Cassini: Saturnorbit Nummer 191 und Titan-Vorbeiflug

In wenigen Stunden beginnt ein neuer Umlauf der Raumsonde Cassini um den Saturn. Den Höhepunkt dieses neun Tage andauernden Orbits Nummer 191 bildet ein für den 23. Mai geplanter dichter Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan. Hierbei sollen mit einem Radar-Instrument speziell die Seen auf diesem Mond untersucht werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Der Saturnmond Titan – aufgenommen am 20. September 2012 durch die NAC-Kamera aus einer Entfernung von 2,9 Millionen Kilometern. Die Aufnahme wurde mit einem Spektralfilter bei einer Wellenlänge von 938 Nanometern erstellt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am 16. Mai 2013 wird die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 2.30 Uhr MESZ erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 1,3 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 191. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell verfügt Cassini auf ihrer Umlaufbahn um den Saturn immer noch über eine Inklination von 61,7 Grad.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des erneut 9,6 Tage andauernden Orbits – dieser trägt die Bezeichnung “Rev 190” – insgesamt 26 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Die meisten dieser Kampagnen werden sich auf den größten der derzeit 62 bekannten Monde des Saturn, den 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, konzentrieren, welcher am 23. Mai im Rahmen eines gesteuerten Vorbeifluges von der Raumsonde passiert werden wird.

Die erste beiden Beobachtungen werden bereits mehrere Stunden nach dem Beginn des neuen Orbits erfolgen, wobei die ISS-Kamera zuerst den Saturn und dann den Mond Titan aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abbilden wird.

Mittels der hierbei geplanten Abbildungen der Atmosphären dieser beiden Himmelskörper durch die WAC-Kamera, welche Bestandteile von langfristig ausgelegten “Sturmbeobachtungskampagnen” sind, sollen erneut aktuelle Daten über das dortige Wettergeschehen gesammelt werden. Durch die Beobachtung von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen in den Atmosphären des Ringplaneten und des Titan lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Im Zentrum dieser Aufnahme der ISS-Kamera befindet sich der Saturnmond Anthe. Im Bereich von dessen Umlaufbahn ist ein feiner Ring erkennbar, welcher aus Material von der Oberfläche des Mondes gespeist wird.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Als nächstes steht der G-Ring des Saturn auf dem Beobachtungsprogramm der ISS-Kamera, welcher in erster Linie durch Material gespeist wird, das von der Oberfläche des Mondes Anthe stammt.

Im Anschluss an diese Beobachtungskampagne sollen mehrere der kleineren inneren Saturnmonde im Rahmen sogenannter astrometrischer Beobachtungen abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren jeweilige Umlaufbahnen noch weiter zu verfeinern.

Am 17. Mai wird die ISS-Kamera dann den äußeren Bereich des A-Ringes abbilden. Mit den entsprechenden Aufnahmen sollen zum wiederholten Mal sogenannte “Propellerstrukturen” in diesem Ring dokumentiert werden. Bei diesen entfernt an Flugzeugpropeller erinnernden, lediglich etwa 15 bis 25 Kilometer großen Strukturen handelt es sich um kleine “Hohlräume” innerhalb des A-Ringes, welche durch die gravitativen Einflüsse von vermutlich lediglich wenige Dutzend Kilometer durchmessenden Mini-Monden – so genannten Moonlets – verursacht werden (Raumfahrer.net berichtete über den bei der Entstehung solcher “Propellerstrukturen” zugrunde liegenden Prozess). Durch die anzufertigenden Aufnahmen sollen die bisher bekannten Bahnparameter dieser Moonlets noch weiter verfeinert werden.

NASA, JPL, Space Science Institute, Cornell University
Diese propellerähnliche Struktur innerhalb des A-Ringes des Saturn wurde am 5. Juni 2012 mit der ISS-Kamera abgebildet.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, Cornell University)

Am 18. Mai wird sich die ISS-Kamera erneut auf den Saturn richten. In Zusammenarbeit mit einem der Spektrometer der Raumsonde, dem Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), soll die ISS-Kamera hierbei die Südpolregion des Saturn abbilden. Neben der Suche nach Polarlichtern dienen diese Beobachtungen dazu, die Rotationsperiode des Saturn-Magnetfeldes näher zu bestimmen.

Am 20. Mai wird Cassini schließlich um 21.22 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 191 erreichen und den Planeten in einer Höhe von 316.000 Kilometer über dessen oberster Wolkenschicht passieren. Neben verschiedenen Abbildungen der Monde Titan und Mimas ist in dieser Phase des Orbits Nummer 191 die Dokumentation einer Sternokkultation vorgesehen.

Hierbei wird der Stern Theta Carinae von Teilen den Ringsystems bedeckt. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in der Lichtkurve von Theta Carinae erhoffen sich die an dieser Kampagne beteiligten Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau, die Materialdichte und die Struktur der Ringbereiche, welche den Stern bei dieser Okkultation bedecken.

Drei Tage nach dem Passieren der Periapsis wird Cassini am 23. Mai 2013 schließlich den Saturnmond Titan mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde überfliegen. Dieser mittlerweile 92. gesteuerte Vorbeiflug der Raumsonde am Titan, das Manöver trägt die Bezeichnung “T-91”, ist der dritte von insgesamt acht in diesem Jahr erfolgenden Vorbeiflügen am Titan. Die dichteste Annäherung an den Titan, welche diesmal 970 Kilometer betragen wird, soll die Raumsonde dabei um 19.33 MESZ erreichen.

NASA, JPL-Caltech, ASI, Cornell University
In dieser Radar-Aufnahme der Raumsonde Cassini präsentieren sich die erkennbaren Kohlenwasserstoffseen auf dem Titan in unterschiedlichen Helligkeiten. Eventuell ist hierfür eine die Oberfläche der Seen bedeckende Eisschicht verantwortlich. Die Aufnahme wurde am 22. Mai 2012 angefertigt und verfügt über eine Auflösung von rund 350 Metern pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI, Cornell University)

Während der Anflugphase wird eines der Spektrometer der Raumsonde, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), aktiv sein und die Nachtseite des Titan abtasten. Hierbei sollen Daten über die zu diesem Zeitpunkt auf der Oberfläche und in der Stratosphäre vorherrschenden Temperaturen gesammelt werden. Weitere Messungen des CIRS, welche im mittleren und Fern-Infrarotbereich erfolgen, dienen unter anderem dazu, um die Verteilung von Aerosolen und verschiedener chemischer Verbindungen in den oberen Schichten der Titanatmosphäre zu bestimmen.

Parallel zu diesen Messungen wird auch die ISS-Kamera aktiv sein, welche sowohl mit der WAC-Kamera als auch mit der NAC-Kamera diverse Aufnahmen der nördlichen Hemisphäre des Titan erstellen soll. Das “Zielgebiet” der NAC-Kamera wird einige der größten Methan-Seen in dieser Region – nämlich Bolsena Lacus, Neagh Lacus und Ladoga Lacus – beinhalten.

In der Phase der dichtesten Annäherung wird schließlich das RADAR-Instrument von Cassini die wissenschaftlichen Arbeiten der Raumsonde dominieren. Unmittelbar vor der dichtesten Annäherung soll das Instrument die südlichen und östlichen Bereiche des Kraken Mare, des mit einer Fläche von etwa 400.000 Quadratkilometer größten Methansees auf dem Titan im SAR-Modus abtasten. Kurz darauf wird das Ligeia Mare, ein weiterer mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllter See, in den Aufnahmebereich des RADAR rücken.

Durch die Messungen, so die Erwartungen der Wissenschaftler der Cassini-Mission, können minimalste Höhenunterschiede auf der Oberfläche dieser Seen erkannt werden, welche sich im Millimeterbereich bewegen und die durch Wellenbewegungen ausgelöst werden, welche ihren Ursprung in Windeinflüssen, durch die Strömungen der diversen Zuflüsse von Kohlenwasserstoffverbindungen oder in Gezeitenbewegungen haben können. In der Abflugphase wird sich das RADAR dann unter anderem auf die Region Ardiri – hierbei handelt es sich um ein ausgedehntes Dünenfeld im Bereich des Äquators des Titan – richten.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, LPG Nantes
Über dem Südpol des Titan befindet sich ein ausgedehnter Wolkenwirbel. Die hier gezeigten Falschfarbenaufnahmen dieser Formation wurden am 22. Mai und am 7. Juni 2012 mit dem VIMS-Spektrometer der Raumsonde Cassini im infraroten Wellenbereich des Lichts erstellt
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, LPG Nantes)

Im Anschluss an diese Beobachtungen wird sich erneut die ISS-Kamera auf den Titan ausrichten und diesen bis zum 25. Mai mehrfach abbilden. Die dabei anzufertigenden Aufnahmen sollen genutzt werden, um eine bereits bestehende topografische Karte der Titanoberfläche noch weiter zu verfeinern. Zudem wird die ISS-Kamera einen über dem Südpol des Titan befindlichen Wolkenwirbel mit einer zuvor nicht erreichten Auflösung abbilden.

Am 26. Mai 2013 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 9.38 MESZ in einer Entfernung von rund 1,3 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und damit auch diesen 191. Orbit um den Ringplaneten beenden. Für den dann beginnenden Orbit Nummer 192 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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