Das Innere des Asteroiden Vesta

Wissenschaftler der University of North Dakota und des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung haben einen neuen Asteroiden-Typ entdeckt. Die mineralogische Zusammensetzung des Asteroiden 1999 TA10 deutet darauf hin, dass er nicht aus der äußeren Gesteinskruste, sondern aus dem Innern des Mutterasteroiden Vesta stammt. Ein Asteroid mit einer solchen Zusammensetzung war den Wissenschaftlern bisher unbekannt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Gesellschaft, JPL, Wikipedia.

NASA, ESA, J.-Y. Li (University of Maryland, College Park), L. McFadden (NASA, GSFC)
Diese Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble von dem Asteroiden (4) Vesta wurde am 28. Februar 2010 angefertigt. Die Distanz zu dem Asteroiden betrug an diesem Tag etwa 211 Millionen Kilometer.
(Bild: NASA, ESA, J.-Y. Li (University of Maryland, College Park), L. McFadden (NASA, GSFC))

Der etwa 560 x 544 x 488 Kilometer durchmessende Asteroid (4) Vesta, welcher am 29. März 1807 von dem Astronomen Heinrich Olbers in Bremen entdeckt und nach der römischen Göttin von Heim und Herd benannt wurde, ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Wissenschaft einzigartig in unserem Sonnensystem. Anders als alle anderen Kleinkörper, welche im sogenannten Asteroiden-Hauptgürtel zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter um die Sonne kreisen, weist dieser Asteroid eine differenzierte innere Struktur auf. Eine Kruste aus erkalteter Lava überdeckt dabei eine tiefer liegende Gesteinsschicht und einen darunter befindlichen Eisen-Nickel-Kern. Ein solcher Aufbau ist vergleichbar mit der Struktur der sogenannten terrestrischen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars.

Die Wissenschaftler halten diesen zwiebelartig aufgebauten Asteroiden deshalb auch für einen Protoplaneten, ein Überbleibsel aus der frühen Entwicklungsphase unseres Sonnensystems vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren. Als sich in der Bildungsphase unseres Sonnensystems der Großteil der in einer Materiekonzentration enthaltenen Gas- und Staubteilchen zu einer Protosonne verdichtete, formten die im Umkreis verbliebenen Moleküle aus Gas und Staub eine zirkumsolare Akkretionsscheibe. In dieser protoplanetaren Scheibe, so die gängige Theorie über die Entstehung von Planeten, haben sich in der Folgezeit Staubteilchen durch Akkretion zu bis zu etwa kilometergroßen Planetesimalen zusammengeballt.

Diese wiederum vereinten sich daraufhin durch ihre Anziehungskräfte zu noch größeren Materieverdichtungen, den Protoplaneten, welche in etwa die Größe des Mondes erlangen konnten. Sie waren jetzt bereits genügend massereich, um durch ein hydrostatisches Gleichgewicht eine annähernde Kugelform zu erlangen und durch Differentiation ihres Inneren einen Schalenaufbau auszubilden. Allerdings war das weitere Anwachsen dieser Protoplaneten bis zu einem “ausgewachsenen” Planeten nicht allein durch die Gravitation möglich. Dieses erfolgte erst durch spätere Kollisionen der verschiedenen Protoplaneten, welche sich auf sich kreuzenden Umlaufbahnen um die Sonne bewegten.

Ben Zellner (Georgia Southern University), Peter Thomas (Cornell University), NASA
Die bisher gewonnenen Daten des Asteroiden (4) Vesta zeigen einen gewaltigen Impaktkrater auf dessen südlicher Hemisphäre. Dieses Bild zeigt den Asteroiden in einer Aufnahme des Weltraumteleskops Hubble (oben links), als Rekonstruktion aus Modellrechnungen (oben rechts) und in einer Höhenkarte (unten).
(Bild: Ben Zellner (Georgia Southern University), Peter Thomas (Cornell University), NASA)

Solche Kollisionen führten jedoch nicht zwingend zu einer Zusammenballung der verschiedenen Protoplaneten. Vielmehr wurden die einzelnen Protoplaneten durch die Wucht der Kollisionen auch oftmals wieder auseinandergerissen. Auch der Asteroid (4) Vesta scheint in der Vergangenheit einen gewaltigen Aufprall durchlebt zu haben. Darauf deutet ein gewaltiger Krater auf der südlichen Hemisphäre hin.

Die Vestoiden, eine Gruppe von Asteroiden, deren Zusammensetzung spektroskopischen Untersuchungen zufolge dem Krustengestein von Vesta gleicht, sind höchstwahrscheinlich bei diesem Einschlag entstanden. Zudem nehmen die Planetenforscher an, dass die zugrundeliegende gewaltige Kollision auch tiefer unter der Vesta-Oberfläche liegendes Material ins All schleuderte. Als Indiz für diese Annahme gelten einige Meteoriten, welche auf der Erde gefunden wurden. Diese Meteorite der HED-Gruppe, einer Untergruppe der Achondrit-Meteoriten, bestehen aus einem ähnlichem Gestein wie Vestas innere Schicht.

Bisher bestanden jedoch immer noch Zweifel an dieser Theorie. Der Hauptkritikpunkt war, dass sich in unserem Sonnensystem bisher kein vergleichbarer Körper aus Vestas Mantel finden ließ.

Erst der kürzlich näher untersuchte erdnahe Asteroid 1999 TA10 schließt nun anscheinend diese Lücke. Mit Hilfe eines Teleskops der amerikanischen Weltraumbehörde NASA auf Hawaii haben die Forscher die Infrarot-Strahlung analysiert, die 1999 TA10 in das Weltall reflektiert. In diesem Wellenlängenbereich hinterlassen die Gesteine, die für die Zuordnung zu Vesta in Frage kommen, im Spektrum ihre charakteristischen Fingerabdrücke. Neben kalziumhaltigem Wollastonit deuten die Messungen vor allem auf das Vorhandensein von Ferrosilit hin, dessen geringerer Eisenanteil auf die Herkunft aus tieferen Schichten von Vesta hindeutet. Dies wiederum würde bedeuten, dass der Ursprungskörper in der Vergangenheit aufgeschmolzen wurde, so dass schwere Elemente in den Kern absinken konnten.

“Diese Stoffe kommen zwar sowohl in der Kruste, als auch im Mantel von Vesta vor”, so Dr. Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. “Entscheidend ist jedoch das Verhältnis.” Im Fall von 1999 TA10 ist der atomare Eisengehalt dabei deutlich geringer als etwa bei den bereits bekannten Vestoiden. “Vieles spricht dafür, dass wir es bei 1999 TA10 mit einem Stück aus dem Innern von Vesta zu tun haben”, so Nathues. 1999 TA10 erlaubt somit auch Rückschlüsse auf seinen Ursprungskörper. Computermodelle der Oberfläche von Vesta, die auf Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubblezurückgehen, beziffern die Tiefe des Südpolkraters mit maximal 25 Kilometern. Der neue Fund beweist nun, dass dies gleichzeitig der maximalen Dicke der äußeren Gesteinskruste von Vesta entspricht.
Um die Vorgänge bei der Planetenbildung vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren zu rekonstruieren, sind die Planetenwissenschaftler darauf angewiesen, die Dicke der einzelnen Schichten von Vesta möglichst exakt zu bestimmen. Nur mit diesen Daten lässt sich letztendlich berechnen, aus welchem Materialgemisch der Protoplanet einstmals entstanden ist. Damit lassen sich dann wiederum Rückschlüsse darauf ziehen, welche Materialien bei der Entstehung unseres Sonnensystems in welchem Verhältnis zur Verfügung standen.

NASA
Noch vor der Ankunft bei dem Zwergplaneten Ceres wird die Raumsonde DAWN den Asteroiden Vesta im Juli 2011 erreichen und ein Jahr lang umkreisen und untersuchen.
(Bild: NASA)

Die Ergebnisse der zugrunde liegenden Studie wurden am 5. Dezember 2010 von dem Team um Vishnu Reddy in der Fachzeitschrift ICARUS veröffentlicht. Weitere Informationen über den inneren Aufbau des Asteroiden (4) Vesta erhoffen sich die Wissenschaftler in naher Zukunft von der Asteroiden-Mission DAWN der NASA. DAWN wird Vesta im Juli 2011 erreichen und anschließend etwa ein Jahr lang auf seinem Orbit um unsere Sonne begleiten. Neben anderen Instrumenten befinden sich zwei Kameras an Bord der Sonde, welche unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des DLR und des IDA entwickelt und gebaut wurden.

Während der einjährigen Untersuchung des Asteroiden wird DAWN Vesta mit seinen Instrumenten eingehend untersuchen. In einer ersten Phase ist dabei eine Kartierung der Oberfläche aus einem Orbit von etwa 660 Kilometern Höhe vorgesehen. Der sich dabei ergebende Blickwinkel ermöglicht eine nahezu lückenlose Erfassung der Oberfläche mit den Kameras und des “Visible and Infrared Mapping Spectrometer” (VIR) der Raumsonde. Speziell mit letzterem soll dabei die mineralogische Zusammensetzung des Asteroiden analysiert werden.

Nach Beendigung der Untersuchungen aus diesem sogenannten “High Altitude Mapping Orbit” (HAMO) wird DAWN im Verlauf von mehreren Wochen die Umlaufbahn um Vesta absenken und in einen niedrigeren Orbit um den Asteroiden eintreten. Aus einer Höhe von dann nur noch etwa 180 Kilometern können einzelne Details der Oberfläche noch deutlich besser aufgelöst werden. Während dieser etwa zwei Monate andauernden Phase der “Low Altitude Mapping Orbits” (LAMO) wird DAWN nur noch etwa vier Stunden für eine komplette Umrundung von Vesta benötigen.

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