Matthias Schott erhält ERC Consolidator Grant für neuartige Suche nach Axionen. Daten des Large Hadron Collider (LHC) am CERN könnten helfen, lang gesuchte Axionen aufzuspüren. Eine Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Axionen sind hypothetische Elementarteilchen, welche Physiker zunächst postuliert haben, um eine theoretische Unzulänglichkeit der starken Wechselwirkung, das sogenannte starke CP Problem, zu lösen. In den vergangenen Jahren stellte sich jedoch heraus, dass Axionen oder axionartige Teilchen (ALPs) auch weitere Rätsel der modernen Physik lösen könnten: Sie werden als vielversprechende Kandidaten der dunklen Materie gehandelt und könnten zudem die Theorie-Experiment-Diskrepanz für den Wert des anomalen magnetischen Moments des Myons erklären, wie etwa Mainzer Physiker kürzlich zeigen konnten. Die Suche nach solchen ALPs ist daher hochaktuell. „In den letzten Jahren haben Physikerinnen und Physiker zahlreiche Experimente entwickelt, vor allem um nach sehr leichten ALPs als Kandidaten für die Dunkle Materie zu suchen“, erläutert Prof. Dr. Matthias Schott. „Wir schlagen nun erstmals ein detailliertes Forschungsprogramm am ATLAS-Experiment des LHC vor, mit dem wir gezielt nach relativ schweren ALPs suchen können, welche das Rätsel um das anomale magnetische Moment des Myons erklären können.“
Diese Suche kann jetzt beginnen: Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) unterstützt das Projekt „Search for Axion-Like-Particles at the LHC – Light@LHC“ mit einem ERC Consolidator Grant für Matthias Schott in Höhe von mehr als 1,5 Millionen Euro. Das Projekt wird in den kommenden fünf Jahren am Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) realisiert.
Neue Analyse-Algorithmen beruhen auf künstlicher Intelligenz
Wenn der LHC, der weltgrößte Teilchenbeschleuniger, nach der großen Betriebspause 2021 wieder an den Start geht, wollen die Forscher um Matthias Schott bei Kollisionen von Protonen oder Blei-Atomen vor allem zwei Prozesse unter die Lupe nehmen: Im ersten wird angenommen, dass ein Higgs-Boson in zwei ALPs und diese wiederum in je zwei Photonen zerfallen, im zweiten wird postuliert, dass sich ALPs zunächst aus zwei Photonen bilden und anschließend wieder in zwei Photonen zerfallen.
Was einfach klingt, ist technisch hochkompliziert. „Wir brauchen dazu völlig neue Ansätze, um Photonen zu identifizieren und die Ergebnisse zu analysieren“, verdeutlicht Matthias Schott. „Um die benötigte Empfindlichkeit zum Nachweis der Photonen zu erreichen, müssen wir beispielsweise spezielle Rekonstruktions-Algorithmen entwickeln, welche auf modernen Ansätzen der künstlichen Intelligenz beruhen. Natürlich hoffen wir, dass sich diese Entwicklungen auch in vielen anderen Physikbereichen am ATLAS-Experiment auszahlen werden.“ Doch es geht noch weiter: Selbst mit den speziell weiter entwickelten Algorithmen, mit denen die Forscher einen sehr großen Suchbereich abdecken können, können sie nicht alle ALPs, die sie ins Visier genommen haben, „erwischen“. Um auch diese Lücke zu schließen, wird am CERN voraussichtlich ab 2021 ein neues Experiment in einem Seitentunnel des LHC die Arbeit aufnehmen: Etwa 480 Meter hinter dem ATLAS-Experiment soll der FASER-Detektor vor allem solche Teilchen registrieren, die so schwach mit anderen Teilchen wechselwirken, dass sie einfach weiter geradeaus fliegen und so für die bisherigen Detektoren unsichtbar sind. „Damit ist FASER sozusagen prädestiniert für die Suche nach ALPs – im Rahmen des ERC Grant ist geplant, eine speziell hierfür konzipierte Komponente des Detektors in Mainz aufzubauen und dann zum CERN zu transportieren.“
ERC Consolidator Grant für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
Der ERC Consolidator Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU für einzelne Wissenschaftler. Der Europäische Forschungsrat fördert damit herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 7 bis 12 Jahre nach der Promotion, wenn das eigene Forschungsprogramm ausgebaut wird. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragsteller den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten.
Matthias Schott, 1979 in Nürnberg geboren, studierte Physik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der University of Cambridge, Großbritannien, und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2008 erhielt er eines der renommierten Fellowships am Genfer Forschungszentrum CERN und aufgrund seiner ausgezeichneten Forschungsleistungen 2010 eine CERN Research-Staff Stelle. Im August 2012 kam Matthias Schott an die JGU, wo er eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Emmy Noether-Nachwuchsgruppe einrichtete; später erhielt er eine von der Volkswagenstiftung geförderte Lichtenberg-Professur, die auf die hochpräzise Messung der Masse des W-Bosons an großen Beschleunigern abzielt. Nach Forschungsaufenthalten am Massachusetts Institute of Technology und am University College London setzt Matthias Schott seine Forschung als W3 Professor für Experimentelle Teilchenphysik an der JGU fort.
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