Neue astronomische Untersuchungen zeigen, dass die Umgebung des Sterns Fomalhaut ein chaotischer Ort im Universum ist. Permanent stattfindende Kometenkollisionen erzeugen einen gigantischen Staubring, welcher von mindestens zwei Exoplaneten begrenzt wird.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, ESA, JPL, Wikipedia.
Bei dem in einer Entfernung von rund 25 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im Sternbild „Südlicher Fisch“ befindlichen Stern Fomalhaut handelt es sich um einen etwa 100 bis 300 Millionen Jahre alten Stern, welcher in etwa über die doppelte Masse unserer Sonne verfügt. Bereits in den 1980er Jahren entdeckten Astronomen mittels des Infrarot-Weltraumteleskops IRAS, dass Fomalhaut von einem rund 250 Astronomische Einheiten durchmessenden Staubring umgeben ist, welcher in der Folgezeit durch das Hubble Space Telescope auch im sichtbaren Licht abgebildet werden konnte.
Die Astronomen schlussfolgerten aus der auf diesen Aufnahmen erkennbaren Streuung des Lichtes, dass sich der Staubring hauptsächlich aus relativ großen Staubpartikeln mit Durchmessern von etwa 50 Mikrometern zusammensetzt. Größere Staubpartikel streuen das von dem Stern ausgehende Licht in einem geringeren Ausmaß als kleinere Partikel – so die Erklärung hierfür – und im sichtbaren Licht erstrahlt der Staubring um Fomalhaut vergleichsweise schwach.
Aktuelle Aufnahmen des Infrarot-Weltraumteleskops Herschel widersprechen jetzt allerdings dieser bisherigen Interpretation. Für die Untersuchung bildete Herschel den Fomalhaut umgebenden Staubring in fünf Spektralbereichen des fernen Infrarotlichtes bei Wellenlängen zwischen 70 und 500 Mikrometern ab. Anhand des sich so ergebenden Infrarotspektrums gelangten die an der Auswertung der Daten beteiligten Wissenschaftler um Bram Acke vom Astronomischen Institut der Universität Leuven/Belgien zu dem Ergebnis, dass die Staubkörner lediglich wenige Mikrometer groß sein können. Allerdings, so das sich daraus ergebende Problem, müsste der von Fomalhaut ausgehende Strahlungsdruck derart kleine und entsprechend massearme Staubpartikel relativ schnell aus der Umgebung des Sterns „wegwehen“ und den Staubring so auflösen.
Die Wissenschaftler bieten in ihrer kürzlich in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ publizierten Studie eine Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch an. Demzufolge sind poröse Staubpartikel, welche aus einer Vielzahl von jeweils nur wenigen Mikrometer großen Einzelkörnern zusammengeklumpt sind, für die beobachteten Messdaten verantwortlich. Das vom Weltraumteleskop Herschel beobachtete thermische Strahlungsverhalten des Staubringes wird von den kleinen Einzelkörnern erzeugt. Die durch das Hubble-Weltraumteleskop beobachtete Lichtstreuung wird dagegen durch die Gesamtgröße der porösen Staubklumpen bestimmt. Solche poröse Staubteilchen sind den Wissenschaftlern auch aus unserem Sonnensystem bekannt. Sie entstehen ausschließlich dann, wenn Kometen miteinander kollidieren.
Im Rahmen ihrer Studie berechneten die Wissenschaftler auch die Staubmenge, welche in der Umgebung von Fomalhaut jeden Tag freigesetzt werden muss, um den durch den Strahlungsdruck hervorgerufenen Staubverlust auszugleichen. Demzufolge müssen pro Tag etwa 2.000 Kollisionen von jeweils einen Kilometer durchmessenden Kometenkernen erfolgen. Das noch relativ junge Sternsystem von Fomalhaut wäre demnach ein wahrlich chaotischer Ort im Universum, welcher zugleich ein gutes Studienobjekt für die frühe Entwicklungsphase unseres eigenen Sonnensystems darstellt.
Die Gesamtmasse des Staubes um Fomalhaut beträgt etwa 110 Erdmassen. Dieser Staubring ist dabei mit dem Kuipergürtel in unserem frühen Sonnensystem vergleichbar, aus welchem sich in der Folgezeit die Zwergplaneten und weitere Transneptunische Objekte gebildet haben.
Alternativ, so die Astronomen, könnte die Staubproduktion auch bei deutlich geringeren Kollisionsraten erfolgen, wobei die Kometenkerne dann allerdings über entsprechend größere Durchmesser verfügen müssten. Laut Carsten Dominik von der Universität Amsterdam, einem der Co-Autoren der Studie, würde auch eine Kollision von zwei jeweils 10 Kilometer durchmessenden Kometenkernen pro Tag die erforderliche Staubmenge erzeugen. Abhängig von den zugrunde gelegten Durchmessern der Kometen wird deren Gesamtzahl im Sternsystem von Fomalhaut auf eine Anzahl zwischen 100 Milliarden und 10 Billionen geschätzt.
Weitere Erkenntnisse über den Aufbau des Sternsystems Fomalhaut stammen von dem „Atacama Large Millimeter/submillimeter Array“ (kurz ALMA), einem noch im Bau befindlichen neuen Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO).
Die asymmetrische Form des Ringes und dessen anscheinend enge räumliche Begrenzung wurde von den Astronomen bereits früher auf einen Planeten zurückgeführt, welcher Fomalhaut umläuft. Und tatsächlich gelang es bereits im Jahr 2008, diesen Exoplaneten mit dem Hubble-Weltraumteleskop direkt abzubilden. Bei späteren Beobachtungen mit verschiedenen Infrarotteleskopen war es den Wissenschaftlern allerdings nicht gelungen, den Exoplaneten erneut nachzuweisen, was zu ernsthaften Zweifeln an der Existenz von „Fomalhaut b“ – so seine offizielle Bezeichnung – führte.
Im Gegensatz zum Hubble Space Telescope ist ALMA allerdings in der Lage, die scharfen Ränder und die ringförmige Struktur der Staubscheibe deutlich sichtbar wiederzugeben. Die ALMA-Daten bestätigen, dass sowohl der innere als auch der äußere Rand der dünnen Staubscheibe scharf begrenzt ist. Aufgrund von Computersimulationen konnten die Astronomen darauf schließen, dass die Staubpartikel durch die Schwerkrafteinwirkung zweier Planeten in der Scheibe gehalten werden, wobei einer der Planeten den Stern Fomalhaut innerhalb des Staubringes und der andere außerhalb umläuft. Beide Planeten fungieren dabei als „Schäferplaneten“, welche den Staubring durch ihre Schwerkrafteinflüsse zusammenhalten.
Der Planet, welcher Fomalhaut innerhalb des Ringes umläuft, ist in seiner Umlaufbewegung um den Zentralstern schneller als die Staubpartikel des Ringes. Dabei erfolgt eine Energieübertragung auf die Staubpartikel, so dass die innersten Teilchen nach außen gedrückt werden. Der Planet, welcher sich außerhalb der Scheibe bewegt, ist dagegen langsamer als die Staubteilchen. Seine Schwerkraft verringert die Energie der Teilchen und lässt sie nach Innen zurückfallen. Neben dem Saturnsystem, wo verschiedenen Monde als Schäfermonde innerhalb des dortigen Ringsystems fungieren, ist ein solcher Prozess in unserem Sonnensystem auch bei dem Planeten Uranus bekannt. Auch dort wird einer der 13 bisher bekannten Ringe durch die beiden Uranusmonde Cordelia und Ophelia zusammengehalten.
Die Berechnungen der Wissenschaftler liefern außerdem Daten für die vermutliche Masse dieser Planeten. Sie müssen demnach größer als der Mars sein, können aber maximal einige Male so groß wie die Erde ausfallen. Damit sind die Planeten deutlich kleiner als bislang angenommen. Aufgrund der Hubble-Aufnahmen aus dem Jahr 2008 waren die Astronomen ursprünglich davon ausgegangen, dass der damals abgebildete Planet größer als der Saturn wäre, der zweitgrößte Planet innerhalb unseres Sonnensystems.
„Wir können die Masse und die Umlaufbahn eines Planeten in der Nähe des Ringes sehr genau bestimmen, indem wir die Ergebnisse von Computersimulationen mit der Form der Scheibe vergleichen, welche sich aus unseren ALMA-Daten ergibt“, erläutert Aaron Boley von der University of Florida/ USA, der Leiter der ALMA-Studie, die Ergebnisse. „Es zeigte sich, dass die Planetenmassen sehr klein ausfallen müssen. Andernfalls würden die Planeten den Staubring zerstören.“ Dies erklärt auch, warum die beiden Planeten in den früheren Infrarotbeobachtungen nicht nachgewiesen werden konnten.
Der Staubring befindet sich in einer Entfernung zu Fomalhaut, welche in etwa dem 140-fachen Abstand der Erde von der Sonne entspricht. Laut den ALMA-Daten misst er vom seinem inneren bis zu seinem äußeren Rand rund das 16-fache des Abstandes der Erde zur Sonne. Seine Dicke beträgt dagegen lediglich etwa ein Siebtel dieser Ausdehnung. „Der Ring ist somit viel schmaler und dünner als bisher gedacht“, so Matthew Payne, ebenfalls von der University of Florida. Trotzdem verfügt der Ring über eine größere Ausdehnung als unser Sonnensystem.
Die hier kurz vorgestellten Beobachtungen von Aaron Boley und seinem Team werden demnächst in der Fachzeitschrift „Astropysical Journal Letters“ unter dem Titel „Constraining the Planetary System of Fomalhaut Using High-Resolution ALMA Observations“ publiziert.
Die Astronomen beobachteten das Sternsystem Fomalhaut im September und Oktober 2011 mit ALMA. Zu diesem Zeitpunkt waren weniger als ein Drittel der insgesamt 66 vorgesehenen Antennen des ALMA-Observatoriums verfügbar. Nach der Fertigstellung im Jahr 2013 wird die Anlage über eine dann noch einmal deutlich höhere Leistungsfähigkeit verfügen. Dennoch war ALMA bereits in dieser „Early-Science-Phase“ Ende 2011 in der Lage, kosmische Strukturen sichtbar zu machen, welche allen früheren Beobachtern entgangen waren.
„Obwohl sich ALMA noch im Bau befindet, ist es bereits jetzt das leistungsfähigste Teleskop seiner Art. Dies ist erst der Beginn einer aufregenden neuen Ära in der Erforschung von protoplanetaren Scheiben und der Entstehung von Planeten um andere Sterne“, so der ESO-Astronom Bill Dent über die Bedeutung der Beobachtung.
Das „Atacama Large Millimeter/submillimeter Array“ ist eine internationale astronomische Forschungseinrichtung, welche von verschiedenen Instituten aus Europa, Nordamerika und Ostasien in Zusammenarbeit mit der Republik Chile getragen wird. Bei der Entwicklung, dem Aufbau und dem Betrieb des Observatoriums ist die ESO zuständig für den europäischen Beitrag, das National Astronomical Observatory of Japan für den Beitrag Ostasiens und das National Radio Astronomy Observatory der USA für den nordamerikanischen Beitrag. Das Joint ALMA Observatory ist für die übergreifende Projektleitung – für den Aufbau, die Inbetriebnahme und den regulären Beobachtungsbetrieb – von ALMA zuständig.
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