NASA-Entwurf für Tiefraumhabitat konkretisiert

Ein mögliches Ziel für zukünftige Missionen der NASA, die über den Erdorbit hinausgehen sind erdnahe Asteroiden. Dafür wird neben Antriebssystemen, Start- und Landeraumschiff sowie Explorationsfahrzeug auch ein Wohn- und Arbeitsraum benötigt, der effizient und über längere Zeit Sicherheit bietet.

Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: NASA.

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Kette einzelner Komponenten eines zukünftigen Tiefraumfahrzeuges der NASA: Solarelektrisches Antriebssystem (SEP), Habitat (DSH) mit Explorationsfahrzeug (MMSEV), Zubringerraumschiff (Orion) und kryogenes chemisches Antriebssystem (CPS), (Bild: NASA)

Eine spezielle Arbeitsgruppe am Johnson Space Center der NASA (Human Spaceflight Architecture Team = HAT) hat sich darüber ausführlich Gedanken gemacht und dabei auch all die Kleinigkeiten berücksichtigt, die in Zukunftsvisionen oft unerwähnt bleiben. Michelle Rucker und Shelby Thompson legten dazu vor kurzem eine Dokumentation vor.

Zunächst wurden die Anforderungen an die Mission festgelegt. Zielvorgabe ist ein erdnaher Asteroid, der auf einer hochelliptischen Bahn erreicht werden kann. Dabei werden 157 Tage für den Anflug, 30 Tage für die Erforschung sowie 193 Tage für die Rückkehr in Erdnähe veranschlagt. Damit kommt man auf eine Missionsdauer von 380 Tagen. Für eine vierköpfige Besatzung wurde unter Berücksichtigung verschiedener Standards der NASA aber auch der besonderen Bedingungen für einen Flug, bei dem man keine zwischenzeitlichen Versorgungslieferungen von der Erde erwarten kann, eine konkrete Planung der benötigten Materialien, Arbeits- und Wohnräume sowie der erforderlichen Technik erarbeitet.

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Studie eines geplanten, frei fliegenden Forschungs- fahrzeuges der NASA (SEV)
(Bild: NASA)

Ebenso berücksichtigt werden mussten Maximalvorgaben für die mit einem neuen Trägersystem verfügbaren Maße einer mit einem Start transportierbaren Nutzlast. Hier ging man von einer Länge bis zu 12 Meter und einem Durchmesser bis zu 7,30 Meter aus. Für das ermittelte Gesamtvolumen von 275 Kubikmeter ergeben sich damit für das Deep Space Habitat (DSH) eine Länge von 8 und ein Innendurchmesser von 7 Metern bei zylindrischer Form. Das Habitat soll zudem Kopplungsaggregate an beiden Enden für das Andocken einerseits an ein solarelektrisches Antriebssystem (SEP) am oberen Ende und ein Zubringerraumschiff vom Typ Orion am unteren besitzen. Außerdem sind auch an gegenüberliegenden Stellen der Seitenwände zwei Kopplungsaggregate vorgesehen. Das eine dient zum Andocken eines kleinen Forschungsfahrzeugs für 2 Personen, mit dem man bei mehreren Einzelmissionen unterschiedliche Stellen des Zielasteroiden anfliegen kann (Multi Mission Space Exploration Vehicle = MMSEV). Das andere dient als Reserve und Ausgang für eine Luftschleuse für Außenbordarbeiten.

Schließlich soll das Gesamtsystem noch mit einer kryogenen Antriebseinheit inklusive Tanks und eigener Energieversorgung für starke Beschleunigungs- und Bremsmanöver verbunden werden. Insgesamt ergibt sich damit eine Kette von 4 Hauptkomponenten mit dem MMSEV als zusätzlicher Huckepack-Nutzlast.

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Der Seitenriss zeigt die 4 Decks im Überblick.
(Bild: NASA)

Im oben erwähnten Papier geht es allerdings in erster Linie um das Wohn- und Arbeitsmodul, das während der langen Überfahrten sowie in der Forschungsphase als alleiniger Aufenthaltsraum dienen soll. Dieser zylindrische Körper wird nun in 4 Decks eingeteilt. Die oberen 3 besitzen eine Höhe von 2,10 m und einen Durchmesser von jeweils 7 Metern bis auf eine kleine Rundung in Deck 1. Die Außenbereiche aller Decks dienen allerdings als Stauraum für Versorgungsgüter sowie als Montageorte verschiedener Systeme. Gleichzeitig bieten sie damit einen gewissen Schutz vor gefährlicher Strahlung.

Im Deck 1 (68 m3) finden sich Messe und Küche sowie Steuerungskonsolen für verschiedene Aufgaben. Dazu gehören die Unterstützung von Außenbordarbeiten, Teleoperationen, Training und Kommunikation. Damit wird Deck 1 nicht nur als Wohn- sondern auch als Arbeitsort genutzt. Durch diese geteilte Nutzung hat man gegenüber einem ersten Modell zusätzlichen Raum für dringend benötigte Subsysteme gewonnen.

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Deck 1 mit Gemeinschaftsraum, der teilweise aber auch “dienstlich” genutzt wird. (Bild: NASA)

Laut NASA-Richtlinie sind beim Entwurf eines bemannten Raumfahrzeugs individueller Lebenraum, gemeinsam genutzter Lebensraum, Raum für Flugoperationen, Raum für Missionsoperationen, Raum für Subsysteme, Lagerraum und Reserven zu berücksichtigen. Nach der Überarbeitung wurden dem Individualraum 19% (vorher 18%), dem Gruppenraum 13% (12%), für Flugoperationen wie Steuerung oder Lageregelung 15% (20%), für Missionsarbeiten wie Exkursionen, Ausstiege, die Untersuchung von Bodenproben u.ä. 14% (20%), für Subsysteme 29% (22%) und zur Lagerhaltung 8% (6%) eingeräumt. Die Reserve als Rückzugsraum in Notfällen liegt in beiden Fällen bei 2% (5,4 m3).
Deck 2 (81 m3) soll 4 um den zentralen Verbindungstunnel herum gruppierten Quartieren mit etwa 2 x 2 x 3 Metern Abmessungen Raum bieten. Darum angeordnet sind mehrere Wassertanks sowie weiteres Equipment, das einen zusätzlichen Strahlenschutz bietet.

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Deck 3 dient der Arbeit und dem Training. Das Laufband ist zwar von diesem Deck aus nutzbar, wird aber im Lager-Deck 4 montiert. (Bild: NASA)

Deck 3 (81 m3) ist das Arbeitsgeschoss. Hier befinden sich Ausstiegsschleuse, Durchgang zum Erkundungsfahrzeug, biologisch-medizinische Einrichtungen, der Trainingsbereich, Handschuhboxen und Arbeitstisch zur Untersuchung der eingesammelten Proben, Hygieneabteil und Lagerraum für Werkzeuge und Raumanzüge. Außerdem können hier Wartungsarbeiten an diesen Geräten vorgenommen werden.
Deck 4 (45 m3) ist nur etwa 1,70 m hoch und unten etwas abgerundet. Dieser Raum dient als weitläufiges Lager für Lebensmittel, Bekleidung, Hygieneartikel, Ersatzteile und vieles mehr. Die Kalkulation der HAT sieht beispielsweise 4.560 Einzelmahlzeiten und 7.600 Päckchen mit unterschiedlichen Getränkepulvern, vom Fruchtsaft bis zu Kaffee und Tee vor. Während die Unterwäsche täglich gewechselt werden soll, muss der Trainingsdress 3 Tage verwendet werden. Die normale Arbeitskleidung soll im Durchschnitt nach 10 Tagen gewechselt werden, warme Übersocken sollen 30 Tage halten. Berücksichtigen muss man auch feuchte und trockene Tücher zur Körperhygiene, Zahnpasta, Haarwaschmittel und natürlich Abfallbehälter. Auch die natürlichen Ausscheidungen des Menschen müssen entsorgt werden. Luft und Wasser sollen zumindest teilweise aufbereitet und wieder verwendet werden.
Insgesamt sind von den 275 m3 nur 132 frei nutzbar. Dies sind rund 33 m3 pro Besatzungsmitglied, etwa die Hälfte des Raumes, welcher der gewöhnlich sechsköpfigen Besatzung der Internationalen Raumstation zur Verfügung steht.

Der mehrstufige Design-Prozess der einzelnen Komponenten eines Tiefraumfahrzeuges soll auch in den kommenden Jahren fortgeführt werden. Die von der Bush-Administration in die Wege geleitete und vom gegenwärtigen Präsidenten der USA, Barack Obama, präzisierte Ausrichtung der US-Raumfahrt über die Erdbahn hinaus erfordert dazu weitere Anstrengungen.

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