Das RADAR-Instrument der Raumsonde Cassini konnte in den letzten Jahren diverse Seen auf der Oberfläche des Saturnmondes Titan nachweisen, welche die Radarstrahlen allerdings in einem unterschiedlichen Ausmaß reflektieren. Der Grund hierfür könnte sein, dass einige dieser Seen von Eisschollen aus Methaneis bedeckt sind.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.
In den letzten Jahren haben sich die Hinweise darauf verdichtet, dass auf dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dem größten der 62 bisher bekannten Saturnmonde, ein regelrechter Flüssigkeitskreislauf stattfindet, welcher im Gegensatz zu dem vergleichbaren Kreislauf auf der Erde allerdings nicht auf Wasser basiert. Bei Oberflächentemperaturen von rund minus 180 Grad Celsius regnen Methan und Ethan aus den Wolken ab, welche sich anschließend in ausgedehnten Abflusssystemen sammeln, von wo aus diese flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen zu verschiedenen Seen transportiert werden. Derzeit sind den Planetenforschern etwa 400 Seen auf der Titanoberfläche bekannt, welche sich größtenteils auf der nördlichen Hemisphäre des Mondes befinden.
Somit hat sich der Titan neben der Erde als der einzige bekannte Ort innerhalb unseres Sonnensystems herauskristallisiert, an dem auch gegenwärtig ein Flüssigkeitskreislauf stattfindet. Aus den daran beteiligten Kohlenwasserstoffen könnten sich unter bestimmten Bedingungen auch komplexere organische Verbindungen bilden, welche als die „Grundbausteine des Lebens“ angesehen werden. Unter den Exobiologen gilt der Titan daher als einer der derzeit aussichtsreichsten Kandidaten für den Nachweis von extraterrestrischen Lebensformen.
„Eine der faszinierendsten Fragen in Bezug auf diese Seen ist, ob sie eventuell irgendeine exotische Form von Leben beherbergen könnten“, so Jonathan I. Lunine von der Cornell University in Ithaca/USA und Mitarbeiter der Cassini-Mission, welche den Saturn und seine Monde bereits seit dem Sommer 2004 ausführlich mit 12 wissenschaftlichen Instrumenten untersucht. Zusammen mit seinem Kollegen Jason D. Hofgartner hat er jetzt untersucht, ob sich auf der Oberfläche dieser Seen eventuell Eisschollen aus gefrorenen Kohlenwasserstoffen bilden könnten.
Die Bildung von schwimmendem Kohlenwasserstoffeis, so die beiden Wissenschaftler, könnte das Vorhandensein einer interessanten Chemie an den Übergangszonen zwischen dem flüssigen und dem festen Aggregatzustand des Methans ermöglichen. Solche „Übergangszonen“ haben eventuell auch in der Entwicklungsgeschichte unseres Heimatplaneten bei der Entstehung des irdischen Lebens eine wichtige Rolle gespielt.
Bisher gingen die Planetenforscher jedoch prinzipiell davon aus, dass sich auf der Oberfläche der Titan-Seen kein Kohlenwasserstoffeis befinden kann, da gefrorenes Methan über eine größere Dichte verfügt als flüssiges Methan. Gefrorene Kohlenwasserstoffverbindungen würden somit unmittelbar nach ihrer Bildung aufgrund ihres Gewichtes in die Tiefe absinken und sich am Grund der betroffenen Seen ablagern. In ihrem neu erstellten Modell kamen Hofgartner und Lunine jedoch zu dem Schluss, dass dieser Fall nur dann eintritt, wenn es sich dabei um kompaktes Eis ohne jegliche Porositäten oder Gaseinschlüsse handelt.
Bei den neu durchgeführten Analysen wurde speziell berechnet, unter welchen Bedingungen sich Methaneis auf dem Titan bildet und welche Eigenschaften es danach ausweist. Hierbei wurden auch die bei verschiedenen Temperaturen erfolgenden Interaktionen zwischen den Kohlenwasserstoffen, mit denen die Seen gefüllt sind, und der Titanatmosphäre berücksichtigt.
Die beiden Wissenschaftler kamen dabei zu dem Schluss, dass sich auf den Oberflächen der Titanseen anscheinend tatsächlich längerfristig existierende Eisschollen bilden könnten. Deren Fortbestehen an der Oberfläche der Seen hängt jedoch davon ab, in welchem Verhältnis die einzelnen Kohlenwasserstoffe – speziell Methan und Äthan – im Rahmen der Eisbildung miteinander vermischt wurden und ob bei dem Gefriervorgang zusätzlich gasförmiger Stickstoff – dieser ist mit einem Anteil von rund 98 Prozent der Hauptbestandteil der Titanatmosphäre – in das entstehende Eis eingebettet wurde. Der Stickstoff würde sich dabei als Gaseinschluss in Poren ablagern und dem Methaneis zusätzlichen Auftrieb verleihen. Dieser Effekt eines Auftriebes, so das Ergebnis der Studie, würde auftreten, sobald mindestens fünf Prozent Stickstoff in das Eis eingebettet sind.
Diese Ergebnisse könnten auch die bisherigen Messergebnisse des RADAR-Instrumentes an Bord des Saturnorbiters Cassini erklären, durch dessen Daten in den vergangenen Jahren der Nachweis von Methanseen auf der Oberfläche von Titan gelang. In den Radardaten der Raumsonde präsentieren sich die bisher entdeckten Seen über die letzten Jahre hinweg in einer unterschiedlichen Helligkeit. Die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler gehen mittlerweile davon aus, dass Seen, deren Oberflächen vollständig mit einer Flüssigkeit überzogen und die somit extrem „glatt“ sind, auf den Radaraufnahmen aufgrund des so entstehenden schlechteren Reflektionsvermögens sehr dunkel erscheinen. Seen, welche dagegen zu mindestens teilweise mit einer entsprechend unebenen Eisschicht überzogen sind, erscheinen dagegen etwas heller.
Das „Schwimmverhalten“ der gefrorenen Kohlenwasserstoffe, so Hofgartner und Lunine, wird dabei jedoch auch unmittelbar von der Umgebungstemperatur beeinflusst. Auf der Oberfläche schwimmendes Methaneis bildet sich, sobald die Temperatur auf der Titanoberfläche auf einen Wert von unterhalb von minus 182,75 Grad Celsius – dem Gefrierpunkt des Methans – absinkt. Fällt die Temperatur jedoch nur um wenige Grade weiter ab, so würde dieses Eis trotz der darin enthaltenen Stickstoffeinschlüsse dann ebenfalls absinken.
Bei Temperaturen, welche sich unmittelbar um den Gefrierpunkt von Methan herum bewegen, könnte es dagegen sowohl auf der Oberfläche der Seen schwimmendes Eis geben, als auch Eisablagerungen, welche sich am Grund der Seen befinden. Speziell dieses am Grund abgelagerte Eis würde dann jedoch bei einem erfolgenden Ansteigen der Temperaturen auf der Titanoberfläche und der dadurch bedingten Erwärmung der Seen wieder an deren Oberflächen aufsteigen.
Die beiden Wissenschaftler sagen aus diesem Grund voraus, dass Cassini in den nächsten Jahren parallel zu dem saisonal bedingten Wechsel der Jahreszeiten und den damit verbundenen veränderten Temperaturen beobachten könnte, wie die Seen auf der Titanoberfläche im Bereich der Radarwellen zunächst „dunkler“ werden, da das auf den Seen schwimmende Eis schmilzt. Dadurch würde die Oberfläche der Seen glatter und würde weniger Radarwellen zurück zu Cassini reflektieren. Bei einer weiteren Erwärmung der Titanoberfläche sollten die Seen dann wieder heller werden, da nun das Eis vom Grund der Seen an die Oberfläche aufsteigen müsste. Dieses würde die Oberfläche jetzt zusätzlich „aufrauhen“ und die Radarwellen somit besser reflektieren und die Seen heller erscheinen lassen. Schließlich schmilzt auch dieses Eis und die Oberfläche wird in den Radarbildern wieder dunkler.
„Der verlängerte Aufenthalt von Cassini im Saturnsystem gibt uns die einmalige Möglichkeit, die jahreszeitlichen Veränderungen auf dem Titan zu verfolgen“, so Linda Spilker, Projektwissenschaftlerin der Cassini-Mission am Jet Propulsion Laboratory der NASA. „So haben wir die Gelegenheit um zu überprüfen, ob diese Theorie richtig ist.“ Ein Fachartikel, welcher sich näher mit den möglichen Eisschollen auf den Titanseen auseinandersetzt, wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Icarus unter dem Titel „Does ice float in Titan’s lakes and seas?“ veröffentlicht.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.
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