NASA-Chef skeptisch über Kauf russischer Raumkapseln

Der Administrator der amerikanischen Raumfahrtagentur NASA, Mike Griffin, zweifelt daran, dass die USA nach dem Ende des Space-Shuttle-Programms übergangsweise Plätze in den russischen Sojus-Raumschiffen kaufen kann, da die Initiative für eine nötige Gesetzesausnahme „praktisch stillsteht“. UPDATE: In einer nun ans Licht gekommenen E-Mail hat Griffin Ende des Shuttle-Programms als „Dschihad“ bezeichnet.

Ein Beitrag von Christian Bewermeyer. Quelle: Spaceflight Now.

Wegen der dreijährigen Lieferzeit von Sojus-Kapseln müssen die Aufträge für ihren Bau spätestens Anfang 2009 erteilt werden, um die amerikanische Präsenz auf der Internationalen Raumstation ISS nach 2011 aufrechterhalten zu können. In einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CBS sagte Griffin nun, er sei nach den jüngsten Ereignissen im Georgien-Konflikt nicht optimistisch, dass ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht werden kann. Es sei nun wahrscheinlich, dass das amerikanische ISS-Segment im Jahr 2012 für einige Zeit „unbemannt“ sein wird. Griffin räumte ein, das Problem sei sehr „ernst“.

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Mike Griffin nach dem Start der Raumfähre Discovery Ende Mai.
(Bild: NASA)

Dem NASA-Boss sind durch den sogenannten Iran-North Korea-Syria Non-Proliferation Act die Hände gebunden. Das Gesetz untersagt den USA, High-Tech-Güter aus Russland zu importieren. Bisher erlaubte eine Klausel darin der NASA jedoch, Plätze für ihre eigenen sowie internationale Astronauten zu kaufen. Im Jahr 2011 wird diese Ausnahmeregel allerdings auslaufen, wodurch der NASA in der Zeit zwischen dem Ende des Shuttle-Programms 2010 und dem Erstflug der neuen Orion-Kapsel auf der Ares-Rakete – zurzeit für 2014/2015 geplant – keine Transportmöglichkeit zur ISS zur Verfügung steht, falls ihre Gültigkeit nicht verlängert wird. Dies müsste in den nächsten Wochen geschehen, um die amerikanische Präsenz auf der ISS zu halten.

Laut Griffin ist die Situation aussichtslos. „Es werden im Kongress bis auf das geplante Reformpaket einfach keine neuen Gesetze verabschiedet, bevor jedermann nach Hause zur Präsidentenwahl geht. Natürlich hat die russische Georgieninvasion dabei nicht geholfen.“ Nach Griffins Meinung gibt es gegenwärtig drei Möglichkeiten. Am wahrscheinlichsten scheint ihm die Option, dass sich nach dem 31. Dezember keine amerikanischen bzw. internationalen Astronauten auf der Station aufhalten werden. Eine andere Möglichkeit ist für ihn, dass die NASA mehr Geld vom Kongress erhält, um die Space Shuttles länger fliegen zu können. „In diesem Fall könnte die Entwicklung von Ares und Orion auf Kurs gehalten werden und wir wären außerdem von Russland unabhängig“, sagte Griffin.

„Die dritte Option ist, dass wir angewiesen werden, weiterhin mit dem Shuttle zu starten, kein Extra-Geld dafür bekommen und auf Ares und Orion länger warten müssen. Wir hätten immer noch die Lücke, nur eben etwas später.“ Griffin betonte jedoch, die Abhängigkeit von Russland werde durch weitere Space-Shuttle-Missionen nicht behoben, da man die Russen weiterhin für die Rettung der Besatzung im Falle eines Notfalls brauche. „Wenn wir also die Shuttle-Flüge fortsetzen, fliegen wir entweder ohne Rettungsmöglichkeit für die Crew, was wir noch nie getan haben, oder unser Aufenthalt auf der Station beschränkt sich auf die beiden Wochen, die man bekommt, wenn das Shuttle die ISS besucht.“

Auf die Frage, ob er überhaupt noch optimistisch auf eine rechtzeitige Gesetzesausnahme ist, antwortete Griffin schlicht: „Nein.“ Griffin glaubt, dass die ISS 2012 für eine zeitlang nur von russischen Kosmonauten bemannt werde. „Dieser Zeitraum endet immer drei Jahre, nachdem wir den Vertrag mit Russland haben. Wenn wir also bis Juni nächsten Jahres alles durchbringen, können wir in der zweiten Jahreshälfte 2012 mit der Sojus fliegen und alles normalisieren.“

Verursacht durch die jüngsten Kontroversen und den Russland-Georgien-Konflikt will Griffin nun untersuchen lassen, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um die Shuttles über 2010 hinaus fliegen zu lassen, falls der nächste US-Präsident oder der Kongress einen Wandel in der amerikanischen Raumfahrtpolitik wünschen. Bezüglich dieses Themas will sich Griffin am Dienstag mit dem Senator Bill Nelson aus Florida treffen.

Das vollständige Interview mit Mike Griffin ist hier in Englisch nachzulesen.
Update: In einer NASA-internen E-Mail, die vom Orlando Sentinel veröffentlicht wurde, hat der offensichtlich frustrierte NASA-Administrator Griffin die Außerdienststellung des Space Shuttles als „Dschihad“ bezeichnet. Außerdem beklagte sich Griffin über finanzielle Probleme bei den neuen Mondraketen und zeigte sich über die Zukunft des amerikanischen Raumfahrtprogramms im Allgemeinen besorgt. „Meine Meinung ist so pessimistisch wie es nur sein kann“, schrieb Griffin. Einige Stunden später veröffentlichte die NASA eine Gegendarstellung, in der Griffin die interne Mail als aus dem Zusammenhang gerissen, bezeichnet.

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