Orion: Designprüfung für den nächsten Flug

Vor Kurzem wurde mit einer rigorosen Designprüfung von Orion begonnen, dem neuen Raumschiff der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur NASA. Unterdessen machen alle Elemente des Raumschiffs Fortschritte auf dem Weg zum nächsten Flug, der Orion zum Mond führen wird.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF, Spaceflightnow, OrbitalATK.

Orion im niedrigen Erdorbit- Illustration. (Bild: NASA)

Die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur NASA will nach über 40 Jahren wieder bemannt zu Zielen jenseits der niedrigen Erdumlaufbahn aufbrechen. Zunächst sollen die nötigen Technologien für Flüge zum Mars erprobt werden, bevor dann erstmals Menschen auf der Oberfläche des roten Planeten landen sollen. Derartige Missionen erfordern neben einer großen Rakete auch ein Raumschiff, in dem sich die Astronauten während des Fluges aufhalten und danach wieder sicher auf der Erde landen können.

Mit Orion entwickelt die NASA momentan ein solches Raumschiff. Es ist der legitime Nachfolger von Apollo, mit dem vor über 40 Jahren erstmals Menschen zum Mond aufbrachen: Schließlich ist es anders als das Space Shuttle dazu in der Lage, zu Zielen jenseits der niedrigen Erdumlaufbahn zu fliegen. Doch obwohl Orion vielleicht auf den ersten Blick Apollo ähnelt, ist das Raumschiff wesentlich größer, moderner und leistungsfähiger. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Entwicklung eines solchen Raumschiffs ein aufwendiges Unterfangen ist. Seit fast zehn Jahren arbeiten die NASA und der Hersteller Lockheed Martin schon daran, mehrere tausend Mitarbeiter in den gesamten Vereinigten Staaten haben unzählige Simulationen, Berechnungen und Tests durchgeführt. Im Dezember 2014 wurde mit dem ersten Testflug EFT-1 (Exploration Flight Test 1) ein wichtiger Erfolg auf dem Weg zum fertigen Raumschiff errungen. Vor Kurzem wurde dann mit dem nächsten großen Schritt begonnen: Dem Critical Design Review (CDR), einer rigorosen Überprüfung des Designs.

Die einzelnen Elemente von Orion- Illustration. Von links nach rechts: Verkleidungen, Servicemodul, Crewmodul, Startabbruchsystem. (Bild: NASA

Mit dieser Designprüfung wurde am 3. August am Johnson Space Center in Houston begonnen. Dabei handelt es sich um einen monatelangen Prozess, bei dem die beteiligten Ingenieure jedes einzelne Detail des Raumschiffs unter die Lupe nehmen und mithilfe von tausenden Dokumenten mögliche Fehlerquellen suchen. So soll sichergestellt werden, dass alle Elemente aufeinander abgestimmt sind, um mit der Herstellung, dem Zusammenbau und Tests im vollen Maßstab zu beginnen. Hierbei werden alle Systeme untersucht, die sowohl bei dem nächsten Flug EM-1 (Exploration Mission 1) als auch bei dem nachfolgenden bemannten Flug EM-2 (Exploration Mission 2) zum Einsatz kommen sollen. Systeme, die nur für EM-2 benötigt werden, werden bei einem eigenen Critical Design Review im Herbst 2017 evaluiert. Die jetzige Designprüfung soll Ende Oktober abgeschlossen werden.

„Unser Team im gesamten Land arbeitet unglaublich hart daran, ein Raumschiff zu entwickeln, das dazu in der Lage ist, die Grenzen der menschlichen Existenz weiter in unser Sonnensystem auszudehnen“, kommentierte Mark Geyer, der Manager des Orion-Programms. Tatsächlich haben die NASA und Lockheed Martin in den vergangenen Monaten große Fortschritte bei der Entwicklung von Orion gemacht. Hier ein kurzer Überblick:

Die Funktionsweise des Startabbruchssystems: Zunächst „zieht“ der Abort-Motor das Raumschiff aus der Gefahrenzone heraus, dann wird das Startabbruchsystem abgeworfen, sodass die Raumkapsel sicher landen kann. (Bild: NASA)

Startabbruchssystem (Launch Abort System, LAS)

Das turmförmige Startabbruchssystem soll als eine Art „Rettungsrakete“ Orion mitsamt der Besatzung bei einer Gefahr in Sicherheit befördern. Während die Designprüfung des gesamten Raumschiffs noch im Gange ist, wurde das CDR des Hauptbestandteils hier bereits am 11. August abgeschlossen. Dabei handelt es sich um den sogenannten Launch Abort Motor, einen Feststoffmotor, der die Raumkapsel innerhalb von wenigen Sekunden mit der dreifachen Beschleunigung eines Dragsters aus dem Gefahrenbereich befördert. Durch diese erfolgreich abgeschlossene Designprüfung wurde bewiesen, dass der Motor die Anforderungen erfüllt und bereit für Herstellung, Zusammenbau und Tests im vollen Maßstab ist. Diese Arbeiten werden in den Fabriken des Herstellers OrbitalATK in Magna, Promontory und Clearfield, Utah, stattfinden. Da bei dem nächsten Flug EM-1 jedoch noch keine Besatzung an Bord sein wird, wird der Abort Motor bei diesem Flug inaktiv bleiben.

Crewmodul (CM)

Die ersten Metallteile in der Michoud Assembly Facility. Vorne ist der Andocktunnel, im Hintergrund die untere Trennplatte zu erkennen. (Bild: NASA/MAF)

In dem kapselförmigen Crewmodul befinden sich die Astronauten während der Mission. Es verfügt über einen Hitzeschild und Fallschirme zur sicheren Landung nach dem Flug. Die Hauptstruktur bildet die Druckkabine aus einer Aluminiumlegierung, die als einziges Element mit Luft gefüllt sein wird. Diese Druckkabine besteht aus mehreren Metallplatten, die in der Michoud Assembly Facility (MAF) in Louisiana durch Rührreibschweißen miteinander verbunden werden. Die einzelnen Metallplatten wurden in den vergangenen Monaten bei verschiedenen Unternehmen gefräst, die meisten sind bereits in der MAF angekommen. Nächsten Monat sollen die Schweißarbeiten beginnen, Anfang 2016 soll die fertige Druckkabine dann im Kennedy Space Center in Florida ankommen. Diese Druckkabine wird tatsächlich bei EM-1 fliegen, es handelt sich um Flughardware. Um die nötigen Prozesse zu trainieren, wird momentan ein „pathfinder“ zusammengeschweißt, ein Prototyp der Druckkabine.

Das Mockup für das Testlabor. (Bild: Lockheed Martin)

Gesteuert werden soll Orions Flug von der Avionik (der Flugelektronik) und der Software. Um diese Systeme vor dem eigentlichen Flug zu testen, hat Lockheed Martin vor Kurzem in ihrer Fabrik in Denver, Colorado, ein Testlabor für die Integration der Elektronik eröffnet. In diesem Labor verfügen die Ingenieure auch über ein Mockup einer Orion-Kapsel, das vorher in Littleton gebaut wurde. Dieses Mockup wird dann mit der Zeit mit den Verkabelungen, Sensoren, Batterien, Avioniksystemen und der Software ausgestattet. So können die Orion-Ingenieure das Mockup nutzen, um die geplante Konfiguration der Komponenten zu verifizieren. Das Mockup wird dann mit Simulatoren des Servicemoduls, Trägerrakete und der Bodenanlagen verbunden. Danach wird das Team jeden einzelnen Abschnitt der EM-1-Mission vom Start bis zur Landung testen und simulieren.

Servicemodul (SM)

Der Strukturtestartikel des Servicemoduls in der Fabrik von Thales Alenia. (Bild: NASA/ESA)

Das zylinderförmige Servicemodul soll das Crewmodul antreiben und es mit Strom, Luft, Wasser und Thermalkontrolle versorgen. Die Besonderheit dieses Moduls liegt darin, dass es nicht in den USA, sondern von der Firma Airbus Defence and Space in Bremen gebaut werden soll. Es basiert auf Technologie des inzwischen außer Dienst gestellten europäischen Raumtransporters ATV (Automated Transfer Vehicle). Doch vor dem Flugeinsatz soll ein Testartikel dieses Servicemoduls in der Plum Brooke Station im US-Bundesstaat Ohio Belastungstests unterzogen werden. Dieser Testartikel wird momentan bei Thales Alenia in Turin gefertigt, vorläufige Tests der Struktur wurden bereits abgeschlossen. Im Oktober soll dieser Testartikel dann in Plum Brooke ankommen, wo er mit einem anderen Testartikel verbunden wird: Dem des Adapters zum Crewmodul. Dieser ist bereits in der Testanlage angekommen, momentan wird er einer sogenannten Modalanalyse unterzogen, bei der der Adapter in Schwingung versetzt wird, um ungünstiges Verhalten zu entdecken. Die integrierte Struktur bestehend aus den Testartikeln des Adapters und des eigentlichen Servicemoduls soll dann diesen Herbst weiteren Belastungstests ausgesetzt werden.

Verkleidungen

Der erste Test der Absprengung der Verkleidung. (Bild: Lockheed Martin)

Während des Starts in den Weltraum wird das Servicemodul durch drei Verkleidungen von den Umwelteinflüssen abgeschirmt. Wenn sie nach einigen Minuten nach dem Start nicht mehr benötigt werden, werden die drei Verkleidungen in einer sorgfältig abgestimmten Prozedur durch mehrere Sprengladungen und Federpakete zur Seite hin weggesprengt. Inzwischen wurde das Design des Raumschiffs geändert (es wurde Masse eingespart), sodass auch das Design der Verkleidungen geändert werden konnte. So wurde etwa die Befestigung modifiziert, also wo und wie die Sprengladungen und Federpakete angebracht sind. Um dieses neue Design zu testen, hat die Herstellerfirma Lockheed Martin zwei Tests in Sunnyvale, Kalifornien, durchgeführt. Bei ihnen wurde am Boden eine einzelne Verkleidung abgesprengt. Beim ersten Test im Juni wurde die Absprengung unter den erwarteten Bedingungen simuliert, beim zweiten Test im Juli wurde eine Verzögerung von 10 Millisekunden eingebaut. Vorläufige Daten zeigen, dass bei beiden Tests alles wie geplant verlaufen ist.

Orion während EM-1- Illustration. (Bild: NASA)

Diese Vorbereitungen erfolgen im Rahmen von Orions erstem Flug zum Mond nicht später als im November 2018, einer Mission mit der Bezeichnung Exploration Mission 1 (EM-1). Nachdem Orion auf seiner Trägerrakete, dem Space Launch System, in einen niedrigen Erdorbit gestartet ist, zündet das Triebwerk der Oberstufe erneut, sodass das unbemannte Raumschiff nun in Richtung Mond fliegt. Das Raumschiff bremst daraufhin mithilfe seines Servicemoduls in eine Umlaufbahn 70.000 km über der Mondoberfläche ein. Durch eine weitere Zündung des Triebwerks des Servicemoduls verlässt das Raumschiff nach etwa einer Woche diese Umlaufbahn und fliegt wieder zurück zur Erde. Das Servicemodul wird abgetrennt und das kapselförmige Crewmodul tritt mit über 39.000 km/h in die Erdatmosphäre ein, bevor die Kapsel im Pazifik an Fallschirmen landet. Diese Mission wird den ersten Flug eines zumindest theoretisch bemannbaren Raumschiffs zum Mond seit 45 Jahren und den weitesten Flug eines solchen Raumschiffs aller Zeiten darstellen.

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