In die Vergangenheit weit entfernter Galaxien

Einem Forscherteam gelang es, mit Hilfe boden- und weltraumgestützter Teleskope die Bewegung von Gaswolken in weit entfernten Galaxien zu vermessen. Das Verfahren, das bisher nur bei den Nachbarn der Milchstraße gelang, soll dabei helfen, die Entwicklung von Galaxien vom frühen Universum bis heute besser zu verstehen.

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: ESO.

Als das Hubble-Weltraumteleskop im Jahr 1993 begann, das Universum zu entdecken, sorgte es für eine Revolution in der Astronomie. Nie zuvor war ein Teleskop dieser Größe in der Lage gewesen, ohne die störenden Einflüsse der Erdatmosphäre ins All zu blicken. Doch schon fünf Jahre später bekam es Konkurrenz, von Instrumenten am Boden, denen die Atmosphäre nichts mehr ausmachte. Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) steht in der extrem feuchtigkeitsarmen Atacama-Wüste der südchilenischen Anden, unter idealen Beobachtungsbedingungen. Es arbeitet mit einer Reihe innovativer Technologien, die ihm ermöglichen, die optischen Nachteile einer bewegten Lufthülle zu überkommen. Das VLT kann so die Qualität zuvor gemachter Hubble-Aufnahmen oft noch überbieten.
Doch dass die Stärken beider Teleskope nicht nur konkurrieren, sondern sich auch ergänzen können, beweisen nun Forscher von Instituten in Marseille, Paris und München. Sie kombinierten die Auflösungsfähigkeit von Hubble mit den Stärken des Instrumentenbündels FLAMES und GIRAFFE, das am VLT-Teleskop Kueyen installiert ist.

“Diese einmalige Kombination von Hubble und VLT erlaubt es uns, weit entfernte Galaxien fast so gut zu untersuchen, wie wir dies bisher mit ihren nahen Vertretern konnten”, sagt François Hammer, Leiter der Forschergruppe. “Mit FLAMES und GIRAFFE sind wir in der Lage, die Geschwindigkeit von Gas an verschiedenen Orten dieser Objekte zu vermessen. Wir erhalten damit ein dreidimensionales Bild von Galaxien, die ein halbes Universum von uns entfernt sind.”

FLAMES und GIRAFFE

NASA / ESO
Hubble-Aufnahmen (oben) mit den Geschwindigkeitsmessungen, die unten mit den Hubbleaufnahmen farbkodiert überlagert worden.
(Bild: NASA / ESO)

Im Jahr 2002 wurde der Instrumentenzoo des VLT um eine Reihe exotischer Exemplare erweitert. Der

Fibre Large Array Multi-Element Spectrograph (FLAMES) ist in der Lage, Spektren von mehr als hundert Objekten zur gleichen Zeit aufzuzeichnen, die innerhalb eines Himmelsausschnitts von 25 Bogenminuten liegen, etwa des Durchmessers eines Vollmondes. Gekoppelt ist es an GIRAFFE, die aus rund 132 Glasfaserbündeln besteht, die ähnlich den Facettenaugen eines Insekts in verschiedene Richtungen blicken können. So sind Forscher in der Lage, eine Vielzahl von Teilbereichen eines äußerst kleinen Himmelsausschnitts gleichzeitig zu beobachten, etwa verschiedene Gaswolken innerhalb einer Galaxie.
Ergebnisse
Im Jahr 2009 wurden bereits Ergebnisse über drei untersuchte Galaxien veröffentlicht. Im Fall von J033241.88-274853.9 entdeckten die Forscher eine große Menge von ionisiertem Gas. Dies spricht normalerweise für die Präsenz junger Sterne. In diesem Fall jedoch fanden sie selbst nach elftägiger Beobachtung keinerlei Sterne. Die Forschergruppe um Mathieu Puech, welche die Galaxie beobachtet hatte, versuchte daraufhin, die Entdeckung mit Computermodellen zu erklären. Demnach wäre es denkbar, dass zwei sehr gasreiche Galaxien miteinander kollidierten. Die dadurch freigesetzte Energie wäre dann in der Lage gewesen, das Gas zu ionisieren. Gleichzeitig wäre das Gas zu heiß, dass sich daraus überhaupt Sterne formen können.

In einem anderen Fall berichten Astronomen um François Hammer von einer gegenteiligen Beobachtung. Sie fanden eine Galaxie mit bläulicher Zentralregion, die von einer rötlich leuchtenden Staubscheibe umgeben ist. In diesem Fall zeigten Modellierungen, dass Sterne und Gas mit hoher Geschwindigkeit auf den bläulichen Kern zu rotierten. Dies interpretieren die Forscher als den Zustand einer selbsterneuerten Galaxie nach erfolgter Verschmelzung.

Eine dritte Veröffentlichung beschreibt eine Galaxie, deren bläuliche ausgedehnte Struktur mit kaum einem bekannten Objekt vergleichbar ist. Diese besteht aus jungen massereichen Sternen, die in unseren Nachbargalaxien kaum zu finden sind. Simulationen zeigten, dass hier vermutlich das Resultat der Kollision zweier Galaxien mit sehr unterschiedlichen Massen zu sehen ist.

Die Bewegung zurückdrehen
Die neue Messmethode bietet den Forschern einen entscheidenden Vorteil. Sie können die räumlich aufgelöste Bewegung von Gaswolken dazu nutzen, die ablaufenden Prozesse in der Galaxie in Simulationen zurückzudrehen und so in ihre Vergangenheit zu schauen. Anschließend wollen die Forscher nun ihre Daten mit bereits besser vermessenen, nahen Galaxien vergleichen. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie sich Galaxien innerhalb der letzten sechs bis acht Milliarden Jahre entwickelten.

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