden nach dem Start war eine erste Brennphase zur Umwandlung des Orbits in eine elliptische Bahn vorgesehen, und weitere 126 Minuten später hätte die Antriebseinheit die Sonde auf eine Bahn Richtung Mars schicken sollen.

Russische Spezialisten vermuten, dass es wegen einer nicht erfolgten korrekten Ausrichtung der Sonde nicht zu den beabsichtigten Brennphasen der MDU kam. Sonnen- und Sternensensoren sollten der Sonde bei ihrer Ausrichtung helfen, zuerst an der Sonne, dann an einem hellen Leitstern. Eine Orientierung an letzterem mit einem BOKZ-MF genannten Sensor erfolgte wahrscheinlich nicht, weshalb auch keine Triebwerkszündung initiiert wurde.

Sofern sich die Ursache dafür als durch ein Softwareupdate für die Rechenanlagen zur Steuerung der Sonde behebbar erweist, besteht eine gewisse Chance dafür, dass Fobos-Grunt schließlich doch noch Richtung Mars aufbrechen kann. Für die erforderlichen Softwarearbeiten, das Senden der Software an die Sonde und die Einrichtung der Software auf den Computersystemen des Raumfahrzeugs hat man drei Tag Zeit, glaubt man nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti bei Roskosmos.

Wenn es nicht möglich ist, Fobos-Grunt auf eine Bahn in Richtung Mars zu schicken, werden die Speicherbatterien an Bord der Sonde irgendwann erschöpft sein. Auf einer Bahn um die Erde ist es offensichtlich nicht möglich, die auf elektrische Energie angewiesenen Sondensysteme längere Zeit zu versorgen. Die Anlagen zur Energieerzeugung wurden auf einen Betrieb auf einer interplanetaren Bahn und während der Mission am roten Planeten ausgelegt, nicht für einen Einsatz auf einer niedrigen Erdumlaufbahn.

Update Nr. 2:
Roskosmos berichtete zwischenzeitlich, dass man mittlerweile davon überzeugt ist, für erforderliche Fehlerbereinigungen rund zwei Wochen Zeit zu haben. Die Energieversorgungslage soll sich nach Angaben von Beobachtern des russischen Raumfahrtprogramms entspannt haben, da beide Solarzellenausleger von Fobus-Grunt entfaltet seien und arbeiten würden, und die Lageregelung der Sonde funktioniere. RIA Nowosti meldete, nach Angaben eines russischen Ballistik-Experten werde sich die Sonde rund vier Wochen auf ihrem niedrigen Erdorbit halten können, bevor ihr der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre und damit ihre Zerstörung droht.

Update Nr. 3 10. November 2011:
Laut Informationen aus gewöhnlich gut informierten Kreisen in Russland sprechen Telemetriedaten, die von der zweiten Stufe der Trägerrakete empfangen wurden, für eine planmäßige und störungsfreie Abtrennung der Sonde nach dem Start. Von der Sonde sollen während ihres ersten Erdumlaufs Telemetriedaten gekommen sein, die ein erfolgreiches Entfalten der Solarzellenausleger und eine zuverlässige Orientierung der Sonde an der Sonne bestätigen. Nach dem zweiten Umlauf habe die Sonde geschwiegen, und sich auf einer nicht veränderten Bahn befunden. Danach gelang es angeblich nicht mehr, irgendwelche Telemetriedaten von der Sonde zu empfangen. In der vergangenen Nacht habe man versucht, die Rechneranlage an Bord von Fobus-Grunt neu zu starten, was aber nicht gelang. Ein neuer Versuch soll heute Nacht erfolgen.

Fobos-Grunt ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 37.872 bzw. als COSPAR-Objekt 2011-065A.

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