In der Veröffentlichung des Kepler-Planetensucherteams vom 15. Juni werden statistische Daten über 306 Exoplanetenkandidaten ausgewertet.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: NASA Ames Research Center, Los Alamos National Laboratory. Vertont von Peter Rittinger.
Das Weltraumteleskop Kepler umläuft die Sonne seit dem 6. März 2009 in einem der Erde folgenden Orbit. Dabei ist es stets auf eine eher leer erscheinende Region des Universums in den Sternbildern Leier und Schwan ausgerichtet. Das einfallende Licht wird über einen 1,4 Meter durchmessenden Hauptspiegel gebündelt und auf 21 CCD-Detektoren mit insgesamt 95 Megapixeln gelenkt.
Nach der Kalibrierungsphase wurden bisher zwei Messzeiträume ausgewertet. Der erste umfasste 9,7 Tage vom 2. bis 12. Mai 2009 und führte zur Entdeckung von fünf mittlerweile bestätigten Exoplaneten (Raumfahrer.net berichtete). Die zweite Messphase dauerte 33,5 Tage vom 13. Mai bis zum 15. Juni 2009. Genau ein Jahr nach Abschluss dieses Zeitraums wurden umfangreiche Daten zu 306 bisher allerdings unbestätigten Exoplanetenkandidaten veröffentlicht. Die Daten von weiteren 400, besonders aussichtsreichen und spektakulären Kandidaten bleiben hingegen zunächst unveröffentlicht. Damit soll ausgewählten Instituten ausreichend Gelegenheit gegeben werden, die Entdeckungen als erste zu bestätigen.
Im ersten Zeitraum wurden etwa 53.000 der im Kepler-Katalog gelisteten 156.097 interessanten Sterne unter die Lupe genommen, im zweiten praktisch alle. Interessant für das Kepler-Team sind kleine und helle Hauptreihensterne. Diese sind klein genug, dass man die Verdunklung auch durch erdgroße Planeten feststellen kann und hell genug, dass eine Verdunklung durch ein vorbeiziehendes Objekt deutlich aus dem Rauschen hervorsticht. Dieses Rauschen kann durch astronomische Effekte wie Helligkeitsschwankungen veränderlicher Sterne oder durch Störeffekte der Instrumente und Anlagen der Raumsonde verursacht werden. Als Beispiele werden geringfügige Temperaturschwankungen in den Instrumenten, elektromagnetische Interferenzen und Vibrationen bei Lagekorrekturen genannt.
Im Gesamtzeittaum von 43,2 Tagen Messdauer wurden zunächst bei mehr als 850 infrage kommenden Sternen Helligkeitsschwankungen, die dem Charakter nach einem Planetentransit entsprechen, gefunden. Davon konnten gut 150 als unbegründet sicher aussortiert werden. Viel häufiger waren übrigens Helligkeitsschwankungen durch einander umlaufende Doppelsterne, die aber von vorn herein als solche erkannt wurden. Übrig blieben 706 aussichtsreiche Kandidaten.
In den nächsten Monaten folgen nun weitere Schritte, die erst das Vorhandensein von Exoplaneten bestätigen oder widerlegen. Dazu gehört zunächst die Untersuchung auf mögliche Hintergrundsterne, die Kepler selbst nicht auflösen kann, deren Licht er aber in der Summe mitrechnet. Dies muss mit einem leistungsfähigen Teleskop mit guter räumlicher Auflösung erfolgen. Danach wird eine Überprüfung des Sterns mit der Radialgeschwindigkeitsmethode vorgenommen. Dabei können Schwankungen in der Bewegung des Sterns gemessen werden, wenn er duch die Gravitation seines für uns unsichtbaren Begleiters hin und her gezogen wird, wie der Hammerwerfer beim Schwingen seines Sportgerätes. Ergeben Untersuchung mit mittlerer Genauigkeit positive Resultate, wird die Bewegung anschließend im Computer simuliert. Stimmt die Simulation, der sehr genaue Modelle zugrunde liegen, mit den Messungen weitgehend überein, so wird eine weitere Radialgeschwindigkeitsmessung durchgeführt, diesmal aber mit einem Hochleistungsteleskop. Außerdem versucht man die Transitmessung von der Erde aus zu wiederholen. Dazu wird man weitgehend das leistungsfähigste US-Teleskop (Keck) auf Hawaii einsetzen, dessen Beobachtungszeit allerdings ein kostbares Gut ist. Sind die Radialgeschwindigkeitsmessungen ausgeprägt genug, untersucht man zusätzlich auf das eventuelle Vorhandensein mehrerer Planeten. Bisher gibt es dafür 5 begründete Verdachtsfälle.
Unter den nun veröffentlichten 306 Kandidaten sind besonders viele (annähernd 200) bis Neptungröße. Der kleinste Kandidat wird mit 0,14 Jupiterradien angegeben. Er zählt damit zur Gruppe der Supererden. Hier und bei Neptungröße dürfte es in der Liste der Exoplaneten sowohl zahlenmäßig als auch prozentual gesehen den größten Zuwachs geben. Dies legt den (durchaus erwarteten) Schluss nahe, dass kleine Planeten mit Umlaufzeiten bis 30 Tagen in der Nähe von Sternen häufiger sind als die bisher zumeist entdeckten „heißen Jupiter“. Nur diese konnten eben mit den „in der Vergangenheit“ verwendeten technischen Mitteln entdeckt werden. Kepler schreibt hier ein neues Kapitel und schlägt auch CoRoT um Längen.
Ein Gedanke zum Schluss: Die in dieser Woche veröffentlichten Daten beziehen sich auf einen Messzeitraum von 43 Tagen. Seitdem sind mehr als 365 weitere Tage vergangen, in denen die Messungen kontinuierlich fortgeführt wurden. Insbesondere Planeten mit langen Umlaufzeiten konnten also bisher noch gar nicht gefunden werden. Dies ist zwar schwieriger, da die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Planet von uns aus gesehen genau vor seinem Stern vorbeizieht und diesen für uns kurzzeitig verdunkelt, mit wachsendem Abstand immer geringer wird. Trotzdem werden wir uns noch auf einige Entdeckungen gefasst machen können.
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