29. Tage der Raumfahrt Neubrandenburg

Bei den 29. Neubrandenburger Raumfahrttagen fing das Vortragsprogramm, anders als in den Jahren davor, schon am Freitag Nachmittag an.

Ein Beitrag von Kirsten Müller.

Im Rahmen des 1. Forum Space3000 setzte man sich mit dem Thema: Phänomene-Mysterien-Visionen auseinander. Es wurde über wissenschaftliche UFO-Forschung, über Konzepte zur interstellaren Raumfahrt, über ausserirdisches Leben und über verschwundene Jahrhunderte berichtet.

Später am Freitag Nachmittag fand die traditionelle Autogrammstunde mit den geladenen Raumfahrern statt, dem in den Niederlanden geborenen und später in die USA ausgewanderten NASA-Nutzlastspezialisten Lodewijk van den Berg (STS-51B) und dem ersten und bisher einzigen Vietnamesen im Weltraum, Interkosmos-Kosmonauten Pham Tuan (Interkosmos -3; Sojus-36 / Sojus 37). Dass sich Pham Tuan bei seinen in Deutschland lebenden Landsleuten großer Beliebtheit erfreut, war nach dem anschließenden Essen im chinesischen Restaurant zu merken. Völlig ohne Vorankündigung kamen auf einmal viele Vietnamesen an, ließen sich mit ihrem berühmten Landsmann fotografieren und boten im Restaurant folkloristische Vorstellungen dar. Der vietnamesische Kosmonaut war sichtlich davon angetan.

Am Samstag gab es wieder die Hauptveranstaltung mit Vorträgen. Dr. Martin Sippel vom DLR in Bremen berichtete über Geschichte und Zukunft der europäischen Trägerrakete Ariane. Mehrere Varianten der Ariane 5 wurden vorgestellt, und die Zukunftsoption Ariane 6, der aber kein großes Zukunftspotential vorhergesagt wird. Als Alternative denkt man über den Einsatz wiederverwendbarer Flüssigkeitsbooster bei der Ariane 5 nach. Ein ähnliches System ist aber auch schon in den USA entwickelt worden: bei der Falcon 9-Rakete verläuft die erste Phase nach dem Start klassisch, und in der zweiten Flugphase wird die erste Stufe nach dem Abwurf ein weiteres Mal gezündet, fliegt dann frei und kann sanft landen, geborgen und wiederverwendet werden.

Der russische Raumfahrtjournalist Igor Afanasjew erzählte danach über die russische Politik in der Raumfahrt. Seinen Vortrag begann er mit einem Zitat von Vladimir Putin, der die Entwicklung der russischen Raumfahrt weiterhin als eine der Prioritäten der russischen Politik sieht, da Russland seinen Status als eine der führenden Raumfahrtnationen behalten solle. Nach Möglichkeit solle Russland dabei unter anderem unabhängig sein, von seinem eigenen Territorium Zugang zum Weltraum haben, aber auch internationalen Verpflichtungen nachkommen können. Unter anderem wurden Plesetsk und die Aufbaupläne für den Startkomplex Wostotschny erwähnt, wo der erste Start für das Jahr 2020 geplant ist. Vergleicht man die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit russischer und vergleichbarer amerikanischer Systeme, so kann man zu dem Schluss kommen, dass die russischen Systeme preiswerter sind. Übersetzt wurde der russisch gesprochene Vortrag von Eberhard Rödel, der aus Zeitgründen irgendwann den Vortrag selbst auf deutsch fortsetzte.

Kosmonaut Pham Tuan beim Vortrag. (Bild: Kirsten Müller)

Interkosmos-Raumfahrer Pham Tuan war nicht nur der erste Asiat im Weltraum, sondern verdankt seine Möglichkeit, in den Weltraum zu fliegen, auch der Tatsache, dass er als erster Vietnamese im Vietnamkrieg ein amerikanisches Kampfflugzeug abgeschossen hat. Er erzählte auch von seinem Raumflug selbst. Von der damaligen DDR habe er Bilder machen können; über Vietnam gab es jedoch, als er im All war, einen Sturm, so dass er sein eigenes Heimatland nicht fotografieren könne.

Die Zukunft der vietnamesischen Raumfahrt sieht er nicht speziell in den Händen einer bestimmten Nation wie Russland, den USA oder China. Vietnam selbst verfüge nicht über die Technologie, eigene Raumfahrt zu entwickeln; für eine eventuelle Zusammenarbeit würde es ein Land aus wählen, zu dem es gute Beziehungen habe. Für einen zweiten vietnamesischen Kosmonauten halte er die Zeit nicht für gekommen, da er nicht wisse, wozu der ins All fliegen solle. Wenn die Wissenschaftler jemanden für ihre Experimente bräuchten, dann würden sie jemanden auswählen.

Nach der Pause war der Wissenschaftler und US-Nutzlastspezalist Lodewijk van den Berg am Wort. Der studierte Chemiker hatte 1985 an der Spacelab-Mission STS-51B teilgenommen. Im Weltraum sei man, so sagte er, nicht zum Spass, sondern zum Arbeiten. Und das bei Schwerelosigkeit – vielen Leuten sei gar nicht bewusst, was das eigentlich bedeutet. Die Beine hängen nutzlos am Körper, und man bewegt sich mit den Armen fort vom einen zum anderen Punkt.

Lodewijk van den Berg mit Dolmetscherin Claudia Heiduk. (Bild: Kirsten Müller)

Bei seinem Spacelab-Flug habe er 18 Experimente an Bord gehabt. Manche Experimente seien heute bei der ISS genauso wie zu seiner Zeit beim Shuttle, bloß sei im Shuttle der Arbeitsraum kleiner gewesen. Da man seine Experimente schnell vergisst, sei der Ablaufplan der Mission Minute für Minute schriftlich festgelegt. Anders als heute in der ISS, hatte man 1985 im Shuttle nur in Zeitfenstern von 20 Minuten Kontakt zur Bodenstation.

Vom IAF-Kongress in China und von der Zusammenarbeit Chinas mit dem Westen berichtete die Neubrandenburger Raumfahrtjournalistin Jacqueline Myrrhe. Sie gehört zu einem vierköpfigen Team von Leuten mit drei Muttersprachen, die gemeinsam den Newsletter „Go Taikopnauts !“ herausbringen. Momentan geht in China der Trend forciert in Richtung internationaler Zusammenarbeit und Austausch. Die chinesische Raumstation wird „Tiangong“ heißen, hierbei seien auch internationale Module willkommen. 2013 war ein gutes Jahr für die chinesische Raumfahrt – unter anderem hat sich eine asiatische Allianz zur Zusammenarbeit in der Raumfahrt gebildet: APSCO (Asian Pacific Space Cooperation Organisation), die auch den Beitritt nichtasiatischer Länder begrüßt. Näheres kann man der neuesten Ausgabe von „Go Taikonauts !“ entnehmen.

Den Vorträgen folgte wieder eine Podiumsdiskussion mit allen Vortragenden, und den den Tag ließ man, wie üblich, beim abendlichen Bankett im Radisson Blu Hotel ausklingen.

Am Sonntagvormittag wurden dann noch im Tagungsraum des Hotels einige Vorträge gehalten. So erklärte Ulrich Köhler vom DLR-Institut für Planetenforschung den Unterschied zwischen Asteroiden, Kometen, Boliden und Meteoren und erzählte, wieso kleinere Himmelskörper die Raumfahrtziele der Stunde sind.

Auf die politische Geschichte einer Jugendarbeitsgruppe zur Raumfahrt in der DDR ging anschließend Dr. Reinhold Buthmann ein. Interessant zu erwähnen ist dabei, dass es sowohl vor als auch nach der Wende eigentlich in den östlichen Bundesländer mehr Jugendarbeit in der Raumfahrt gab und gibt als im Westen.

Spannendes wussten die Jugendlichen Nana Reinhardt und Adrian Melinat vom Spaceclub Berlin sowie Dr. Sylvia Reinhardt über die heutige Jugendarbeit im Orbitall in Berlin zu berichten. DerSpaceclub Berlin ist im Februar 2013 gegründet worden und hat mittlerweile 50 Mitglieder. Im Orbitall gibt es eine Ausstellung zum Mitmachen, in der man unter anderem mit einem Drehstuhl und einer Taumelscheibe das Astronautentraining absolvieren kann, mit einem nachgebauten Kontrollzentrum einen Raumflug simulieren kann und die Möglichkeit hat, im nachgebauten Columbus-Raumlabor Experimente durchzuführen, zum Beispiel Vakuumtests mit Schaumküssen. Auch finden in diesem Zentrum regelmäßig Clubtreffen, Vorträge zu Raumfahrtthemen und ab und zu Auftritte von Astronauten statt.

Als mögliches Konzept für suborbitale Raumflüge stellte Frau Olga Trivailo, Doktorandin am Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen, das SpaceLiner-Konzept vor. Dieses soll längerfristig die Möglichkeit geben, suborbital mit 50 Passagieren innerhalb von 90 Minuten von Australien nach Europa zu fliegen. Diese Strecke hat man sich auch deshalb als Referenzstrecke für die Studien ausgesucht, weil dies gegen die Erdrotation geht und die anspruchsvollste der möglichen Missionen ist. Der SpaceLiner soll in horizontaler Lage den Passagieren die Möglichkeit zum Einsteigen geben, dann vertikal starten wie ein Space Shuttle, einen suborbitalen Gleitflug machen und dann auch wieder landen wie der Shuttle, ohne Möglichkeit zum Durchstarten. Von einem gut erreichbaren Ort auf einer Halbinsel oder Insel soll der SpaceLiner über das Meer hinweg starten und maximal 75 bis 80 km hoch fliegen. Jeweils soll es pro Kontinent einen Startort geben, und bei Flugdistanzen von mehr als 9000 km spart man genug Reisezeit. Den Markt dafür sieht man vergleichbar mit dem Weltraumtourismus, später vielleicht bei Stars und VIPs, Premium-Vielfliegern, Erlebnis-Touristen und Firmen, die es besonders eilig haben.

Recht im Weltraum war schließlich Thema des letzten Vortrages, von Alexander Soucek, Mitarbeiter der ESA in Paris. Weltraumrecht ist wichtig wegen seiner Komplexität, der Technologie und der Gefahren. Es ist von internationaler Relevanz: der Weltraum umgibt die Erde und ist von allen Staaten erreichbar. Deshalb betrifft Raumfahrt (direkt oder indirekt ) alle Staaten, und ist somit Teil des Völkerrechts. Interessant ist zu erwähnen, dass man 8 Jahre zum Erstellen des Weltraumrechtes gebraucht hat und dies ein Heft von fünf Seiten geworden ist, während die UNO- Seerechtskonvention 194 Seiten hat, zu deren Erstellung man 400 Jahre brauchte.

Insgesamt war es wieder eine abwechslungsreiche und gelungene Veranstaltung, man hat viele Bekannte wieder getroffen und Kontakte erneuern können. Man sieht sich wieder im nächsten Jahr!

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