„Wir Wissenschaftler werden uns einmischen“. Forschungszentrum DESY startet Dialog-Offensive in Hamburg. Eine Pressemeldung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY – ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft.
Quelle: DESY.
„Wir werden entschiedener auftreten“, versprach DESY-Direktor Helmut Dosch am Montagabend auf der Podiumsdiskussion „Freiheit der Wissenschaft in Gefahr!“, zu der das Forschungszentrum hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft eingeladen hatte. Die Debatte, bei der die weltweit problematische Lage für die Wissenschaft aufgezeigt wurde, ist Auftakt der DESY-Dialog-Offensive für eine gesellschaftlich engagierte Forschung.
„Fake News und Populismus, die Angst vor Spionage und Attentaten, politische Abschottung – die aktuellen Entwicklungen auf der politischen Weltkarte haben einen verheerenden Einfluss auf die weltweit vernetzte Wissenschaft“, fasst Physiker und TV-Moderator Ranga Yogeshwar die Situation zusammen. Klimaforscher Hartmut Graßl vermutet: „Heute scheinen Emotionen und Ideologie mehr zu zählen als Wissen.“ Physiker und Astronaut Ulrich Walter warnt: „Die Menschen glauben nicht mehr an die Wissenschaft.“ Und Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik befürchtet, „dass Wissenschaft durch Machtpolitik militarisiert wird.“
DESY-Direktor Helmut Dosch fordert deshalb selbstkritisch mehr Engagement von Forschenden – in der Öffentlichkeit und in der Politik: „Es ist auch unsere Aufgabe, Erkenntnisse aus der Forschung verständlich zu machen. Wir werden besser erklären und Wissenschaftsskeptikern sachlich, aber entschieden begegnen“. In Richtung Politik sendet er ein deutliches Signal: „Wir müssen international zu einer faktenbasierten Politik zurückfinden und politische Eingriffe in die Forschung verhindern.“ Dosch verspricht: „Wir Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen werden uns einmischen!“
Einigkeit herrscht darüber, gemeinsame Werte wie Transparenz zu wahren und internationale Kooperationen zu stärken. „Für die Wissenschaft gilt, was auch in der Außenpolitik zählt“, sagt Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt. „Nur durch die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg können wir die Probleme einer zunehmend komplexen Welt lösen.“ Denn, so Charlotte Lindberg Warakaulle, Direktorin für Internationale Beziehungen am europäischen Teilchenforschungszentrum CERN bei Genf: „Das Ende der Zusammenarbeit ist das Ende der Wissenschaft.“
Türkei, Brasilien, Ungarn, USA: In vielen Ländern erfahren Forschende Einschränkungen und Restriktionen wie Kürzungen der Mittel, Ein- und Ausreisebeschränkungen oder gar den Ausschluss von internationalen Forschungsprojekten. DESY-Direktor Helmut Dosch sagt: „Mich erreichen Hilferufe aus Ungarn und Absagen für Konferenzen von US-Wissenschaftlern. Diese Podiumsdiskussion von DESY ist ein Signal an die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft, die Politik und die Gesellschaft: Wir müssen uns klar zu Wissen als unseren Rohstoff der Zukunft bekennen und hörbar gegen Populismus auftreten.“ Ulrike Beisiegel, Präsidentin der Universität Göttingen a.D., die DESY zukünftig in Ethikfragen berät, bekräftigt: „Es ist wichtig, Orte und Gelegenheiten für den Diskurs zu schaffen und damit auch Wissenschaftskritiker zu erreichen.“
Bereits im DESY-Jubiläumsjahr 2020, in dem das Forschungszentrum sein 60-jähriges Bestehen feiert, will DESY-Direktor Helmut Dosch den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern ausbauen. „Als Forschende fühlen wir uns der Gesellschaft verpflichtet. Die Menschen sollen wissen, dass sie der Wissenschaft vertrauen können. Deshalb werden wir in einen intensiveren Dialog eintreten, verständlich und auf Augenhöhe.“ Mit verschiedenen Formaten sollen aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen erörtert und wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu erklärt werden. Ab 2023 entstehen mit zwei innovativen Besucherzentren auf dem DESY-Campus und auf dem Gelände des European XFEL Orte für einen intensiven Austausch von Forschung und Öffentlichkeit.