Atlas bringt erneut einen Schwan auf Trab

Ein mit Nachschub und neuen Experimenten beladener US-amerikanischer unbemannter Raumtransporter vom Typ Cygnus (dt. Schwan) wurde am frühen Morgen des 23. März 2016 von einer Atlas-V-Rakete auf den Weg zur ISS gebracht.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: NASA, Orbital ATK, ULA.

Atlas-V-Start am 23. März 2016
(Bild: NASA / Kim Shiflett)

Die von der United Launch Alliance (ULA) vermarktete Rakete mit dem von Orbital ATK gebauten Transporter an der Spitze hob um 4:05 Uhr MEZ von der Startrampe 41 der Luftwaffenbasis Cape Canaveral (Cape Canaveral Air Force Station, CCAFS) im US-amerikanischen Bundesstaat Florida zu Beginn eines 30 Minuten langen Startfensters ab. Eingesetzt wurde die Rakete mit der Baunummer AV-064.

Die Atlas-V flog dabei (zum 32. Mal) in der 401-Konfiguration, die Nutzlast war also unter einer Nutzlastverkleidung aus Kompositmaterial mit vier Metern Durchmesser untergebracht (4), es kamen keine Feststoffbooster zur Anwendung (0), und die Centaur-Oberstufe war mit einem Triebwerk ausgerüstet (1).

AV-064 in Langzeitbelichtung
(Bild: NASA / Ben Smegelsky)

Zum zweiten Mal saß ein Cygnus-Transporter auf einer Atlas-V-Rakete. Ursprünglich hätte Orbital ATK den Orbit-Einschuss der Cygnus-Transporter ausschließlich mit Hilfe eigener Raketen vornehmen wollen, musste sich nach einem kapitalen Fehlstart seiner Antares-Rakete am 28. Oktober 2014 jedoch nach einem Transportdienstleister umsehen, um den von der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur (NASA) erhaltenen Auftrag mit dem Titel Commercial Resupply Services-1 (CRS-1) umzusetzen.

Laut Orbital ATK hat der Cygnus-Frachter den Start sehr gut überstanden und arbeitet aktuell auf seinem rund 51,6 Grad gegen den Erdäquator geneigten Orbit in rund 232 Kilometern über der Erde so, wie es für diese frühe Flugphase vorgesehen ist. Es besteht eine stabile Kommunikationsverbindung, die beiden Solarzellenausleger sind entfaltet.

Cygnus-Transporter und Halbschalen
der Nutzlastverkleidung
(Bild: NASA)

Voraussichtlich am kommenden Samstag, den 26. März 2016 wird der Transporter im Rahmen seiner OA-6 genannten Mission die Internationale Raumstation (International Space Station, ISS) erreichen und rund 3,6 Tonnen Fracht anliefern. An Bord der Station sollen insbesondere die Expeditionen 47 und 48 mit der wissenschaftlichen Nutzlast des Transporters arbeiten.

Mit dem Spacecraft Fire Experiment 1 (Saffire-1) steht eine neuartige Möglichkeit zur Verfügung, Verlauf und Folgen eines Brandes an Bord eines Raumfahrzeugs zu erforschen. Dabei können auch Untersuchungen vorgenommen werden, die man auf Grund des Risikos nicht an Bord eines bemannten Fahrzeugs ausführen möchte. Saffire-1 wird deshalb erst zum Einsatz kommen, wenn der Cygnus-Transporter die ISS wieder verlassen hat und sich in einem sicheren Abstand zur Station befindet.

Strata-1 – links Regolith-Simulation, rechts
Asteroidenmaterial
(Bild: NASA)

Mit Meteor wird man zum ersten Mal von einer Plattform im All aus Meteore beim Eintreten in die Erdatmosphäre beobachten können.

Mit Strata-1 soll das Verhalten und die Bewegung von Regolith unter dem Einfluss von Mikrogravitation untersucht werden. Unter anderem hofft man auf Antworten auf die Fragen, wie leicht oder wie aufwändig sich ein Raumfahrzeug in Regolith verankern lässt und wie Regolith mit den Materialien, aus denen Raumfahrzeuge, Raumanzüge und andere Gegenstände hergestellt sind, wechselwirkt.

Mit dem Gecko Gripper möchte man die Nützlichkeit und Wirksamkeit einer Greifeinrichtung unter Weltraumbedingungen überprüfen. Die Konstruktion des Gecko Gripper wurde vom Haften eines Geckos auch an Oberflächen jeder Orientierung inspiriert.

Gecko Gripper
(Bild: NASA)

Mit der Additive Manufacturing Facility (AMF) wird an Bord der ISS eine weitere Anlage für den 3D-Druck zur Verfügung stehen.

Geplant ist, dass der NASA-Astronaut und Commander der Expedition 47 Timothy Kopra mit dem Canadarm 2 genannten Roboterarm der Station den Cygnus-Transporter an der dafür vorgesehenen mechanischen Schnittstelle greift, damit er anschließend an einen geeigneten Kopplungsport herangeführt werden kann. Der Astronaut Timothy Peake der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) hat den Vorgang zu überwachen, um dem amerikanischen Kollegen gegebenenfalls zur Hand zu gehen.

Aufbau von Saffire – Illustration
(Bild: NASA)

Der Transporter fliegt zum zweiten mal in seiner vergrößerten und verbesserten Variante. Er ermöglichte eine größere Zuladung von Transportgut, weist ein gegenüber der kleineren Bauform um rund 25 Prozent größeres Volumen seines druck-beaufschlagten, von der ISS nach dem Ankoppeln zugänglichen Frachtraums auf, und erhielt neu-konstruierte Treibstofftanks und Solarzellenausleger.

Voraussichtlich bis Ende Mai 2016 wird der Transporter an der ISS verweilen. Nach der Abkopplung sind vom dann unter anderem mit rund 2 Tonnen Stationsabfällen beladenen Transporter zunächst fünf Kleinstsatelliten, sogenannte Cubesats, auszusetzen, bevor das bereits beschriebene Experiment Saffire-1 abgewickelt werden kann.

Danach erfolgt laut Plan der zerstörerische Wiedereintritt in die Erdatmosphäre über dem Pazifik. Auch dabei wird ein wichtiges Experiment in Betrieb sein: Erneut ist ein Aufzeichnungsgerät für die bei einem zerstörerischen Wiedereintritt ablaufenden Ereignisse und herrschenden Zustände im All, ein sogenannter Reentry Breakup Recorder (REBR). Gemäß seiner Auslegung kann dieser einen feurigen Wiedereintritt überstehen und anschließend nützliche Daten senden.

Cygnus OA-6 wird voraussichtlich katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.393 und als COSPAR-Objekt 2016-019A.

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