Solar Orbiter gestartet, um Sonne zu untersuchen

Solar Orbiter ist ins All gestartet, um die Sonne zu untersuchen. Eine Pressemitteilung der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA).

Quelle: ESA.

Atlas-V-Start mit Solar Orbiter an Bord. (Bild: NASA)
Atlas-V-Start mit Solar Orbiter an Bord. (Bild: NASA)

Die ESA-Mission Solar Orbiter hat offiziell begonnen. Die gleichnamige Raumsonde startete mit einer Trägerrakete vom Typ Atlas V 411 am 10. Februar 2020 um 05:03 CET von Cape Canaveral in Florida aus in den Weltraum. Die Aufgabe des Solar Orbiter: Unsere Sonne aus ganz neuen Perspektiven heraus zu erforschen.

Signale des Raumfahrzeuges wurden um 06:00 CET von der Bodenstation in New Norcia Station empfangen, nachdem es in einer niedrigen Erdumlaufbahn von der oberen Stufe der Trägerrakete getrennt worden war.

Auf in Richtung Sonne

Solar Orbiter ist eine ESA-Mission unter maßgeblicher Beteiligung der NASA. Sie wird erstmals hochauflösende Bilder der nicht kartografierten Polarregionen der Sonne aufnehmen und so beispiellose Einblicke in die Funktionsweise unseres Muttersterns liefern.

Die Bodenstation New Norica hat das Signal von Solar Orbiter erfasst. (Bild: ESA)
Die Bodenstation New Norica hat das Signal von Solar Orbiter erfasst. (Bild: ESA)

Eine weitere Aufgabe der Raumsonde ist zu untersuchen, welchen Einfluss die starke Strahlung und die geladenen Teilchen, die von der Sonne ausgespuckt und vom Solarwind durch unser Sonnensystem getragen werden, auf unseren Heimatplaneten Erde haben. Das wird uns dabei helfen, unser Verständnis von stürmischen „Weltraumwetter“-Fronten zu verbessern und diese vorherzusagen. Sonnenstürme haben zum Beispiel das Potenzial, unsere Stromnetze lahmzulegen sowie den Flugverkehr und die Telekommunikation zu stören. Außerdem stellen sie eine Gefahr für Astronauten auf Weltraumspaziergängen dar.

„Wir Menschen wussten schon immer, wie wichtig die Sonne für das Leben auf unserer Erde ist. Seit jeher beobachten wir sie und erforschen bis ins kleinste Detail, wie sie funktioniert. Deshalb ist uns auch schon lange bekannt, wie gefährlich die überaus starken Sonnenstürme für unser alltägliches Leben sein können“, sagt Günther Hasinger, ESA-Direktor für Wissenschaft.

„Am Ende der Mission Solar Orbiter werden wir so viel wie noch nie über die Sonne wissen – zum Beispiel werden wir mehr über die versteckte Kraft herausfinden, die für das sich verändernde Verhalten der Sonne verantwortlich ist, sowie über den Einfluss, der dadurch auf die Erde ausgeübt wird.“

Solar Orbiter wird erstaunliche Dinge bewirken. In Kombination mit den anderen kürzlich gestarteten NASA-Missionen zur Erforschung der Sonne gewinnen wir beispiellose neue Erkenntnisse über unseren Stern”, sagte Thomas Zurbuchen, stellvertretender Wissenschaftsadministrator der NASA am Hauptsitz der Agentur in Washington. “Zusammen mit unseren europäischen Partnern treten wir in eine neue Ära der Heliophysik ein, die das Studium der Sonne verändern und die Sicherheit von Astronauten auf ihrem Weg zu den Mondmissionen des Artemis-Programms verbessern wird”.

Künstlerische Darstellung von Solar Orbiter vor der Sonne. (Bild: ESA/ATG Medialab)
Künstlerische Darstellung von Solar Orbiter vor der Sonne. (Bild: ESA/ATG Medialab)

Im sonnennächsten Bereich – also in etwa 42 Millionen Kilometer von der Sonnenoberfläche entfernt – wird sich der Solar Orbiter innerhalb der Merkur-Umlaufbahn bewegen. Dabei schützt eine innovative Hitzeschildtechnologie die wissenschaftlichen Instrumente der Raumsonde – denn so nah an der Sonne herrschen Temperaturen von bis zu 500º C, also bis zu 13-mal so hohe Temperaturen wie in Erdumlaufbahnen.

„Vor gut 20 Jahren wurde die Idee zu dieser Mission entwickelt. Nach sechs Jahren Bauzeit und über einem Jahr des Testens haben wir zusammen mit unseren Partnern aus der Industrie neue Technologien entwickelt, die extremer Hitze standhalten können, und die Herausforderung gemeistert, ein Raumschiff zu bauen, das die Sonne aus nächster Nähe untersuchen kann“, so César García Marirrodriga, ESA-Projektmanager für Solar Orbiter.

Unseren Mutterstern aus neuen Perspektiven betrachten

Der Solar Orbiter wird knapp zwei Jahre unterwegs sein, bis er seine erste operative Umlaufbahn erreicht. Auf ihrem Weg wird die Raumsonde die Gravitation von Erde und Venus für Swing-by-Manöver nutzen, um schließlich die Sonne in einem extrem elliptischen Orbit zu umkreisen. Dabei wird der Solar Orbiter die Gravitation der Venus nutzen, um sich aus der Ekliptikebene des Sonnensystems, also der Heimat unserer Planetenbahnen, herauszukatapultieren. Dabei wird der Neigungswinkel des Raumsonden-Orbits erhöht – was uns ganz neuen Blicke auf die nicht kartografierten Polarregionen unseres Muttersterns ermöglicht.

Die Pole der Sonne sind von der Erde und anderen Raumfahrzeugen aus nicht sichtbar. Dabei gehen Wissenschaftler davon aus, dass gerade diese Regionen Schlüsselinformationen über die Sonnenaktivität bereithalten. Im Verlauf der fünfjährigen Mission wird der Solar Orbiter eine Bahnneigung von 17º über und unter dem Sonnenäquator erreichen. Die bereits vorgeschlagene Erweiterung der Mission sieht dann sogar einen Neigungswinkel von bis zu 33º vor.

„Ein Raumfahrzeug so nah an der Sonne zu bedienen, ist eine enorme Herausforderung“ sagt Sylvain Lodiot, ESA-Spacecraft Operations Manager für Solar Orbiter.

„Unser Team muss die kontinuierliche und akkurate Ausrichtung des Hitzeschildes sicherstellen, um potenzielle Beschädigungen durch die Sonnenstrahlung und Wärmefluss zu vermeiden. Gleichzeitig müssen wir ständig in der Lage sein, schnell und flexibel auf die Anfragen der Wissenschaftler zu reagieren, also den Betrieb der Instrumente entsprechend der jeweils aktuellsten Beobachtungen der Sonnenoberfläche anpassen.“

Solar Orbiter wird die turbulente Sonnenoberfläche, ihre heiße äußere Atmosphäre sowie Veränderungen des Solarwindes mithilfe einer Kombination von zehn In-Situ- und Fernerkundungs-Instrumenten untersuchen. Ferngesteuerte Kameras werden hochauflösende Bilder der Sonnenatmosphäre – der sogenannten Korona – sowie der Sonnenscheibe aufnehmen. In-Situ-Apparate werden den Solarwind und das Sonnenmagnetfeld in der näheren Umgebung der Raumsonde vermessen.

„Die Kombination aus ferngesteuerten Instrumenten, die die Sonne beobachten, und In-Situ-Geräten, die ihre Kraft vermessen, werden es uns ermöglichen, das, was wir sehen und das, was wir durch den Solarwind spüren, miteinander in Verbindung zu setzen“, sagt Daniel Müller, ESA-Projektwissenschaftler für Solar Orbiter.

„Dies wird uns beispiellose Erkenntnisse in die Funktionsweise unseres Muttersterns liefern, etwa zum elfjährigen Aktivitätszyklus der Sonne und bezüglich der Frage, wie die Sonne die Heliosphäre, also die magnetische Blase, in der sich auch unsere Erde befindet, bildet und kontrolliert.“

Wir alle sind Solar Orbiter

Dabei wird der Solar Orbiter die Sonne nicht alleine aus nächster Nähe untersuchen: Die NASA-Raumsonde Parker Solar Probe ist bereits auf dem Weg zu unserem Mutterstern.

Künstlerische Darstellung der Parker Solar Probe, deren Messungen von Solar Orbiter ergänzt werden. (Bild: 
NASA/Johns Hopkins APL/Steve Gribben)
Künstlerische Darstellung der Parker Solar Probe, deren Messungen von Solar Orbiter ergänzt werden. (Bild:
NASA/Johns Hopkins APL/Steve Gribben)

Die Raumsonden verfolgen zwar unterschiedliche Ziele, die von ihnen gesammelten Ergebnisse sollen sich aber gegenseitig ergänzen. Dafür werden sowohl der Solar Orbiter als auch die Parker Solar Probe in einem jeweils einzigartigen Orbit unterwegs sein. Die Parker Solar Probe wird der Sonne dabei weitaus näher kommen als die ESA-Raumsonde und dabei untersuchen, wie der Sonnenwind entsteht. Dafür ist sie nicht mit Kameras ausgestattet und ermöglicht dementsprechend keine direkten Ansichten der Sonne. Die Umlaufbahn des Solar Orbiters befindet sich dagegen in idealer Entfernung, um die Sonne aus unterschiedlichen Perspektiven umfassend zu analysieren, wofür sowohl ferngesteuerte als auch In-Situ-Instrumente zur Verfügung stehen. So wird der Solar Orbiter auch zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die Ansicht der Sonnenpole ermöglichen. 

Neben der Verfolgung der eigenen Missionsziele wird der Solar Orbiter ergänzende Informationen liefern, mit denen die Messungen der Parker Solar Probe besser verstanden werden können. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden die beiden Raumsonden komplementäre Datensätze sammeln, dank derer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können, als wenn man die Beobachtungen der Raumsonde getrennt voneinander auswerten würde.

„Der Solar Orbiter ist der neueste Zuwachs des Heliophysics System Observatory der NASA. Gemeinsam mit der Parker Solar Probe wird die Raumsonde die größten Mysterien der Sonne und ihrer erweiterten Atmosphäre entschlüsseln“, sagt Holly Gilbert, NASA-Projektwissenschaftlerin für Solar Orbiter. „Was für ein außergewöhnliches Abenteuer! Die Kombination dieser beiden Missionen mit ihren beeindruckenden, hochinnovativen Technologien wird unser Wissen auf eine ganz neue Ebene heben.“

Damit wird Solar Orbiter auch auf den Erkenntnissen anderer Missionen, wie der ESA-NASA-Kooperation Ulysses oder dem Solar and Heliophysics Observatory (SOHO), aufbauen – und uns die bisher umfangreichste Analyse der Sonne sowie ihres Einflusses auf die Erde ermöglichen.

Über Solar Orbiter

Solar Orbiter ist eine von der ESA geleitete Mission mit maßgeblicher Beteiligung der NASA. Als Generalunternehmer fungiert Airbus Defence and Space mit Sitz in Stevenage, UK. Solar Orbiter ist die erste „Mittelklasse“-Mission, die unter dem derzeitigen ESA-Rahmenprogramm Cosmic Vision 2015-25 stattfindet.

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