Was lange währt, wird endlich gut: Die neue Mondrakete der NASA, das Space Launch System ist heute erstmals von Startrampe LC-39B des Kennedy Space Center in Florida gestartet. Neben der Orion-Crewkapsel für zukünftige Mondmissionen wurde auch ein von der europäischen Raumfahrtagentur ESA bereitgestelltes Servicemodul ins All gebracht.
Ein Beitrag von Patrick Schemel. Quellen: NASA, ESA & CNBC.
Es ist der erste Start einer Crewkapsel zum Mond seit 1972 und ein entscheidender Meilenstein für das Artemis-Programm, in dessen Rahmen nach einem weiteren Testflug (dann mit Besatzung an Bord) mit Artemis 3 erstmals wieder Menschen auf dem Mond landen sollen. Das Ziel von Artemis 1 ist der Test der hierfür entwickelten Schwerlastrakete sowie der Orion-Kapsel. Letztere absolvierte zwar schon 2014 mit einer Delta IV Heavy in einem Erdorbit einen Testflug, damals allerdings noch ohne Servicemodul und Lebenserhaltungssysteme.
Der Weg zu diesem erfolgreichen Start war allerdings steinig. Ein Qualifikationstest der Zentralstufe, bei der die vier Haupttriebwerke über die volle Missionsdauer feuern, musste in einem ersten Versuch abgebrochen und später wiederholt werden. Auch eine erste Startkampagne resultierte in zwei Abbrüchen in letzter Minute. Ein erster Startversuch am 29. August wurde zunächst durch Gewitter verzögert, bei T -40 Minuten kam es dann zu einem weiteren ungeplanten Stopp des Countdowns. Bei einem der vier Triebwerke der Zentralstufe meldete das System, das flüssigen Wasserstoff in das Triebwerk pumpt, um dieses für den Start herunterzukühlen, Probleme. Da sich dies nicht beheben ließ, wurde der Countdown abgebrochen. Später stellte sich heraus, dass die Ursache ein defekter Sensor war, der falsche Daten lieferte. Die NASA setzte daraufhin einen zweiten Versuch für den 3. September an. Wenige Stunden vor dem Start entdeckte man jedoch am Wasserstoff-Betankungsschlauch der Rakete ein Leck, was zum Abbruch führte. Einen weiteren Startversuch gegen Ende September verhinderte dann der herannahende Hurrikan Ian und es wurde beschlossen, das SLS zurück ins Vehicle Assembly Building zu bringen.
Anfang November rollte die NASA dann ihre Mondrakete zurück zur Startrampe für einen Start am 14. November. Dies wurde jedoch durch Hurrikan Nicole verhindert, der über Florida hinwegfegte und auch am Cape Canaveral für hohe Windgeschwindigkeiten sorgte. Auch Artemis blieb nicht ungeschoren, unter anderem löste sich etwas Dichtmasse von der Verkleidung der Orion-Kapsel.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NASA konnten alle weiteren Schäden an der Rakete sowie dem Startturm reparieren und als neuer Termin wurde der 16. November festgelegt.
Schlussendlich hob das Space Launch System unter dem enormen Schub seiner zwei Feststoff-Booster und der Zentralstufe mit vier RS-25-Triebwerken dann tatsächlich am 16. November um 07:47 Uhr MEZ ab. Bereits nach einer Brenndauer von rund 126 Sekunden wurden die zwei seitlichen Booster abgetrennt. Etwas mehr als acht Minuten nach dem Start hatte dann auch die riesige Zentralstufe ihren Dienst getan und vom verbleibenden Rest der Rakete abgetrennt. Orion entfaltete nun seine Solarzellen, während sie sich samt der ICPS (Interim Cryogenic Propulsion Stage) genannten Oberstufe Richtung Perigäum (der Erdnächste Punkt einer Umlaufbahn) der Umlaufbahn bewegte. Zwei Zündungen dieser Stufe von 22 Sekunden respektive 18 Minuten Dauer brachten die Kapsel auf eine Bahn Richtung Erdmond. Hiernach wurde die Oberstufe abgetrennt und das kleine Triebwerk des von Airbus in Bremen gebauten Europäischen Servicemoduls (kurz ESM) übernahm die nun folgende Reihe von Kurskorrekturen sowie den Einschuss in eine Mondumlaufbahn. Im Gegensatz zu den Apollo-Missionen wird man allerdings keinen niedrigen Mondorbit nutzen, sondern einen entfernten rückläufigen Orbit. Der mondfernste Punkt wird dabei einen Abstand von 70.000 Kilometern zum Erdtrabanten aufweisen, wohingegen der mondnächste Punkt nur 100 Kilometer über der Oberfläche sein wird. Artemis 1 wird einige Tage in dieser Umlaufbahn verbringen, bevor voraussichtlich 16 Tage nach dem Start dann eine weitere Zündung des Servicemoduls stattfinden wird, mit der das Orion-Raumschiff seinen Orbit verlässt und Kurs zurück Richtung Erde nimmt. Nach einigen nachfolgenden Kurskorrekturen wird dann auch das ESM seinen Dienst getan haben und vor dem Wiedereintritt der Kapsel abgetrennt. Für diese beginnt damit die echte Härteprüfung, wenn sie mit einer Geschwindigkeit von circa 11 Kilometern pro Sekunde (rund 40.000 km/h) auf die Erdatmosphäre trifft und von dieser abgebremst wird. Nach dem Wiedereintritt ist für den 11. Dezember (in Deutschland durch die Zeitverschiebung 12. Dezember) die Wasserung im pazifischen Ozean vor Kalifornien geplant, wo ein Schiff der US-amerikanischen Marine die Kapsel aus dem Wasser bergen soll.
Neben dem Raumschiff selbst sind noch 10 Cubesats an Bord, welche im Orion-Stufenadapter untergebracht sind.
Lunar IceCube, ein von der Morehead State University in Zusammenarbeit mit dem Goddard Space Flight Center der NASA und dem Unternehmen Busek entwickelter Satellit, soll Wasser und andere Ressourcen auf dem Mond finden.
Eine Karte des auf dem Mond verfügbaren Wasserstoffs soll hingegen der Lunar Polar Hydrogen Mapper (LunaH-Map) der Arizona State University anlegen.
Der von Lockheed Martin für die NASA entwickelte LunIR soll, wie der Name schon vermuten lässt, bei einem Vorbeiflug am Mond Infrarotbilder machen.
Outstanding Moon exploration Technologies demonstrated by Nano Semi-Hard Impactor (OMOTENASHI) wurde von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA entwickelt und soll einen ein Kilogramm schweren Nanolander aussetzen, der mittels eines nur sechs Kilogramm wiegenden Feststoffmotors eine weiche Landung auf dem Mond versuchen wird.
Das Ziel von NEA Scout ist ein Asteroid, von dem der mit einem Sonnensegel ausgestattete 6U-Cubesat bei einem Vorbeiflug Bilder machen soll.
Ebenfalls von JAXA, in Zusammenarbeit mit der Universität Tokio ist EQUilibriUm Lunar-Earth point 6U Spacecraft (EQUULEUS). Neben dem Erproben von Flugbahnen, die wenig Energie benötigen, sollen mit diesem Satellit Daten über die Strahlung in der Umgebung der Erde gesammelt werden.
BioSentinel wird vom Ames Research Center der NASA gestellt. Mittels Hefe möchte man hier die Auswirkung von Strahlung außerhalb der Magnetosphäre der Erde auf DNA studieren und so wichtige Informationen für zukünftige, bemannte, Artemis-Missionen gewinnen.
CuSP (cubesat to study Solar Particles) hat sich zum Ziel gesetzt, von der Sonne ausgestoßene Strahlung und Partikel zu untersuchen.
Team Miles wurde über die CubeQuest Challenge der NASA ausgewählt und soll seine Plasma-Triebwerke, welche elektromagnetische Wellen im Niederfrequenzbereich nutzen, auf einer bis zu 96 Millionen Kilometer weiten Reise auf einer Bahn Richtung Mars austesten.
Der letzte im Bunde ist ArgoMoon, ein von der italienischen Raumfahrtagentur entwickelter und von der ESA für den Flug ausgewählter 6U-Cubesat, der als erstes ausgesetzt wird und Informationen darüber liefern soll, ob die anderen Cubesats erfolgreich ausgesetzt wurden. Der SLS-Oberstufe, von der der Satellit auch Bilder machen soll, fehlt die hierzu nötige Bordelektronik.
SLS: Die Rakete, die die Rückkehr zum Mond ermöglichen soll
Beim Start entwickelt das Space Launch Vehicle, angetrieben durch vier RS-25-Triebwerke und zwei Feststoffboostern einen Schub von 36,8 MN. Zum Vergleich, die Saturn V entwickelte 33 MN Schub in der Erststufe, lediglich die nie erfolgreich geflogene sowjetische Mondrakete N1 mit 45 MN Startschub übertrifft das SLS in dieser Hinsicht. Trotzdem ist die Nutzlast in einen niedrigen Erdorbit bei der 98 Meter hohen neuen Mondrakete mit 95 Tonnen deutlich kleiner als der Saturn V, die 130 Tonnen schaffte.
Bei den Feststoffboostern griff man auf die bereits für die Shuttle-Booster entwickelte Technik zurück, wobei die größte Neuerung ein zusätzliches fünftes Treibstoffsegment ist. Die einzelnen Ringelemente waren zum Großteil zuvor bereits bei Missionen des Space Shuttles im Einsatz. Im Gegensatz zu den Flügen beim Shuttle sind hier allerdings keine Fallschirme verbaut, eine Wiederverwendung der ausgebrannten Booster ist nicht vorgesehen. Auch bei der Zentralstufe, die von Boeing hergestellt wird, setzt man stark auf Technik aus dem Shuttle-Programm: Diese hat den gleichen Durchmesser wie der dort genutzte externe Tank und auch die Triebwerke (das RS-25) hat man übernommen. Statt drei setzt man nun allerdings vier dieser mit Wasserstoff und Sauerstoff arbeitenden Triebwerke ein. Bei Artemis 1 waren alle vier Triebwerke der Zentralstufe zuvor bereits bei verschiedenen Shuttle-Missionen im Einsatz, wobei es der Rekordhalter unter den Vieren auf 12 Flüge mit verschiedenen Raumfähren brachte.
Bei der Oberstufe, der Interim Cryogenic Propulsion Stage handelt es sich, wie der Name schon sagt, im Grunde um eine Zwischenlösung. Dieses von der United Launch Alliance (ULA) gelieferte Element ist im Grunde eine modifizierte Oberstufe der Delta IV und wird von einem RL-10-Triebwerk (welches übrigens auch in der Atlas V und der kommenden Trägerrakete Vulcan eingesetzt wird) angetrieben, das 110 kN Schub liefert.
Später soll sie durch die Exploration Upper Stage (EUS) ersetzt werden, die die Gesamtgröße des SLS auf 110 Meter erhöht und über vier RL-10-Triebwerke verfügt.
Die Geschichte des SLS ist von Verzögerungen und Kostensteigerungen geprägt. Ging man kurz nach Beginn der Entwicklung 2012 noch von einem Erststart 2017 und Kosten pro Start von 500 Millionen US-Dollar aus, kam ein Report des Office of Inspector General der NASA 2021 zu dem Schluss, dass allein die Herstellung einer Trägerrakete mit 2,2 Milliarden Dollar zu Buche schlägt. Hinzu kommen die stark angestiegenen Entwicklungskosten sowie Kosten für die Durchführung des Starts und die Startrampe.
Das Orion-Raumschiff: eine NASA-ESA-Gemeinschaftsleistung
Orion wird beim Start rund 36 Tonnen wiegen und soll bei späteren Missionen bis zu vier Personen an Bord beherbergen. Es unterteilt sich in zwei Komponenten: die Kapsel selbst sowie das Servicemodul. Erstere wird von Lockheed Martin gebaut und entwickelt. In ihrem Inneren stehen den zukünftigen Astronautinnen und Astronauten rund 9 Kubikmeter freies Volumen zur Verfügung. Ebenfalls in der Kapsel verbaut sind die Lebenserhaltungssysteme, der Hitzeschild, der vor den Temperaturen beim Wiedereintritt schützt, sowie die Abschirmung gegen kosmische Strahlung. Es ist geplant, die Kapseln nach der Wasserung für zukünftige Flüge wiederaufzubereiten und erneut einzusetzen.
Die europäische Weltraumagentur ESA stellt als Kompensation für den Transport von Fracht und Astronauten zur ISS das vom ATV abgeleitete Servicemodul zur Verfügung, welches von Airbus gebaut wird. Es liefert mit seinen Solarzellen die nötige Energie und ist für die Wärmeregulierung zuständig. Zudem führt es die Lageregelung und Orbitalmanöver durch. Zudem stellt es zukünftigen Besatzungen die notwendige Atemluft sowie Wasser zur Verfügung und dient als Startabbruchsystem in großen Höhen.
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