Breeze-M-Oberstufe setzt Fragmente in GSO frei

Das Gemeinschaftliche Zentrum für Raumfahrtaktivitäten des US-amerikanischen Militärs (Joint Space Operations Center, JSpOC) hat im Rahmen der von ihm betriebenen Weltraumüberwachung ermittelt, dass eine russische Raketenoberstufe vom Typ Breeze-M auf ihrem Geosynchronen Orbit (GSO) um die Erde am 16. Januar 2016 diverse Fragmente freigesetzt hat.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: Chrunitschew, Committee on the Peaceful Uses of Outer Space (COPUOS), ESA, JSpOC, Roskosmos, TASS.

Herstellung von Breeze-M-Oberstufen
bei Chrunitschew
(Bild: Chrunitschew)

Die Raketenstufe zieht seit dem 13. Dezember 2015 um die Erde. Sie war verwendet worden, um den russischen militärischen Kommunikationssatelliten Kosmos 2.513 auf einer annähernd geostationären Bahn auszusetzen, von der aus der Satellit sich selbstständig zur geplanten Einsatzposition manövrieren kann.

Ihren Transportauftrag erfüllte die von Chrunitschew in Russland gebaute Oberstufe offensichtlich wie vorgehen. Der als COSPAR-Objekt 2015-075A und mit der NORAD-Nr. 41.121 katalogisierte Kommunikationssatellit konnte wenige Tage nach dem Start auf einer etwa 0,05 Grad gegen den Erdäquator geneigten 35.513 x 35.667 km Bahn beobachtet werden.

Nach dem Aussetzen von Kosmos 2.513 hatte die Oberstufe weitere Manöver zu erledigen, deren Ziel es insbesondere war, die Oberstufe auf eine Bahn zu bringen, auf der sie für die zahlreichen im Geostationären Orbit (GEO) in Flughöhen um durchschnittlich rund 35.786 Kilometer über der Erde aktiven Satelliten keine unmittelbare Gefahr darstellen würde. Im GEO werden unter anderem sehr viele Kommunikationssatelliten sowie eine Anzahl von Navigations- und Wettersatelliten betrieben.

Die Breeze-M-Oberstufe steuerte sich deshalb unter Nutzung einer gewissen Menge übrig gebliebenen Treibstoffs an Bord auf eine gegenüber dem Absetzorbit etwas veränderte Bahn. Deshalb konnte die als COSPAR-Objekt 2015-075B und mit der NORAD-Nr. 41.122 katalogisierte Stufe anschließend auf einer rund 0,2 gegen den Erdäquator geneigten 33.308,5 x 35.916,4 km Bahn beobachtet werden.

Sinnvoll ist es, im Zuge einer sogenannten Passivierung von nicht mehr benötigten oder nicht mehr nutzbringend zu betreibenden Raumfahrzeugen oder Raketenstufen alle Behälter, die unter Druck stehende Flüssigkeiten oder Gase enthalten, zum Vakuum hin zu entleeren.

Druckgase und Treibstoffe kann man ablassen, Akkumulatoren entladen – soweit dies alles konstruktionsseitig vorgesehen ist und entsprechende technische Vorrichtungen wie vorgesehen funktionieren. Klappt das wie geplant, lassen sich zum Beispiel Explosionsereignisse verhindern, bei denen Weltraumschrott entsteht, welcher dann eine konkrete Gefahr für andere Raumfahrzeuge darstellt.

Oberstufe vom Typ Breeze-M
(Bild: Chrunitschew)

Die Breeze-M, die Kosmos 2.513 transportiert hatte, verhielt sich möglicherweise nicht so, wie es wünschenswert gewesen wäre. Am 21. Januar 2016 gab das JSpOC bekannt, dass Fragmente von der Oberstufe beobachtet wurden. Aus einer Analyse der Bahndaten der Fragmente schloss das JSPpOC auf den vermutlichen Zeitpunkt des Debris erzeugenden Ereignisses an Bord der Breeze-M. Als Zeitpunkt für das Ereignis nennt das JSpOC den 16. Januar 2016 3:50 Uhr koordinierter Weltzeit (Universal Time Coordinated, UTC) +/- 4 Minuten.

Das toroidale Zusatztank-Modul der Breeze-M, englisch Additional Fuel Tank (AFT) oder Auxiliary Propulsion Tank (APT) genannt und auf russisch als DTB für Дополнительный Топливный Бак bezeichnet, kann an dem Ereignis selbst nicht unmittelbar beteiligt gewesen sein, es war nach einer der ersten Brennphasen der Oberstufe noch vor dem Erreichen eines geosynchronen Orbits abgeworfen worden. (Das Tankmodul als Weltraumschrott stellt jedoch durchaus eine eigenständige Gefahrenquelle dar).

Im Augenblick bedeuten die von der Oberstufe in geosynchronem Orbit freigesetzten Fragmente oder Objekte keine unmittelbare Gefahr für andere Erdtrabanten. Allerdings werden Objekte auf geosynchronen Bahnen dort quasi unbegrenzt lange überdauern. Kollisionen untereinander und mit anderen Raumfahrzeugen können ihre Anzahl schnell ansteigen lassen.

OGS und Teide unter dem Nachthimmel
(Bild: ESA)

Für Betreiber von Raumfahrzeugen auf geosynchronen oder geostationären Umlaufbahnen und, nicht zu vergessen, die Nutzer der von diesen Raumfahrzeugen bereitgestellten Dienste, wäre eine schnell ansteigende Menge Weltraumschrott ein tatsächliches Problem.

Die Europäische Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA) teilte am 22. Januar 2016 mit, dass sie bereit sei, ein auf dem Berg Izaña auf der Kanaren-Insel Teneriffa stationiertes Teleskop im Rahmen einer Beobachtungskampagne zur Untersuchung der von der Oberstufe freigesetzten „Fragment-Wolke“ einzusetzen. Damit könnte einen Beitrag zur Verbesserung der Modelle zur Ausbreitung und Verteilung von Weltraumschrott geleistet werden.

Auf dem Izaña – 2393 m hoch und rund 20 km nordöstlich des bekannteren Teide – befindet sich die Optical Ground Station (OGS) genannte Bodenstation der ESA, die ein Teleskop besitzt, das als sogenanntes space debris telescope zur Weltraumschrott-Beobachtung benutzt werden kann.

Blick in die Beobachtungskuppel auf das Teleskop
(Bild: IAC / ESO)

Das von Zeiss gebaute Instrument mit einem Spiegeldurchmesser von einem Meter wird für die Beobachtung und Charakterisierung von Objekten im geostationären Gürtel durchschnittlich 35.786 Kilometer über dem Erdäquator genutzt. Es besitzt eine Optik, die in Ritchey-Chrétien-Konfiguration in einem Modus mit einem Sichtfeld von rund 0,7 Grad besonders für die Debris-Beobachtung geeignet ist. Es ist zusammen mit seinen hochempfindlichen CCD-Kameras in der Lage, im oder nahe des GEO noch Objekte zu verfolgen, die nur rund 15 Zentimeter Durchmesser haben.

Die vergangene Woche Fragmente freisetzende Breeze-M-Oberstufe war nicht die erste ihres Typs, die eine Verschmutzung des Weltraums verursachte. Das mehrfach aufgetretene schädliche Verhalten entsprechender ausgedienter Raketenstufen im All wurde international bereits mehrfach und deutlich kritisiert.

2007 beispielsweise wurden Normen für russische Raumfahrtträger diskutiert, gemäß derer bei der Trennung der Breeze-M-Oberstufe von der dritten Stufe der Proton-Rakete keine Einzelteile der Trennvorrichtung usw. freigesetzt werden dürfen und verbliebene Treibstoffe und Druckgase aus dem Zusatztank-Modul in den umgebenden Raum abgelassen werden sollen, nachdem er von der Breeze-M abgestoßen wurde.

Im Februar 2011 teilte die russische Raumfahrtbehörde anlässlich einer internationalen Konferenz mit, man habe Maßnahmen ergriffen, die sicherstellen würden, dass russische Raketenoberstufen der Typen Block I, Fregat, DM-3 und Breeze-M im Rahmen ihres üblichen Betriebsregimes keine Fragmente freisetzen. Hinsichtlich der zu reduzierenden Gefahr von Oberstufen-Zerlegern nach Missionsende berichtete Roskomos bei gleicher Gelegenheit, es sei bei den Typen Fregat, DM-3 und Breeze-M nunmehr gewährleistet, dass Resttreibstoff nach Abtrennung der Nutzlast abgelassen oder verbrannt würde und Akkumulatoren und Batterien ab Bord abschließend entladen würden.

Nicht ausgeschlossen werden können auf solche Weise weiteren Weltraumschrott erzeugende Treffer durch bereits um die Erde kreisenden Weltraumschrott oder Objekte natürlichen Ursprungs.

Den Herstellern der fraglichen Raketenoberstufen aus Russland und ähnlicher Konstruktionen aus anderen Teilen der Welt, und allen Nutzern von Raumfahrzeugen auf Umlaufbahnen um die Erde ist jedenfalls zu wünschen, dass es den Herstellern gegebenenfalls möglichst schnell gelingt, die Stufen tatsächlich so zu bauen, dass sie nach ihrem Einsatz nicht zu einer Gefahr werden.

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