Cassini: Der Saturnorbit Nummer 175 beginnt

Nach dem Ende der diesjährigen Sonnenkonjunktion hat die Raumsonde Cassini den wissenschaftlichen Betrieb wieder aufgenommen. Im Rahmen des vor wenigen Stunden begonnenen Umlaufs Nummer 175 um den Saturn wird Cassini unter anderem am 13. November 2012 erneut den Mond Titan überfliegen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society.

SOHO
Diese Aufnahme des Sonnenbeobachtungssatelliten SOHO, welche am 24. Oktober 2012 um 13:06 MESZ angefertigt wurde, zeigt den Planeten Saturn, der sich gegenwärtig nur wenige Grad von der Sonne entfernt befindet. Die in der vergrößerten Aufnahme erkennbaren “Striche” an beiden Rändern des Planeten zeigen allerdings nicht das des Saturn umgebende Ringsystem. Vielmehr handelt es sich hierbei um Bildartefakte, welche durch die große Helligkeit des Planeten verursacht wurden.
(Bild: SOHO)

Im Zeitraum vom 22. bis zum 29. Oktober 2012 erfolgte eine so genannte “Sonnenkonjunktion”. Hierbei handelt es sich um eine spezielle, in regelmäßigen Abständen auftretende Himmelskonstellation, bei der sich der Saturn von der Erde aus gesehen in einem Abstand von nur wenigen Grad zu der Sonne befindet. Da die von der Sonne ausgehende Strahlung die Funksignale, welche zwischen der Erde und der Raumsonde Cassini hin und her gesandt werden, dabei zu sehr stört, erfolgten in diesem Zeitraum keine Datenübertragungen. Zum Zeitpunkt der dichtesten scheinbaren Annäherung – diese erfolgte am 25. Oktober um 11:19 MESZ – befand sich der Saturn lediglich 2,17 Grad von der Sonnenscheibe entfernt. Mittlerweile wurde der reguläre wissenschaftliche Betrieb der Raumsonde jedoch wieder wie geplant aufgenommen.

Unabhängig von der Sonnenkonjunktion erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn am heutigen 30. Oktober 2012 um 09:17 Uhr MEZ erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Cassini in einer Entfernung von rund 2,67 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 175. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell verfügt die Raumsonde auf ihrer Flugbahn über eine Inklination von 39 Grad. Bis Mitte des Jahres 2013 soll die Neigung der Cassini-Umlaufbahn durch mehrere dichte Vorbeiflüge an dem Saturnmond Titan in mehreren Schritten allerdings noch auf fast 62 Grad erhöht werden.
Dieser Flugverlauf wird es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern letztendlich bis zum März 2015 ermöglichen, speziell die Polarregionen des Saturn und des größten Mondes innerhalb des Saturnsystems, des etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Mondes Titan, im Detail abzubilden und zu untersuchen. Zusätzlich wird auch das Ringsystem des Saturn von den abbildenden wissenschaftlichen Instrumenten der Raumsonde während der kommenden Monate in seiner “Gesamtheit” wieder besser erfasst werden können.

NASA, JPL, Space Science Institute
Das Ringsystem des Saturn setzt sich aus mehr als 100.000 einzelnen Ringen zusammen, welche durch scharf umrissene Lücken voneinander abgegrenzt sind.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während dieses 20 Tage andauernden Orbits Nummer 175 – dieser trägt die Bezeichnung “Rev 174” – insgesamt 35 Beobachtungskampagnen vorgesehen.

NASA, JPL, Space Science Institute, Animation: Mike Malaska
Diese Speichenformationen im B-Ring des Saturn wurden im September 2009 durch die Raumsonde Cassini abgebildet.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute, Animation: Mike Malaska)

Die erste dieser Beobachtungskampagnen wird am morgigen Tag den zu diesem Zeitpunkt etwa 1,86 Millionen Kilometer von der Raumsonde entfernt befindlichen Saturnmond Titan zum Ziel haben. Die hierfür vorgesehenen Aufnahmen sind Teil der langfristig angelegten “Titan Monitoring Campaign”, mit der speziell Wolkenformationen in der Titanatmosphäre abgebildet werden sollen. Deren Studium erlaubt den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern Rückschlüsse auf das dortige gegenwärtige Wettergeschehen. Des weiteren sollen bei dieser Gelegenheit Veränderungen in der Verteilung von Aerosolen in den oberen Schichten der Mondatmosphäre dokumentiert werden. Eine zweite vergleichbare Kampagne ist für den 2. November vorgesehen.

Ebenfalls am 2. November soll zudem der Saturn abgebildet werden. Auch hierbei geht es um die Dokumentation des dortigen Wettergeschehens und speziell um die Suche nach sich neu entwickelnden Sturmgebieten. Bis zum 8. November sollen insgesamt neun dieser jeweils nur wenige Minuten andauernden Beobachtungen erfolgen.

Am 2. November sollen zudem mehrere der kleineren, inneren Saturnmonde im Rahmen sogenannter astrometrischer Beobachtungen abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser nur wenige Kilometer durchmessenden und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen ihrer jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der inneren Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Parameter über deren jeweilige Umlaufbahnen noch weiter zu verfeinern. Die entsprechenden Fotosequenzen werden allerdings durchweg aus größeren Distanzen angefertigt, so dass im Rahmen dieser Beobachtungen keine Oberflächendetails der jeweiligen Monde aufgelöst werden können. Eine zweite entsprechende Kampagne ist für den 4. November vorgesehen.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
In der oberen rechten Bildhälfte ist ein Teil des F-Ringes des Saturn erkennbar. Gut zu sehen sind diverse “Mini-Jets”, welche von diesem Ring ausgehen. In der unteren linken Bildhälfte präsentiert sich der A-Ring des Saturn. Die Aufnahme wurde am 14. August 2012 mit der NAC-Kamera angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Weitere Fotoaufnahmen werden das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Durch die entsprechenden Aufnahmen, welche für den 2., 4. und 7. November geplant sind, sollen speziell die Speichenformationen im B-Ring des Saturn untersucht werden. Außerdem soll der F-Ring näher abgebildet werden. Mit diesen Aufnahmen sollen dort befindliche Lücken und Massekonzentrationen untersucht werden, welche durch die gravitativen Einflüsse des Mondes Prometheus hervorgerufen werden (Raumfahrer.net berichtete).

Am 11. November wird Cassini schließlich um 08:30 Uhr MEZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während des Orbits Nummer 175, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Raumsonde 414.590 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Bereits ab dem 10. November wird die ISS-Kamera zusammen mit einem der Spektrometer an Bord von Cassini, dem Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), die zu diesem Zeitpunkt nicht von der Sonne beleuchteten “Unterseiten” der Ringe D und F abbilden.
Anschließend sollen beide Instrumente eine Sternokkultation beobachten. Hierbei wird der im Sternbild “Walfisch” (lat. Name “Cetus”) gelegene Stern Alpha Ceti (Eigenname Menkar), ein sogenannter “Roter Riesenstern” mit einer scheinbaren Helligkeit von 2,56 mag, verschiedenen Einzelringe des F-Ringes bedecken. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in der Lichtkurve von Alpha Ceti erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau und die Struktur der einzelnen Ringe. Durch die zeitliche Abfolge der auftretenden Helligkeitsschwankungen und deren Intensität können so zum Beispiel Rückschlüsse über die Lichtdurchlässigkeit und somit auch über die Materialdichte der einzelnen Ringstrukturen gewonnen werden.

NASA, JPL, Space Science Institute
Am 3. Januar 2008 wurde eine Okkultation des Sternes Antares dazu genutzt, um die Dichte der einzelnen Saturnringe eingehender zu untersuchen. Die NAC-Kamera fertigte diese Aufnahme aus einer Entfernung von 541.000 Kilometern zum Saturn an.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Zwei Tage nach dem Erreichen der Periapsis wird Cassini schließlich am 13. November um 11:22 MEZ einen gesteuerten Vorbeiflug an dem Mond Titan absolvieren, welcher dabei in einer Höhe von 973 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde passiert werden wird. Während der Anflugphase an den Mond werden zwei Spektrometer der Raumsonde, das bereits erwähnte VIMS und das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), die zu diesem Zeitpunkt nicht von der Sonne beleuchtete Hemisphäre des Titan abtasten. Das CIRS soll dabei die Temperaturverteilung in der Stratosphäre des Mondes ermitteln. VIMS soll dagegen die Nordpolregion abbilden und dabei nach spektralen Reflexionen Ausschau halten, welche eventuell durch dort befindliche Seen aus Kohlenwasserstoffverbindungen hervorgerufen werden.

Während der Phase der dichtesten Annäherung an den Titan soll die Dichte von dessen obersten Atmosphärenschichten ermittelt werden. Zu diesem Zweck arbeitet das für die Kontrolle des Ion and Neutral Mass Spectrometers (INMS) verantwortliche Team eng mit den für die Flug- und Navigationskontrolle verantwortlichen Mitarbeitern der Mission zusammen.

Die Atmosphäre des Titan erhebt sich etwa zehnmal höher in den Weltraum als die irdische Atmosphäre. Selbst bei der am 13. November erreichten Überflughöhe wird die Raumsonde somit durch die Gaspartikel der Titanatmosphäre zwar minimal, aber doch deutlich messbar abgebremst werden. Diese Abbremsung macht sich unter anderem in den von Cassini ausgestrahlten Radiosignalen durch eine Dopplerverschiebung bemerkbar. Mit den zeitgleich erfolgenden Messungen durch das INMS soll die exakte Partikeldichte in der durchflogenen Region ermittelt werden.

Diese Messungen dienen nicht ausschließlich der Untersuchung der Dichte der Titanatmosphäre, sondern haben vielmehr auch einen praktischen und für den zukünftigen Betrieb der Raumsonde notwendigen Nutzen. Diese bei jedem Titan-Vorbeiflug erfolgenden Abbremsungen der Raumsonde haben direkte Auswirkungen auf die Geschwindigkeit und den Kurs von Cassini. Durch die zu sammelnden Daten, so die Erwartungen der beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure, ergeben sich Informationen über den zukünftigen Treibstoffverbrauch, welcher bei zukünftigen Kurskorrekturmanövern innerhalb des Saturnsystems erforderlich sein wird.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Die oberen Atmosphärenschichten des Titan erscheinen in dieser am 11. September 2011 durch die NAC-Kamera aus einer Entfernung von rund 134.000 Kilometern angefertigten Aufnahme in bläulichen Farbtönen. Tiefer gelegene Schichten werden dagegen orange dargestellt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Während der Abflugphase vom Titan werden dann wieder das CIRS und das VIMS “übernehmen”. Das CIRS-Spektrometer soll dabei die Oberflächentemperatur des Titan ermitteln, während das VIMS eine Oberflächenkarte des Mondes mit einer mittleren Auflösung erstellt. Diese Aktivitäten werden durch begleitende Aufnahmen der ISS-Kamera ergänzt, welche dabei in erster Linie die im sichtbaren Bereich des Lichtes erkennbaren Wolkenformationen dokumentieren soll.

Am 19. November 2012 wird Cassini schließlich um 03:54 MEZ in einer Entfernung von rund zwei Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und diesen 175. Orbit um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 176 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphärenschichten des Saturn vorgesehen. Außerdem wird am 29. November ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug der Raumsonde an dem Mond Titan erfolgen. Cassini wird den Mond dabei erneut mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von diesmal 1.014 Kilometern überfliegen.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann aufgebrachten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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