Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation, weil es den Begleitstern, der es umkreist, in eine merkwürdige „Taumelbewegung“ versetzt. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).
Quelle: ESON 16. April 2024.
16. April 2024 – Um die genaue Masse des schwarzen Lochs zu bestimmen, wurden Daten des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) und anderer bodengestützter Observatorien herangezogen. Sie beziffern die Masse des schwarzen Lochs auf das 33-fache der Sonne.
Stellare schwarze Löcher entstehen durch den Kollaps massereicher Sterne. Die bisher in der Milchstraße nachgewiesenen schwarzen Löcher haben im Durchschnitt etwa die zehnfache Masse der Sonne. Selbst das nächstmassereiche stellare schwarze Loch in unserer Galaxie, Cygnus X-1, erreicht nur 21 Sonnenmassen, was diese neue Beobachtung mit 33 Sonnenmassen außergewöhnlich macht [1].
Außerdem ist dieses schwarze Loch extrem nah an uns dran – mit einer Entfernung von nur 2000 Lichtjahren im Sternbild Aquila ist es das schwarze Loch, das der Erde am zweitnächsten ist. Es wurde als Gaia BH3 oder kurz BH3 bezeichnet und entdeckt, als das Team die Gaia-Beobachtungen zur Vorbereitung einer bevorstehenden Datenfreigabe überprüfte. „Niemand hat damit gerechnet, ein massereiches schwarzes Loch zu finden, das in der Nähe lauert und bisher unentdeckt geblieben ist“, sagt Pasquale Panuzzo, Astronom am Observatoire de Paris, das zum französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) gehört. „Diese Art von Entdeckung macht man nur einmal in seinem Forscherleben.“
Zur Bestätigung ihrer Entdeckung nutzte die Gaia-Kollaboration Daten von bodengestützten Observatorien, unter anderem vom Ultraviolet and Visual Echelle Spectrograph (UVES)-Instrument am VLT der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste [2]. Diese Beobachtungen ergaben wichtige Eigenschaften des Begleitsterns, die es den Astronominnen und Astronomen in Verbindung mit den Gaia-Daten ermöglichten, die Masse von BH3 genau zu bestimmen.
Astronominnen und Astronomen haben ähnlich massereiche schwarze Löcher außerhalb unserer Galaxie gefunden (mit einer anderen Nachweismethode). Sie vermuten, dass sie aus dem Kollaps von Sternen entstehen, die in ihrer chemischen Zusammensetzung nur wenige Elemente enthalten, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium. Es wird angenommen, dass diese so genannten metallarmen Sterne im Laufe ihres Lebens weniger Masse verlieren und daher mehr Material übrig bleibt, aus dem nach ihrem Tod massereiche schwarze Löcher entstehen. Bisher gab es jedoch keine direkten Beweise für den Zusammenhang zwischen metallarmen Sternen und massereichen schwarzen Löchern.
Sterne in Paaren neigen allerdings dazu, eine ähnliche Zusammensetzung zu haben, was bedeutet, dass der Begleiter von BH3 wichtige Hinweise auf den Stern enthält, der kollabierte, um dieses außergewöhnliche schwarze Loch zu bilden. Die UVES-Daten zeigten, dass der Begleiter ein sehr metallarmer Stern war, was darauf hindeutet, dass der Stern, der zur Bildung von BH3 kollabierte, ebenfalls metallarm war – genau wie vorhergesagt.
Die von Panuzzo geleitete Untersuchung wird heute in Astronomy & Astrophysics veröffentlicht. „In Anbetracht der Einzigartigkeit der Entdeckung haben wir den außergewöhnlichen Schritt unternommen, diese auf vorläufigen Daten basierende Arbeit vor der bevorstehenden Ausgabe der Gaia-Daten zu veröffentlichen“, sagt Mitautorin Elisabetta Caffau, ebenfalls Mitglied der Gaia-Kollaboration am CNRS Observatoire de Paris. Die frühzeitige Bereitstellung der Daten ermöglicht es anderen Astronominnen und Astronomen, dieses schwarze Loch bereits jetzt zu untersuchen, ohne auf die Veröffentlichung der vollständigen Daten zu warten, die frühestens Ende 2025 erfolgen soll.
Weitere Beobachtungen dieses Systems könnten mehr über seine Geschichte und über das schwarze Loch selbst verraten. Das GRAVITY-Instrument am VLT-Interferometer der ESO könnte Astronominnen und Astronomen zum Beispiel dabei helfen, herauszufinden, ob dieses schwarze Loch Materie aus seiner Umgebung anzieht, und dieses spannende Objekt besser zu verstehen.
Endnoten
[1] Dies ist nicht das massereichste schwarze Loch in unserer Galaxie – dieser Titel gehört Sagittarius A*, dem supermassereichen schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, das etwa vier Millionen Mal so viel Masse wie die Sonne hat. Aber Gaia BH3 ist das massereichste schwarze Loch in der Milchstraße, das durch den Kollaps eines Sterns entstanden ist.
Weitere Informationen
Diese Forschungsergebnisse wurden in einer Veröffentlichung mit dem Titel „Discovery of a dormant 33 solar-mass black hole in pre-release Gaia astrometry“ (Entdeckung eines inaktiven schwarzen Lochs von 33 Sonnenmassen mittels Gaia-Astrometrie) vorgestellt, die in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics (https://www.aanda.org/component/article?access=doi&doi=10.1051/0004-6361/202449763) erscheint (DOI: 10.1051/0004-6361/202449763).
Der Artikel von P. Panuzzo et al. wurde von der Gaia-Kollaboration verfasst, an der über 300 Autoren aus der ganzen Welt beteiligt sind, darunter Österreich, Belgien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Vereinigtes Königreich, Chile und Australien.
Über die ESO
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie.
Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt.
Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt.
Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.
Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.
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