Cassinis Saturn-Orbit Nummer 154

Bereits am 3. September 2011 begann der 154. Orbit der Raumsonde Cassini um den Saturn. Währed des 20 Tage dauernden Umlaufs werden mehrere nahe Vorbeiflüge an verschiedenen Saturnmonden erfolgen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society.

NASA, JPL, Space Science Institute, Bearbeitung: Emily Lakdawalla (The Planetary Society)
Die Einzelaufnahmen für diese Mosaikaufnahme fertigte die Raumsonde Cassini am 22. August 2011 an.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute, Bearbeitung: Emily Lakdawalla (The Planetary Society))

Bereits am 3. September erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum Saturn. Dabei befand sich Cassini in einer Entfernung von etwa 2,71 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 153. Umlauf um den Ringplaneten. Die Raumsonde wird sich auch in den kommenden acht Monaten weiterhin auf einer Orbitbahn bewegen, welche fast genau auf einer Ebene mit der Ringebene des Saturn sowie den Umlaufbahnen mehrerer größerer Saturnmonde verläuft.

Diese gegenwärtige äquatoriale Flugbahn der Raumsonde ermöglicht es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern unter anderem, die Kanten der Saturnringe abzubilden. Durch die Auswertung dieser Bilder ist es somit zum Beispiel möglich, deren vertikale Ausdehnung zu bestimmen. Zudem ist aus dieser Perspektive ein Blick auf die Wolkenschichten in der Saturnatmosphäre gegeben, welcher nur minimal durch das Ringsystem des Planeten oder einen von den Ringen auf den Saturn geworfenen Schatten beeinträchtigt ist.

Wie bereits die vorherigen Umläufe wird auch der am gestrigen Tag begonnene Orbit, er trägt die Bezeichnung “Rev 152”, von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern überwiegend dazu genutzt werden, den Ringplaneten und den größten seiner 62 bisher bekannten Monde, den etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, mit verschiedenen Instrumenten zu untersuchen und aus unterschiedlichen Entfernungen mit der ISS-Kamera der Raumsonde abzubilden. Den Höhepunkt dieser Untersuchungen bildet dabei ein am 12. September erfolgender dichter Vorbeiflug am Titan.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, eines von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des jetzigen, 20 Tage dauernden Orbits insgesamt 61 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Der überwiegende Teil dieser Beobachtungen wird dabei erneut das gewaltige Sturmgebiet zum Ziel haben, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnt (Raumfahrer.net berichtete).

Wikipedia
An den Lagrangepunkten L1 bis L5 heben sich die Gravitationskräfte benachbarter Himmelskörper und die Zentrifugalkraft der Bewegung gegenseitig auf. Nur die Punkte L4 und L5 sind dabei stabil genug, um kleinere Objekte dauerhaft zu binden.
(Bild: Wikipedia)

Die ISS-Kamera nimmt ihre Beobachtungen am 5. September auf. An diesem Tag soll die Kamera die Region um den Lagrange-Punkt L5 des Mondes Iapetus abbilden. An den fünf Lagrangepunkten heben sich die Gravitationskräfte benachbarter Himmelskörper und die Zentrifugalkraft der Bewegung gegenseitig auf. Dadurch entstehen an diesen Punkten Zonen mit einem niedrigen Gravitationspotenzial. Drei der Lagrange-Punkte, nämlich L1, L2 und L3, sind dabei relativ instabil, so dass bereits leichte gravitative Wechselwirkungen zu einem Entweichen von eventuell dort befindlichen Objekten führen können. Die Punkte L4 und L5, welche sich 60 Grad vor beziehungsweise hinter dem Himmelskörper befinden, sind dagegen stabil, so dass sich dort kleinere Objekte sammeln und anschließend über einen nahezu unbegrenzt langen Zeitraum aufhalten können.

Im Mondsystem des Saturn befindet sich so zum Beispiel der kleine Mond Telesto in der L4-Region des größeren Mondes Tethys, während der Mond Calypso sich in der Region von dessen L5-Punkt befindet. Der L5-Punkt von Dione wird dagegen von dem Mond Polydeuces eingenommen. Die geplante Beobachtung des L5-Punktes von Iapetus dient der Suche nach einem eventuell dort befindlichen und bisher noch unentdeckten weiteren Begleiter des Ringplaneten. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler sollte es möglich sein, eventuelle dort befindliche Monde mit einer Größe von bis zu 90 Metern Durchmesser zu entdecken. Weitere vergleichbare Beobachtungen sind am 21. und 22. September für die L5-Regionen der Monde Rhea und Dione vorgesehen.

Am 6. September rückt das Sturmgebiet über der nördlichen Saturnatmosphäre in den Fokus der Beobachtungen, welches dabei durch die ISS-Kamera mit mehreren Filtern abgebildet werden soll. Bis zum 22. September sind weitere 22 Beobachtungen vorgesehen. Durch den Vergleich der dabei gewonnen Bilder wollen die Cassini-Wissenschaftler den Zug dieses Sturmgebietes und Veränderungen in dessen Ausdehnung dokumentieren.

NASA, JPL, Space Science Institute
Die Titanatmosphäre am 3. Mai 2006 (Abbildung A) und am 2. April 2010 (Abbildung B). Die Abbildungen C und D zeigen die in diesem Zeitraum verringerte Höhe der Dunstschichten in der Atmosphäre des Mondes.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Im Anschluss an die Saturn-Beobachtung stehen verschiedene astrometrische Beobachtungen von mehreren kleineren Saturnmonden auf dem Arbeitsprogramm der Raumsonde. Das wissenschaftliche Ziel der dabei erfolgenden Abbildungen der Monde Pallene, Anthe, Methone, Epimetheus und Atlas besteht darin, die bisher verfügbaren Daten über deren jeweilige Umlaufbahnen noch weiter zu verfeinern. Die entsprechenden Fotosequenzen werden allerdings durchweg aus größeren Distanzen angefertigt, so dass im Rahmen dieser Beobachtungen keine Oberflächendetails der jeweiligen Monde aufgelöst werden können. Bis zum 21. September sollen fünf weitere astrometrische Beobachtungskampagnen durchgeführt werden.

Für den 8. September ist nach einer kurzen Zündung der Triebwerke – dieses Manöver dient einer Kurskorrektur der Raumsonde – eine 21-stündige Beobachtung des kleinen, irregulär geformten Saturnmondes Paaliaq vorgesehen. Aus den Variationen in der sich dabei ergebenden Lichtkurve soll dessen Rotationsperiode näher bestimmt werden. Diese Beobachtung ist Bestandteil einer langfristig angelegten Kampagne, in deren Verlauf mehrere der kleinen, äußeren Saturnmonde unter verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abgebildet werden. Trotz der großen Distanz zwischen den Monden und der Raumsonde kann Cassini bei derartigen Beobachtungen wertvolle Daten über deren Ausdehnung, die sich daraus ergebende Gestalt und die Neigung der Rotationsachsen gewinnen.

Am 12. September wird Cassini schließlich um 04:50 Uhr MESZ den Mond Titan im Rahmen eines gesteuerten Vorbeifluges mit einer Geschwindigkeit von 5,8 Kilometern pro Sekunde in einer Höhe von 5.821 Kilometern passieren. Dieses mit der Bezeichnunmg “T-78” belegte Manöver stellt den bisher 79. zielgerichteten Vorbeiflug an dem Mond dar und dient in erster Linie der Untersuchung der Atmosphäre dieses Mondes.

Während der Anflugphase wird dazu das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) auf den Mond ausgerichtet sein. Das Instrument wird dabei eine Vielzahl von Temperaturmessungen durchführen und zudem die Aerosol-Dichte in der Mondatmosphäre über dem Südpol bestimmen. Unmittelbar vor der größten Annäherung wird ein weiteres Spektrometer, das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), zusammen mit der ISS-Kamera eine Sternbedeckung, eine sogenannte Okkultation, beobachten. Dabei wird der 4,93 Magnitude helle Stern Chi Aquaari im Sternbild Wassermann langsam durch den Titan verdeckt. Durch den dabei erkennbaren Helligkeitsabfall in der Lichtkurve des Sterns erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau und die Dichte der Titanatmosphäre.

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Diese Falschfarbenaufnahme der vom Südpol des Mondes Enceladus ausgehenden Plumes wurde am 27. November 2005 aus einer Entfernung von rund 148.000 Kilometern durch die NAC-Kamera der Cassini-Sonde angefertigt.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Das gleiche Schauspiel wird sich kurz darauf während der Phase der dichtesten Annäherung von Cassini an den Titan wiederholen. Dabei wird dann das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS) beobachten, wie sich der Titan langsam vor die Sonne schiebt. Auch hierbei steht die Untersuchung der Titanatmosphäre im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Das UVIS wird in der Lage sein, ein detailliertes vertikales Profil der Stickstoffverteilung innerhalb der Titanatmosphäre in einer Höhe von 900 bis 2.300 Kilometern zu erstellen. Stickstoff bildet mit einem Anteil von 98,4 Prozent den Hauptbestandteil der Atmosphäre des Mondes, ist in dieser jedoch nicht gleichmäßig verteilt.

Mit zunehmender Höhe nimmt jedoch der Anteil von Methan, welches über eine geringere Dichte verfügt, zu. Mit den so gewonnenen Daten über die Stickstoffverteilung lassen sich auch Aussagen über die vorherrschenden atmosphärischen Temperaturen in unterschiedlichen Höhen über der Oberfläche tätigen. Ein Einsatz des RADAR-Instrumentes, mit dessen Hilfe die Wissenschaftler erst kürzlich einen weiteren Krater auf der Titanoberfläche nachweisen konnten (Raumfahrer.net berichtete) ist dagegen diesmal aufgrund der verhältnismäßig großen Entfernung zur Mondoberfläche nicht vorgesehen.

Am 14. September wird die Raumsonde schließlich um 01:01 Uhr MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn, während ihres 154. Orbits erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich Cassini 134.710 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Während der Periapsis werden sich sieben der Saturnmonde in einem Abstand von weniger als 100.000 Kilometern zu Cassini befinden. Drei von diesen Monden sollen dabei durch die ISS-Kamera abgebildet werden.

Das erste dabei vorgesehene Ziel ist der Mond Enceladus, welcher sich der Raumsonde aus einer Entfernung von 42.224 Kilometern lediglich als schmale Sichel präsentieren wird. Die ISS-Kamera soll diese günstige Perspektive dazu nutzen, um speziell die von der Südpolregion dieses Mondes ausgehenden Fontänen aus Gas und Wassereiskristallen abzubilden und nach weiteren Plumes zu suchen. Die beiden anderen Kampagnen haben die Monde Pallene und Tethys zum Ziel.

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Diese Aufnahme des Mondes Hyperion wurde am 25. August 2011 aus einer Entfernung von rund 25.000 Kilometern aufgenommen.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Am 16. September steht dann eine weitere Begegnung mit dem Mond Hyperion an, welcher von der Raumsonde im Rahmen eines nicht gesteuerten Vorbeifluges in einer Entfernung von 58.015 Kilometern passiert werden wird. Dieser Mond wurde von Cassini zuletzt am 25. August 2011 während des Orbits Nummer 142 in einer Entfernung von 24.978 Kilometern passiert und bei dieser Gelegenheit intensiv mit der ISS-Kamera abgebildet. Der rund 270 Kilometer durchmessende und sehr unregelmäßig geformte Mond Hyperion umkreist den Saturn in einem mittleren Abstand von 1,464 Millionen Kilometern innerhalb von 21 Tagen, 6 Stunden und 43 Minuten. Seine Bahn weist dabei eine Exzentrizität von 0,0175 auf und ist um 0,568 Grad gegenüber der Äquatorebene des Saturn geneigt.

Allerdings zeigt die Rotation von Hyperion ein sehr “chaotisches Verhalten”. Die daraus resultierende ungewöhnliche Taumelbewegung des Mondes hat zur Folge, dass die Wissenschaftler zwar wissen, wo sich der Mond zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Sie können allerdings nicht genau sagen, welcher Bereich der Oberfläche während eines Vorbeifluges in den Aufnahmebereich der Cassini-Instrumente gelangen wird.
Bei dem letzten Vorbeiflug gelangten dabei allerdings anscheinend auch Gebiete in den Sichtbereich der ISS-Kamera, welche zuvor noch nicht abgebildet werden konnten. Die Analyse dieser am 25. August gewonnenen Bilddaten dauert gegenwärtig noch an. Von den Daten erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über Helligkeitsveränderungen auf der Oberfläche von Hyperion, welche unter anderem Aufschlüsse über die dort befindlichen Materialien und die Oberflächenstruktur ermöglichen sollten.

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Eine weitere Hyperion-Aufnahme vom 25. August 2011.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Am 17. September stehen schließlich zwei Beobachtungen von gegenseitigen Bedeckungen verschiedener Saturnmonde auf dem Arbeitsprogramm der ISS-Kamera. Zuerst wird Eneceladus vor dem Titan vorbeiziehen und dabei dessen südliche Hemisphäre bedecken. Enceladus wird dabei 1,59 Millionen Kilometer von Cassini entfernt sein, während die Entfernung zum Titan rund 3 Millionen Kilometer betragen wird. Neunzig Minuten später wird der 2,1 Millionen Kilometer entfernte Mond Dione die nördliche Äquatorregion von Titan passieren. Auch diese Aufnahmen dienen der exakten Bestimmung der genauen Umlaufbahnen und Umlaufzeiten dieser Monde.

Für die folgenden fünf Tage sind weitere astrometrische Beobachtungen der kleineren Monde, eine Titan-Beobachtung aus rund 3,31 Millionen Kilometern Entfernung und eine Saturn-Beobachtungssequenz zur Studie des dortigen Sturmgebietes vorgesehen. Am 22. September wird Cassini schließlich in einer Entfernung von rund 2,4 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und den 154. Orbit um den Ringplaneten beenden. Während des damit beginnenden Orbits Nummer 155 wird am 1. Oktober ein zielgerichteter Vorbeiflug an dem Mond Enceladus erfolgen. Cassini wird diesen geologisch aktiven Mond in einer Höhe von lediglich 99 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 7,4 Kilometern pro Sekunde passieren.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission für das Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.

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