Große Ambitionen bei SpaceX

Am 16. Dezember soll die Dragonkapsel von SpaceX ein weites Mal zur ISS starten. Dabei soll die erste Stufe erstmals auf einer Seeplattform landen. Im ersten Quartal 2015 will SpaceX fünfmal starten. Darüber hinaus will SpaceX jetzt vielleicht mit großen Ambitionen in den Satellitenbau einsteigen.

Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: SpaceX, SpaceNews, NSF.

Elon Musk auf Twitter
Die Falcon 9 Landeplattform von oben aus gesehen.
(Bild: Elon Musk auf Twitter)

Dragon startet zur ISS, Falcon-Erststufe soll auf Seeplattform landen
Die nächste ISS-Versorgungsmission von SpaceX hat sich auf den 16. Dezember verschoben. Der Grund hierfür liegt in einer Anpassung des Frachtmanifests nach der spektakulären Explosion der Antares-Trägerrakete Ende Oktober. Dabei wurde der Raumfrachter Cygnus inklusive aller Fracht komplett zerstört. Viel interessanter als eine weitere Routinemission zur ISS ist natürlich die geplante Landedemonstration auf einer Seeplattform. Bei diesem Flug soll die erste Stufe der Falcon 9-Trägerrakete nach der Stufentrennung mit den Triebwerken ein Abbremsmanöver machen, den Wiedereintritt durch die Erdatmosphäre überstehen und schließlich einen zweiten Brennvorgang für die Landung auf der Seeplattform machen. Neben den ausfahrbaren Landebeinen verfügt die Falcon 9 nun auch erstmals über sogenannte Gridfins am Raketenkörper, die für eine bessere Orientierung der Rakete sorgen und vermutlich auch einen minimalen Auftrieb erzeugen können. Gridfins fand man bisher vor allem an modernen Bomben, wie der JDAM oder MOAB. Kleinere Versionen der Gridfins wurden bereits in McGregor bei Testflügen getestet. Die Seeplattform hat eine Größe von 300 Fuß x 170 Fuß (ca. 91 x 52 m). Ein erstes Bild der Plattform wurde von Elon Musk, dem Gründer von SpaceX, auf Twitter gepostet. Die Plattform kann auch bei rauher See ihren Standort auf +/- 3 Meter halten. Dafür besitzt sie vier starke Unterwasserpropeller von der Firma Thrustmaster, die zentral gesteuert werden. Die Plattform ist unbemannt und wird vermutlich von einem Begleitschiff aus ferngesteuert. Die Tatsache, dass SpaceX keine Mühe scheut und sogar eine eigene Sonderanfertigung in Auftrag gibt, anstatt eine existierende Plattform zu mieten, deutet darauf hin, dass die Plattform jetzt auch langfristig weiter genutzt werden soll. Laut NASASpaceflight.com soll die Plattform später vor allem an der Westküste der Vereinigten Staaten eingesetzt werden, um dort die Zentralstufe der Falcon Heavy zu landen. Die Booster der Falcon Heavy sollen beide zum Startplatz zurückfliegen. In Vandenberg wird gerade extra ein Startplatz demoliert, um einen Landeplatz für die Falcon Heavy Booster zu schaffen.

Elon Musk Twitter
Gridfins an der Falcon 9 für den CRS-5 Flug
(Bild: Elon Musk Twitter)

Höhere Wiederverwendungsambitionen
Aber die Ambitionen von SpaceX hören an dieser Stelle keineswegs auf! Wie Elon Musk auf Twitter weiter ausgeführt hat, scheint es auch ein langfristiges Ziel zu sein, die gelandeten Stufen auf der Seeplattform wieder abheben zu lassen und diese mit Raketenpower in die Nähe des Startplatzes zurückfliegen zu lassen. Dazu müsste die Seeplattform noch mit Tanks für flüssigen Sauerstoff, Kerosin, Helium und anderen Betriebsstoffen ausgestattet werden. Ebenfalls fehlt noch ein Startgerüst, um die Falcon wieder abheben zu lassen, und ein Kran, um die Rakete in dieses Gerüst zu heben. Damit auch das zuverlässig klappt, sind aber wohl noch viele weitere Testflüge in McGregor in Texas und demnächst auf dem Spaceport America in New Mexcio von Nöten. Neue Bilder von GoogleMaps zeigen, dass SpaceX auf dem Spaceport America ein Startplatz errichtet hat und wohl ebenfalls einen größeren Integrationshangar plant. In McGregor, wo bisherige Flüge der F9RDev1 (im Wesentlichen die Falcon 9 Erststufe) stattgefunden haben, ist Flughöhe und –dauer stark reglementiert. Nicht so auf dem Spaceport America, der ursprünglich für Richard Bransons Unternehmen Virgin Galactic errichtet wurde. Virgin Galactic hatte von dort aus suborbitale Flüge von Weltraumtouristen geplant. Aufgrund technischer Probleme hat es Virgin Galactic jedoch bisher nicht geschafft, ihr Raumschiff SpaceShipTwo ein einziges Mal auf die geplante Flughöhe zu bekommen. Mehrere hundert Millionen wurden in den Spaceport America investiert und Elon Musk kann jetzt aufgrund eines Mangels an Kunden für einen Schnäppchenpreis hier seine Falcon 9 Testflüge starten. Flughöhen bis 100 km und darüber hinaus sind möglich. Anschließend soll die Falcon 9 Erststufe hier wieder senkrecht landen. Im Sommer musste SpaceX das Testvehikel F9RDev1 leider bei einem Testflug notsprengen, weil es ein Kontrollproblem gab. Jedoch befindet sich die nächste F9Rdev2 anscheinend kurz vor der Fertigstellung. Ein erster Testflug soll im März von New Mexico aus erfolgen.

Google Maps
Der Startplatz der F9Dev2 auf Spaceport America in New Mexico.
(Bild: Google Maps)

Ausblick 2015
Der anfangs erwähnte Fehlstart der Antares-Trägerrakete ist für die herstellende Firma Orbital natürlich suboptimal. SpaceX könnte jedoch mal wieder der große Profiteur sein. Die Antares, ein potentieller Konkurrent der Falcon 9, ist erstmal am Boden und wartet auf ein neues Triebwerk. Währenddessen führt Orbital Gespräche mit diversen Startanbietern, darunter ULA, SpaceX und Arianespace, über den Start eines Cygnus-Frachttransporters auf einer anderen Trägerrakete. Aufgrund des Preisvorteils erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass SpaceX den Zuschlag bekommt. Orbital hat auch schon zwei kommerzielle Satelliten auf der Falcon 9 gestartet (Thaicom 6 und SES 8), sodass erste Erfahrungen also bereits vorliegen.

Im ersten Quartal 2015 plant SpaceX fünf Falcon 9-Missionen. Darunter sind: DSCOVR (Deep Space Climate Observatory) am 23. Januar, die Frachtmission CRS-6 zur ISS am 6. Februar und den Wettersatelliten Jason-3 am 31. März. Daneben sind noch zwei kommerzielle GTO (Geotransferorbit)-Missionen geplant. Einmal ein Doppelstart von zwei Satelliten von Boeing für ABS/Eutelsat Americas und TurkmenSat für Turkmenistan. Darüber hinaus konnte SpaceX in letzter Zeit weitere Startaufträge an Land ziehen, unter anderem für die leistungsfähigere Falcon Heavy, die noch auf ihren Erstflug wartet. Fünf Flüge sind derzeit manifestiert, darunter der Jungfernflug, eine Air Force-Nutzlast und drei kommerzielle Starts für ViaSat, Intelsat und Inmarsat. Ebenfalls geplant sind im ersten Quartal der aus 2014 verschobene Startabbruchtest von Dragon und ebenfalls der Flugabbruchtest. Bei diesen Tests zündet das Rettungssystem der Dragon 2, des geplanten bemannten Raumschiffs von SpaceX, und bringt die Kapsel sicher von der Rakete weg. Der Falcon Heavy Jungfernflug ist derzeit für 2015 geplant mit einem ersten Betankungstest der Falcon Heavy auf dem altehrwürdigen Startplatz LC-39A des Kennedy Space Centers am 1. Juli 2015. Die Klage gegen die US Air Force bezüglich des „Block Buy“ mit der Firma ULA scheint auch nicht allzu schlecht zu verlaufen. Obwohl der genaue Prozessverlauf geheim ist, weiß man immerhin, dass die Klage nicht sofort abgewiesen wurde und seit Monaten intensiv diskutiert wird. Es scheint also nicht unwahrscheinlich, dass die US Air Force zur Mediation gezwungen wird und SpaceX ein paar Flüge zugeteilt werden.

SpaceX
Der terrageformte Mars, die Vision von SpaceX
(Bild: SpaceX)

Das Satellitengeschäft
Elon Musk möchte bekanntlich den Mars kolonisieren. Dazu ist jedoch noch eine Menge technische Vorarbeit zu leisten. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, will er es erstmal schaffen, die Transportkosten um den Faktor 100 zu senken. Realistisch betrachtet kann man ihm attestieren, dass er ungefähr Faktor 2 bereits realisiert hat. Es fehlt also noch Faktor 50. Eine weitere notwendige Bedingung für fallende Preise ist die Wiederverwendbarkeit der Falcon 9 Raketenfamilie. Auch hier gibt es Fortschritte, wie bereits am Anfang dieses Artikel erwähnt. Die Wiederverwendung der zweiten Stufe wurde erstmal auf Eis gelegt und soll erst bei einer zukünftigen Designarchitektur realisiert werden, also der Nachfolgeträgerraketenfamilie der Falcon, die auf LOX/Methan setzen wird. Aber neben der Angebotsseite gibt es natürlich noch die Frage der ausreichenden Nachfrage. Sieht es derzeit so aus, dass die Satellitenindustrie auf die sinkenden Preise mit mehr Nachfrage reagiert? Sprießen neue Geschäftsmodelle explosionsartig aus dem Boden? Ein neuer Bereich ist sicherlich die aktive CubeSat-Branche, aber CubeSats bringen nur wenige Kilogramm auf die Waage, also keine signifikante Masse und damit nicht ausreichend Geld für ein Raumtransportunternehmen wie SpaceX. Die logische Konsequenz ist, dass SpaceX auch auf der Nachfrageseite für Raketenstarts aktiv werden muss und mehr Nachfrage generieren muss, zum Beispiel durch finanzielle Unterstützung von neuen Geschäftsmodellen. Oder warum nicht gleich auch als innovativer Satellitenbauer? Erste Erfahrung hat man ja bereits mit dem kapselförmigen Raumtransporter Dragon gesammelt. Als Elon Musk kürzlich am MIT zu einer Diskussion eingeladen wurde, wurde er genau nach dieser Nachfrageseite befragt. Damals war er noch ausweichend und meinte, SpaceX würde sich lediglich auf Raumtransporttechnologie konzentrieren. Wenige Zeit später sieht es schon ganz anders aus.

Nachdem das WSJ publiziert hatte, dass Elon Musk jetzt mit Greg Wyler zusammenarbeitet, einem Satellitenunternehmer, der z.B. das Unternehmen O3b (SES ist einer der Hauptinvestoren) in der Startup-Phase geleitet hat, konnte Musk eine Stellungnahme offenbar nicht umgehen. O3b liefert Satelliteninternet mit großer Datenrate und einem Ping, der für Satelliteninternet recht gut ist. Allerdings ist das O3b-Internet nicht direkt mit dem Endverbraucher verbunden, sondern verbindet sich erst mit einer lokalen Bodenstation, von welcher aus das Signal auf anderem Wege zum Endverbraucher gelangt. Dies war Greg Wyler aber offenbar nicht ambitioniert genug und hatte deshalb die Idee, ein neues Konzept zu entwickeln, bei dem sich jeder Endverbraucher direkt mit dem Satelliten verbinden kann, jederzeit und weltweit natürlich. Dazu ist eine gigantische Konstellation von mehreren hundert Satelliten im Erdorbit notwendig. Mit diesem Konzept ging er zuerst zu der Internetfirma Google. Allerdings war er von der technischen Kompetenz bei Google anscheinend nicht ausreichend überzeugt und wandte sich deshalb mit seiner Firma WorldVu an SpaceX. Musk bestätigte die Kontakte indirekt via Twitter und sprach davon, dass SpaceX immer noch in den Anfängen wäre „fortgeschrittene Micosatelliten zu entwickeln, die in großen Formationen operieren“. Eine offizielle Ankündigung solle in 2-3 Monaten folgen, das wäre Januar-Februar 2015. Denkbar wäre zum Beispiel, das Satelliteninternet dann standardmäßig in alle Tesla-Elektroautos einzubauen. Das Auto hätte dann weltweit Internetzugang, solange es unter freiem Himmel ist.

Gleichzeitig berichtete SpaceNews, dass WorldVu bei anderen Satellitenbauern Angebote für eine Konstellation von 640 Satelliten in 1200 km Höhe angefragt hätte. Dafür soll offenbar eine neue Fabrik errichtet werden, wobei WorldVu Teilhaber dieser Fabrik sein möchte. Die Rolle von SpaceX ist derweil wohl noch ungeklärt. Ob SpaceX wirklich die Satelliten baut oder nur als Investor auftritt, ist noch unklar. Dass die Satelliten mit SpaceX gestartet werden dürften, erscheint allerdings recht wahrscheinlich. Nun nehmen wir mal an, dass dieses Internet-Geschäftsmodell mit der Direktverbindung zum Endbenutzer solide ist. 640 Satelliten, jeder 100 kg und das auf 1200 km, das sind eine Menge Falcon 9 Starts. Und die Konstellation will auch erhalten werden, wenn nicht sogar erweitert? Und wer beseitigt den vielen Weltraummüll, der in 1200 km entstehen würde? Da sieht es doch noch nach einer größeren Nachfrage nach Raketenstarts aus. Jede Menge (durch Massenproduktion) günstige Nutzlasten, was ist für die wiederverwendbare Falcon 9 als Nutzlast eher prädestiniert, wenn nicht das?

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