Das europäische Gammastrahlen-Teleskop INTEGRAL hat ein aus einem Schwarzen Loch und einem supermassiven Stern bestehendes System entdeckt, das in einer dichten Wolke aus kühlem Gas verborgen ist.
Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESA.
Ende Januar 2003 entdeckten Wissenschaftler mit Hilfe von INTEGRAL das kosmische Objekt IGRJ16318-4848, dem sie keinen bekannten Stern zuordnen konnten. Auch die Entfernung war nicht eindeutig bestimmbar, allerdings nahmen die Astronomen an, dass es sich in unserer Galaxie, der Milchstraße, befindet. Nach eingehender Analyse vermutete man, dass es sich bei diesem im Gammastrahlen-Spektrum strahlenden Objekt um ein Binärsystem handelt, bestehend aus einem Schwarzen Loch bzw. einem Neutronenstern einerseits sowie einem supermassiven Stern – deutlich massereicher als unsere Sonne – andererseits.
Solche Paarungen sind im Weltall nichts Ungewöhnliches, alleine in unserer kosmischen Nachbarschaft sind bisher über 300 Exemplare entdeckt worden. Doch in diesem Fall gab es eine Besonderheit, die nicht einfach zu erklären war: IGRJ16318-4848 war bis zur Entdeckung durch INTEGRAL von keinem anderen Teleskop beobachtet worden. Und das, obwohl ein solches Binärsystem eigentlich besonders einfach zu entdecken sein sollte, denn üblicherweise macht sich nicht nur der Stern durch seine Strahlung im sichtbaren Licht bemerkbar, sondern auch der an und für sich unsichtbare Begleiter: Die vom Stern ausgehenden Gasströme werden durch die Gravitation des Schwarzen Lochs bzw. des Neutronensterns beschleunigt und schließlich von ihm vereinnahmt, wobei Strahlung in den verschiedensten Spektralbereichen vom Infrarot bis hin zur Gammastrahlung erzeugt wird. Und doch war dieses Binärsystem bis zur Entdeckung durch INTEGRAL unbekannt.
Die einzige mögliche Erklärung war das Vorhandensein einer Schicht aus abschirmenden Material um dieses Binärsystem herum, so dass nur die energiereichste Strahlung – nämlich die von INTEGRAL beobachtete Gammastrahlung – diesen kosmischen Sperrgürtel durchdringen konnte. Diese Theorie würde auch erklären, warum IGRJ16318-4848 nicht schon früher von anderen Teleskopen, die energieärmere Strahlung (wie sichtbares Licht oder Infrarotstrahlung) beobachten, entdeckt worden war.
Um diese Theorie zu überprüfen wurde das seit 1999 um die Erde kreisende ESA-Röntgenstrahlen-Teleskop XMM Newton im Februar auf das neu entdeckte System gerichtet. Tatsächlich konnte XMM Newton das System IGRJ16318-4848 im Spektrum der ebenfalls energiereichen Röntgenstrahlung entdecken und auch die Wolke aus kühlem Gas identifizieren, die den Großteil der im Binärsystem entstehenden Strahlung abschirmt. Wahrscheinlich besteht diese Wolke mit dem ungefähren Durchmesser der Erdumlaufbahn aus Gas, das vom supermassiven Stern im Binärsystem IGRJ16318-4848 emittiert und eventuell durch den unsichtbaren Begleiter des Sterns in der beobachteten Form angeordnet worden ist.
Für die Astronomen ist nun natürlich vor allem interessant, wie häufig solche kosmischen Objekte im Weltall vorkommen: Ist IGRJ16318-4848 ein außergewöhnlicher Sonderfall oder gibt es viele solcher Binärsysteme, die sich nur im hochenergetischen Strahlungsbereich bemerkbar machen? Wahrscheinlich wird INTEGRAL in den kommenden Jahren viel zur Beantwortung dieser Frage beitragen können.