Molnija

Die Molnija bildete Jahre lang das Rückgrat der russischen Raumfahrt und startete nicht nur die ersten russischen Kommunikationssatelliten, sondern auch die ersten Sonden zu Venus und Mars.

Ein Beitrag von Daniel Maurat.

Geschichte

Eine Molnija beim Start der
Vonussonde Venera 1 am
12. Februar 1961
(Bild: Roskosmos)

Nach den Erfolgen der Sputnik-Satelliten und der ersten Luna-Sonden wollte man in der Sowjetunion weitere Erfolge verbuchen. Nachdem das Wostok-Programm schon angelaufen ist, dachte man daran, einfache Raumsonden zu den nächsten Planeten, also Venus und Mars, sowie schwerere Raumsonden und sogar Lander zum Mond zu schicken. Doch bisher fehlte eine Rakete (die Luna konnte gerade einmal 400 kg zum Mond bringen). So beauftragte man den Hersteller der R-7, das Konstruktionsbüro OKB 1 unter dem legendären Chefkonstrukteur Sergeji Koroljow damit, eine neue Rakete auf Basis der R-7 zu entwickeln, die in der Lage sein sollte, die von ihr geforderten Aufgaben zu erfüllen. Doch es stellte sich nun ein neues Problem: Um die Sonden zu ihrem Ziel zu bringen, muss die Oberstufe eine Freiflugphase machen. Dies steigert die Nutzlast zum Ziel, da sonst die Zielstellung, eine Sonde zu Mars oder Venus zu schicken, nicht erreichbar wäre. Solch eines Flugprofils bedurfte also eine Wiederzündung einer mit Flüssigtreibstoff betriebenen Oberstufe im Orbit, ein Verfahren, dass noch nie zuvor durchgeführt wurde. Doch schließlich konnte man dieses Problem lösen: Man nutze einen weiteren, kleineren mit Festtreibstoff betriebenen Triebwerksblock, der zuerst gezündet wurde. Durch den Schub des Triebwerksblocks sammelte sich der Treibstoff am Boden der Tanks und gewährleistete so den regelmäßigen Treibstofffluss zum Triebwerk, ein elementarer Bestandteil des Betriebs eines Treibwerkes. Nach der Zündung des Haupttriebwerks wird der zusätzliche Triebwerksblock abgetrennt. Danach ist die Stufe nicht mehr fähig, nochmal zu zünden.

Auch die zweite Stufe war eine Neuentwicklung. Sie war um einiges größer als die bisher eingesetzte Block E in der Wostok und hatte auch schubstärkere Triebwerke. Genauso wie in der zuvor eingesetzten Block E nutze man die heiße Stufentrennung zum Zünden und Trennen der zweiten von der ersten Stufe. Sie wurde zum integralen Bestandteil späterer Varianten der R-7 und wird, natürlich modernisiert, noch in den Trägern vom Typ Sojus genutzt.

Ihren „offiziellen“ Namen erhielt die 8K78, als sie die ersten Satelliten der Molnija-Serie (russ. Молния für Blitz) startete. Gemäß der damals üblichen Praxis benannte man gleich die ganze Rakete nach dem Satelliten, wodurch die 8K78 zur Molnija wurde.

Versionen

Insgesamt gab es zwei Versionen der Molnija mit mehreren Unterversionen:

8K78 Molnija

Die 8K78 Molnija war die erste sowjetische Rakete, die in der Lage war, interplanetare Sonden zu starten. Dazu entwickelte man im Konstruktionsbüro OKB 1 zwei neue Stufen, die neue Zweitstufe Block I sowie die Block L, das Herzstück der Molnija. Sie diente vor allem zum Start von Raumsonden vom Typ Venera (russ. Венера für Venus) sowie vom Typ Mars (russ. Марс für Mars), später auch Sonden vom Typ Zond (russ. Зонд für Sonde) und auch die ersten Kommunikationssatelliten vom Typ Molnija (später bekam die von ihnen Umlaufbahn den Namen Molnija-Orbit), denen die Rakete ihren Namen verdankt. Ihren Erststart erlebte sie am 20. Januar 1960, noch nur mit einem Modell der Block L, um so die neue Zweistufe Block I zu testen. Von ihren 26 Starts waren ganze 13 Fehlschläge, wobei meistens das Problem die Block L-Oberstufe war. Sie zündete nämlich entweder nur kurz oder überhaupt nicht. Deswegen flog sie nur bis 1965 und wurde dann durch die verbesserte Molnija M ersetzt.

8K78M Molnija M

Eine der letzten Vetreter der
Molnija-M am 23. Oktober 2007
auf der Rampe. An Bord der
Frühwarnsatellit Oko 84.

Die Molnija M war eine stark verbesserte Version der Molnija, wobei vor allem die Eliminierung des Konstruktionsfehlers in der Block L. Sie wurde schnell zum Arbeitspferd der sowjetischen Raumfahrt, neben der anderen Varianten der R-7, der Tsyklon und der Proton, und war im Gegensatz zu ihrem Vorgänger eine der erfolgreichsten Varianten der R-7. Eine weitere Neuerung waren die verschiedenen Varianten der Block L, die zur Verfügung standen. Damit wurde die Rakete etwas flexibler. Doch der Nachteil der einmaligen Wiederzündung der Block L blieb für die Rakete ein Manko bis zum Ende. Sie startete zum ersten Mal dabei am 19. Februar 1964 und startete bis zu ihrem letzten Flug am 30. September 2010 nicht weniger als 297 Mal, einen auch für eine Version der R-7 nicht schlechter Wert. Dabei gab es ganze 20 Fehlschläge, wobei hier die meisten auch auf die Block L zurückzuführen waren.

Technik

Die verschiedenen Versionen der Molnija besaßen alle drei Stufen mit vier Boostern:

  • Die vier eingesetzten Booster, auch als Block B, W, G, D (russ. Блок Б, В, Г, Д) bekannt, waren verbesserte Versionen der Booster der R-7. Genauso wie ihre Vorgänger waren sie 19 m lang, hatten einen Basisdurchmesser von 2,68 m und wogen voll betankt 43,4 t. Als Treibwerke nutzte man zunächst pro Booster ein NPO Energomash RD-107-8D74PS, die noch von der Sputnik stammten. Sie lieferten je einen Schub von 995,3 kN (im Vakuum) und brannten 119 Sekunden lang. Später benutze man ein verbessertes NPO Energomash RD-107-8D727 mit einem Schub von 995,3 kN (im Vakuum) bei einer Brenndauer von 120 Sekunden. Als Treibstoff nutze man wie schon zuvor in den vorherigen Versionen der R-7 die Treibstoffkombination aus RP-1 (Kerosin) als Treibstoff und LOX (flüssiger Sauerstoff) als Oxydator.
  • Die erste Stufe, auch Block A (russ. Блок А), entsprach im Großen und Ganzen der Erststufe der Wostok-Rakete. Sie war 28 m lang, hatte einen Maximaldurchmesser von 2.99 m und wog voll betankt 100,6 t. Das zunächst eingesetzte einzelne Vierkammertriebwerk vom Typ NPO Energomash RD-108-8D75K mit einem Schub von 912 kN (im Vakuum) bei einer Brenndauer von 305 Sekunden. In der Molnija M nutzte man schon das NPO Energomash RD-107-8D727-Triebwerk mit einem Schub von 976,7 kN (im Vakuum) bei 291 Sekunden Brenndauer. Wie in den Boostern nutze man als Treibstoff RP-1 und als Oxydator LOX.
  • Die zweite Stufe mit dem Namen Block I (russ. Блок И) war eine Neuentwicklung für die Molnija. Die Stufe an sich war 6,80 m lang, hatte einen Durchmesser von 2,58 m und wog voll betankt 24,8 t. Das einzelne in der Molnija genutzte OKB Kosberg RD-0108-Triebwerk lieferte einen Schub von 298 kN bei einer Brenndauer von 250 Sekunden. Später nutze man ein verbessertes Triebwerk vom Typ KBKhimAvtomatiki RD-0110-Triebwerk mit einem Schub von 298,1 kN bei einer Brenndauer von 241 Sekunden. Als Treibstoff nutzte man dabei wie in den unteren Stufen RP-1 und LOX als Oxydator.
  • Die dritte Stufe, die Block L (russ. Блок Л), war das Herz der Molnija und der Urvater der wohl berühmtesten russischen Oberstufe, der Block D. Die Stufe an sich war 3,32 m lang, hatte einen Durchmesser von 2,58 m und wog voll betankt 5,72 t. Die Treibstoffzuladung konnte so verändert werden, dass die Stufe beim Start zwischen 5,72 und 4,99 t wog. Das einzelne OKB Koroljow S1-5400-Triebwerk lieferte für 250 Sekunden Brenndauer einen Schub von 63,8 kN. Für die Wiederzündung nutze man einen speziellen abwerfbaren Triebwerksblock, den sogenannten BOZ (russ. БОЗ), die den Treibstoff am Boden der Tanks sammelte und so einen zuverlässigen Treibstofffluss gewährleistete. Als Treibstoff nutze man den auch in der restlichen Rakete genutzten Treibstoffmix aus RP-1 und LOX.

    Nachdem die erste Version der Block L eine miserable Statistik hatte, entwickelte man sie weiter. Daraus wurden in den Jahren folgende Versionen:

    • Eine verbesserte Version der Block L (russ. Блок Л) mit einem verbesserten OKB Isajew S1-5400A-Triebwerk.
    • Die Block ML (russ. Блок МЛ) war eine verbesserte Variante mit einem neuen 11D33-Triebwerk mit einem Schub von 66,3 kN Schub bei einer reduzierten Brenndauer von 200 Sekunden
    • Die Block MWL (russ. Блок МВЛ) war eine Spezialversion der Block ML mit einer etwas höheren maximalen Nutzlast.
    • Die Block 2BL (russ. Блок 2БЛ) entsprach der Block 2BL, hatte aber eine reduzierte Brenndauer von 163 Sekunden.
    • Die Block 2BLM (russ. Блок 2БЛМ) war eine verbesserte Variante der Block 2BL. Die Hauptveränderung war vor allem das neue 11D33M-Triebwerk.
    • Die Block SOL (russ. Блок СОЛ) hatte ein geringeres Leergewicht, was der Nutzlast zugutekam.

Starts

Die Molnija-Raketen starten zwischen 1960 und 2010, also in einem Zeitraum von über 50 Jahren, insgesamt ganze 318 Mal, eine sehr gute Startrate für jede Rakete. Dabei gab es 29 Fehlschläge, wobei die meisten in den frühen Jahren der Rakete geschahen. Dies lag an dem schon genannten Konstruktionsfehler in der Block L. Als Startplätze kamen dabei der Kosmodrom Baikonur in Kasachstan mit den R-7-Rampen 1 (auch Gagarins Start genannt) sowie die Startrampe 31 und der Kosmodrom Plessetsk in Nordrussland mit den Startrampen SK-1 / 41/1, SK-2 / 16/2, SK-3 / 43/3 und SK-4 / 43/4 zum Einsatz. Als Nutzlasten startete die Rakete nicht nur die ersten sowjetischen interplanetaren Raumsonden vom Typ Venera, Mars und Zond oder fortgeschrittene Mondsonden vom Typ Luna, sondern auch eine Reihe von Kommunikationssatelliten vom Typ Molnija, sondern auch Frühwarnsatelliten vom Typ US-K und Forschungssatelliten der Prognoz-Reihe.

Ende

Obwohl die Molnija, nachdem sie ihre Kinderkrankheiten überwunden hatte, hatte sie doch einige Nachteile gegenüber anderen Trägern wie der Sojus-Fregat: Durch die BOZ-Triebwerkseinheit konnte die Stufe nur ein einziges Mal wiedergezündet werden, was ihr Einsatzspektrum einschränkte. Die Fregat dagegen kann mehrere Male wiedergezündet werden und so sind viel mehr Bahnen erreichbar als für die Molnija. So ging die Startrate nach dem Ende der UdSSR immer mehr runter und die Produktion wurde eingestellt.

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