ESO: Zentralsterne zerreißen planetenbildende Scheibe

Neue Beobachtungen zeigen planetenbildende Scheibe, die von ihren drei Zentralsternen zerrissen wird. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).

Quelle: ESO, ESON.

ALMA, an dem die ESO beteiligt ist, und das Instrument SPHERE am Very Large Telescope der ESO haben GW Orionis beobachtet, ein Dreifach-Sternsystem mit einer sonderbaren inneren Region. Die neuen Beobachtungen ergaben, dass dieses Objekt eine verformte planetenbildende Scheibe mit einem schräg ausgerichteten Ring aufweist. Insbesondere das SPHERE-Bild (rechte Seite) ermöglichte es den Astronomen zum ersten Mal, den Schatten zu sehen, den dieser Ring auf den Rest der Scheibe wirft. Dies half ihnen, die 3D-Form des Rings und der gesamten Scheibe zu ermitteln. Die linke Seite zeigt einen künstlerische Darstellung der inneren Region der Scheibe, einschließlich des Rings, die auf der vom Team rekonstruierten 3D-Form basiert.
(Bild: ESO/L. Calçada, Exeter/Kraus et al.)

Astronomen haben den ersten direkten Beweis dafür gefunden, dass Gruppen von Sternen ihre planetenbildende Scheibe zerreißen können, sodass sie sich verformt und geneigte Ringe ausbildet. Diese neue Studie deutet auf die Möglichkeit hin, dass exotische Planeten, nicht unähnlich wie Tatooine in Star Wars, in verkippten Ringen innerhalb von verzerrten Scheiben um mehrere Sterne herum entstehen können. Die Ergebnisse beruhen auf Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (VLT der ESO) und dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA).

Unser Sonnensystem ist bemerkenswert flach, da alle Planeten in der gleichen Ebene kreisen. Aber das ist nicht immer der Fall, vor allem nicht bei planetenbildenden Scheiben um mehrere Sterne, wie das Objekt der neuen Studie: GW Orionis. Dieses System, das etwas mehr als 1300 Lichtjahre entfernt im Sternbild Orion liegt, hat drei Sterne und eine deformierte, auseinander gebrochene Scheibe, die diese Sterne umgibt.

„Unsere Bilder zeigen einen Extremfall, in dem die Scheibe überhaupt nicht flach ist, sondern sie sich verformt und einen schiefen Ring aufweist, der sich von der Scheibe gelöst hat“, sagt Stefan Kraus, Professor für Astrophysik an der Universität Exeter im Vereinigten Königreich, der die heute in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie leitete. Der schräge Ring befindet sich im inneren Teil der Scheibe in der Nähe der drei Sterne.

Die neue Untersuchung zeigt auch, dass dieser innere Ring 30 Erdmassen Staub enthält, die ausreichen könnten, um Planeten zu bilden. „Alle Planeten, die sich innerhalb des verkippten Rings bilden, werden den Stern auf stark schrägen Bahnen umkreisen. Wir prognostizieren, dass viele Planeten auf schrägen, weit auseinander liegenden Bahnen in zukünftigen Beobachtungskampagnen, zum Beispiel mit dem ELT, entdeckt werden“, sagt Teammitglied Alexander Kreplin von der Universität Exeter und bezieht sich dabei auf das Extremely Large Telescope der ESO, das noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb genommen werden soll. Da mehr als die Hälfte der Sterne am Himmel mit einem oder mehreren Begleitern geboren werden, ergibt sich daraus eine aufregende Perspektive: Es könnte eine unbekannte Population von Exoplaneten geben, die ihre Sterne auf sehr geneigten und weit entfernten Bahnen umkreisen.

ALMA, an dem die ESO beteiligt ist, und das Instrument SPHERE am Very Large Telescope der ESO haben GW Orionis beobachtet, ein Dreifach-Sternsystem mit einer sonderbaren inneren Region. Im Gegensatz zu den flachen, planetenbildenden Scheiben, die wir um viele Sterne herum sehen, weist GW Orionis eine verzerrte Scheibe auf, die durch die Bewegungen der drei Sterne in ihrem Zentrum deformiert wird. Das ALMA-Bild (links) zeigt die ringförmige Struktur der Scheibe, wobei der innerste Ring vom Rest der Scheibe getrennt ist. Die SPHERE-Beobachtungen (rechts) erlaubten es den Astronomen zum ersten Mal, den Schatten dieses innersten Rings auf dem Rest der Scheibe sichtbar zu machen, was es ihnen ermöglichte, seine verzerrte Form zu rekonstruieren.
(Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), ESO/Exeter/Kraus et al.)

Um zu diesen Schlussfolgerungen zu gelangen, hat das Team GW Orionis über 11 Jahre lang beobachtet. Um den Gravitationstanz der drei Sterne im System zu untersuchen und ihre Bahnen zu kartografieren, setzten sie ab 2008 die Instrumente AMBER und später GRAVITY am VLT-Interferometer der ESO in Chile ein, das das Licht von verschiedenen VLT-Teleskopen kombiniert. „Wir stellten fest, dass die drei Sterne nicht in der gleichen Ebene kreisen, sondern ihre Bahnen zueinander und zur Scheibe versetzt sind“, sagt Alison Young von den Universitäten Exeter und Leicester und Mitglied des Teams.

Sie beobachteten das System auch mit dem Instrument SPHERE am VLT der ESO und mit ALMA, bei dem die ESO Partner ist, und konnten den Innenring abbilden und seine Fehlausrichtung bestätigen. Mit dem SPHERE-Instrument der ESO konnten sie auch zum ersten Mal den Schatten sehen, den dieser Ring auf den Rest der Scheibe wirft. Dies half ihnen, die 3D-Form des Rings und der gesamten Scheibe zu ermitteln.

Das internationale Team, dem Forscher aus dem Vereinigten Königreich, Belgien, Chile, Frankreich und den USA angehören, kombinierte dann ihre ausführlichen Beobachtungen mit Computersimulationen, um zu verstehen, was mit dem System geschehen war. Zum ersten Mal konnten sie die beobachteten Verschiebungen eindeutig mit dem theoretischen „Scheibenzerreiß-Effekt“ in Verbindung bringen, der vermuten lässt, dass die gegenläufige Anziehungskraft von Sternen in verschiedenen Ebenen ihre Scheiben verformen und aufbrechen kann.

Ihre Simulationen zeigten, dass die Verlagerung in den Bahnen der drei Sterne dazu führen könnte, dass die Scheibe um die drei Sterne in verschiedene Ringe zerbricht, was genau das ist, was sie in ihren Beobachtungen sehen. Die beobachtete Form des inneren Rings stimmt auch mit Vorhersagen aus numerischen Simulationen darüber überein, wie die Scheibe zerfallen würde.

Interessanterweise ist ein anderes Team, das dasselbe System mit ALMA untersucht hat, der Meinung, dass ein weiterer Faktor erforderlich ist, um das System zu verstehen. „Wir denken, dass das Vorhandensein eines Planeten zwischen diesen Ringen notwendig ist, um zu erklären, warum die Scheibe auseinander gerissen ist“, sagt Jiaqing Bi von der Universität von Victoria in Kanada, der eine Studie über GW Orionis leitete, die im Mai dieses Jahres in The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wurde. Sein Team identifizierte drei Staubringe in den ALMA-Beobachtungen, wobei der äußerste Ring der größte ist, der jemals bei planetenbildenden Scheiben beobachtet wurde.

Diese Grafik zeigt die Lage des Dreifachsystems GW Orionis im Sternbild Orion (Der Jäger). Die Karte enthält die meisten Sterne, die bei guten Bedingungen mit bloßem Auge sichtbar sind. Die Position von GW Orionis ist durch einen roten Kreis gekennzeichnet.
(Bild: ESO, IAU and Sky & Telescope)

Zukünftige Beobachtungen mit dem ELT der ESO und anderen Teleskopen könnten den Astronomen helfen, die Natur von GW Orionis vollständig zu enträtseln und junge Planeten zu entdecken, die sich um seine drei Sterne bilden.

Weitere Informationen
Diese Forschung erschien im Artikel „A triple star system with a misaligned and warped circumstellar disk shaped by disk tearing“ in Science (doi: 10.1126/science.aba4633).

Das Team besteht aus Stefan Kraus (University of Exeter, School of Physics & Astronomy, UK [Exeter]), Alexander Kreplin (Exeter), Alison K. Young (Exeter und School of Physics and Astronomy, University of Leicester, UK), Matthew R. Bate (Exeter), John D. Monnier (University of Michigan, USA [Michigan]), Tim J. Harries (Exeter), Henning Avenhaus (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland), Jacques Kluska (Exeter und Instituut voor Sterrenkunde, KU Leuven, Belgien [KU Leuven]), Anna S. E. Laws (Exeter), Evan A. Rich (Michigan), Matthew Willson (Exeter und Georgia State University, USA), Alicia N. Aarnio (University of North Carolina Greensboro, USA), Fred C. Adams (Michigan), Sean M. Andrews (Zentrum für Astrophysik | Harvard & Smithsonian, USA [CfA]), Narsireddy Anugu (Exeter, Michigan und Steward Observatory, University of Arizona, USA), Jaehan Bae (Michigan und Carnegie Institution for Science, Washington, USA), Theo ten Brummelaar (The CHARA Array of Georgia State University, Kalifornien, USA), Nuria Calvet (Michigan), Michel Cure (Instituto de Fisica y Astronomia, Universidad de Valparaiso, Chile), Claire L. Davies (Exeter), Jacob Ennis (Michigan), Catherine Espaillat (Michigan und Boston University, USA), Tyler Gardner (Michigan), Lee Hartmann (Michigan), Sasha Hinkley (Exeter), Aaron Labdon (Exeter), Cyprien Lanthermann (KU Leuven), Jean-Baptiste LeBouquin (Michigan und Université Grenoble Alpes, CNRS, IPAG, Frankreich), Gail H. Schaefer (CHARA), Benjamin R. Setterholm (Michigan), David Wilner (CfA) und Zhaohuan Zhu (Universität von Nevada, USA).

Über die ESO
Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Die Organisation hat 16 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Hinzu kommen das Gastland Chile und Australien als strategischer Partner.

Die ESO führt ein ehrgeiziges Programm durch, das sich auf die Planung, den Bau und den Betrieb leistungsfähiger bodengebundener Beobachtungseinrichtungen konzentriert, die es Astronomen ermöglichen, wichtige wissenschaftliche Entdeckungen zu machen. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle.

Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope (VLT) und das weltweit führende Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope: VISTA im Infrarotbereich und das VLT Survey Telescope (VST) für sichtbares Licht. Am Paranal wird die ESO zukünftig außerdem das Cherenkov Telescope Array South beherbergen und betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlenobservatorium der Welt. Die ESO ist zusätzlich einer der Hauptpartner bei zwei Projekten auf Chajnantor, APEX und ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das Extremely Large Telescope (ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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