Raumfahrer von der ISS zu Gast im Kontrollzentrum

Bei einer Veranstaltung im European Space Operations Center (ESOC) in Darmstadt am 22. Juni 2007 berichteten Thomas Reiter und 4 weitere Raumfahrer von ihrem Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS und diskutierten über zukünftige Missionen zum Mond und zum Mars.

Autor: Maria Steinrück

Der deutsche Astronaut Thomas Reiter
(Bild: Raumfahrer.net/Herbert Steinrück)

Nach einer kurzen Begrüßung von Jocelyne Landeau-Constantin, die diese Veranstaltung moderierte, richtete zunächst der deutsche Astronaut Thomas Reiter einige Worte über seinen Langzeitaufenthalt auf der ISS an das Publikum. Doch bevor er näher darauf eingehen konnte, wurden er, die Astronauten Jeffrey Williams und Michael Lopez-Alegria sowie die Kosmonauten Pawel Winogradow und Michail Tyurin von offizieller Seite begrüßt:

Der hessische Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel freute sich über den Besuch von Thomas Reiter, der in Hessen geboren wurde, und wies auf die Bedeutung des Kontrollzentrums für die Region hin. Auch Gaele Winters, Leiter des ESOC und Direktor für Operationen und Infrastruktur der ESA, hieß die Astronauten willkommen.

Schließlich waren die Raumfahrer an der Reihe und erzählten von ihrer Mission. Zu ihrem Vortrag wurden auch Videos gezeigt. Im März 2006 starteten Pawel Winogradow und Jeffrey Williams mit einem Sojus-Raumschiff zur ISS. Der deutsche Astronaut Thomas Reiter folgte ihnen wenige Monate später: Am 4. Juli hob das Space Shuttle Discovery von der Startrampe in Florida ab. Nach zwei Tagen dockte das Space Shuttle an der ISS an. Thomas Reiter erreichte so seinen Arbeitsplatz und sein Zuhause für die nächsten sechs Monate.

Wenn die Raumfahrer aus einem der Fenster schauten, bot sich ihnen ein faszinierender Anblick: ihr Heimatplanet, die Erde. Auch auf der Nachtseite konnten sie spannende Schauspiele beobachten: In höheren Breitengraden zeigten sich Polarlichter. Auch die beleuchteten Städte konnte man nachts gut erkennen.

Thomas Reiter bei seinem Außenbordeinsatz
(Bild: NASA)

Einen Großteil der Zeit verbrachten die Astronauten mit wissenschaftlichen Experimenten. Dazu gehörten sowohl medizinische als auch physikalische oder technische Versuche. Die Raumfahrer mussten sich zum Beispiel regelmäßig Blutproben entnehmen und diese für die Analyse auf der Erde konservieren. Ein weiteres medizinisches Experiment befasste sich mit den Auswirkungen der kosmischen Strahlung auf das Gehirn. Für diesen Versuch mussten die Raumfahrer ihren Kopf zwischen eine Anordnung von Messinstrumenten stecken. Das hört sich allerdings schlimmer an, als es für die Raumfahrer war.

Einer der Höhepunkte von Thomas Reiters Mission war der Außenbordeinsatz, den er im August zusammen mit Jeffrey Williams durchführte und dabei einige Experimente montierte und Wartungsarbeiten an der Station durchführte. Die Astronauten kamen mit ihrer Arbeit gut voran und konnten so noch einige zusätzliche Arbeiten durchführen.

Im September kam Besuch für die Crew der Raumstation: Das Space Shuttle Atlantis dockte während der Mission STS-115 an die ISS an und lieferte neue Solarzellen und eine Gitterstruktur. Somit konnte der Ausbau der Raumstation seit langem wieder fortgesetzt werden.

Kaum war die Atlantis wieder auf der Erde, erreichte Sojus-TMA 9 die Raumstation. Dies bedeutete nicht nur einen Besuch der ersten weiblichen Weltraumtouristin, Anousheh Ansari, sondern auch einen Besatzungswechsel auf der Raumstation: Der Astronaut Michael Lopez-Alegria und der Kosmonaut Michail Tjurin lösten Pawel Winogradow und Jeff Williams ab. Thomas Reiter musste sich von seinen bisherigen Crew-Kollegen, die Ende September zusammen mit Anousheh Ansari in dem Raumschiff Sojus-TMA 8 zur Erde zurückkehrten, verabschieden und wurde nun Mitglied der Expedition 14-Crew.

Im Dezember startete die Discovery erneut zur Raumstation. Diesmal war auch ein weiterer Astronaut der ESA an Bord: Der Schwede Christer Fuglesang, der von Thomas Reiter natürlich besonders begrüßt wurde. Während mehreren Außenbordeinsätzen setzte er gemeinsam mit Robert Curbeam und Sunita Williams den Ausbau der ISS fort.

Die ISS beim Abdocken der Discovery im Dezember 2006.
(Bild: NASA)

Doch die Ankunft der STS-116-Crew bedeutete für Thomas Reiter auch das Ende seines Raumfluges. Er sollte mit der Discovery landen während Sunita Williams für die nächsten Monate auf der Raumstation bleiben sollte. Dem Abschied sah Thomas Reiter mit einem lachenden und einem weinenden Auge zugleich entgegen: Er freute sich wahnsinnig darauf, seine Familie wiederzusehen, andererseits hatte er beinahe ein schlechtes Gewissen, seine Freunde im All zurückzulassen, wie er erzählte. Immerhin hatte er für mehrere Monate mit ihnen zusammen auf der ISS gewohnt.

Nach dem Abdocken dauerte es jedoch noch einige Tage bevor Thomas Reiter wieder einen Fuß auf die Erde setzen konnte. Das Space Shuttle verbringt zwischen dem Abdocken und der Landung normalerweise noch zwei Tage im Orbit, in denen die Ausrüstung verstaut und der Hitzeschild nochmals überprüft wird. Diesmal verzögerte sich die Landung wegen Schlechtwetter auf der Landebahn in Florida sowie auf den Ausweichlandebahnen um einen weiteren Tag. Am 22. Dezember landete die Discovery schließlich auf der Landebahn des Kennedy Space Centers in Florida.

Michael Lopez-Alegria und Michail Tjurin blieben noch mehrere Monate auf der Raumstation und landeten am 21. April 2007 zusammen mit dem Weltraumtouristen Charles Simonyi in ihrer Sojus-Kapsel.

Anschließend an den Bericht über ihre Mission diskutierten die Raumfahrer zusammen mit Bob Chesson, Leiter für Bemannte Raumfahrt der ESA, über zukünftige bemannte Missionen zum Mond und zum Mars.

Bob Chesson musste zunächst feststellen, dass ein Problem bei bemannten Mond- oder gar Marsflügen die Politik ist: Ohne die Unterstützung der Politiker ist so eine Mission nicht finanzierbar. Doch dann widmete sich die Diskussion den anderen Herausforderungen, die für solche Missionen bewältigt werden müssen.

Pawel Winogradow, Michail Tjurin und Bob Chesson bei der Diskussion über zukünftige Missionen.
(Bild: Herbert Steinrück/Raumfahrer.net)

Die NASA will mit dem Constellation-Programm wieder zum Mond zurückkehren und anschließend auch Flüge zu unserem Nachbarplaneten Mars durchführen. Als Zeitpunkt für die Mondlandung wird derzeit 2018 angegeben. Auch Russland strebt bemannte Missionen zum Mond und möglicherweise zum Mars an. Flüge zum Mond und eine bemannte Mondstation sind nicht nur für die Erforschung des Erdtrabanten wichtig, gleichzeitig bieten sie eine gute Möglichkeit, Techniken für Marsmissionen zu testen.

Wie sieht überhaupt das Missionsprofil für eine Marsmission aus? Die Dauer so einer Mission wird auf zwei Jahre geschätzt. Man benötigt jeweils ungefähr ein halbes Jahr, um den Planeten zu erreichen oder vom Mars zur Erde zurückzukehren. Auf dem Planeten selbst sollen die Raumfahrer ebenfalls einige Monate bleiben- für einen kurzen Aufenthalt auf der Oberfläche wie es bei den Apollomissionen am Mond üblich war, zahlt es sich ja nicht aus, den weiten Weg auf sich zu nehmen. Somit gibt es enorme technische und logistische Herausforderungen. Das Raumschiff muss Nahrungsmittel, Treibstoff etc. für zwei Jahre an Bord mitnehmen- schließlich können keine Versorgungsschiffe wie zur ISS hinfliegen. Sollte es Probleme mit dem Raumschiff geben, kann die Crew auch nicht innerhalb von wenigen Stunden zur Erde zurückkehren.

Astronauten Michael Lopez-Alegria und Jeffrey Williams und Kosmonaut Pawel Winogradow
(Bild: Herbert Steinrück/Raumfahrer.net)

Nicht zu unterschätzen sind auch die psychischen Herausforderungen an die Crew. Immerhin wären die Raumfahrer für zwei Jahre von ihren Familien und Freunden getrennt. Sie könnten sich nicht einmal normal mit den Leuten im Missionskontrollzentrum unterhalten: Das Licht und somit auch die Funkübertragungen benötigen 20 Minuten bis sie vom Mars die Erde oder von der Erde den Mars erreichen. Daher müsste man 40 Minuten auf eine Antwort warten.

Dennoch ist Thomas Reiter davon überzeugt, dass es möglich ist, diese Probleme zu bewältigen. Er meinte, es gäbe auch auf der Erde Menschen, die mit diesen Problemen zu kämpfen haben, wie Forscher auf Polarexpeditionen oder Soldaten, die in abgelegenen Gebieten stationiert sind. Außerdem glaubt er, dass sich die Kommunikationsmöglichkeiten für die Raumfahrer weiterhin verbessern werden, wie es bisher der Fall war: Im Vergleich zu seinem Aufenthalt auf der Mir im Jahr 1995 konnte er auf der ISS viel besser mit seiner Familie in Kontakt bleiben.

Eine weitere psychische Belastung ist das Bewusstsein, dass man weit von der Erde entfernt ist und im Notfall nicht zurückkehren kann. Außerdem müsste man einen guten Zeitplan aufstellen, sodass die Crew immer eine Aufgabe hat. Doch auch das dürfte gut möglich sein. Zumindest auf der ISS war keinem der Raumfahrer langweilig.

Die Raumfahrer im Hauptkontrolraum: Pawel Winogradow, Thomas Reiter, Michail Tjurin, Jeffrey Williams, Michael Lopez-Alegria
(Bild: Herbert Steinrück/Raumfahrer.net)

Auch das Publikum, das zu einem großen Teil aus Mitarbeitern des Kontrollzentrums bestand, durfte Fragen stellen. Eine davon war, ob es nicht sinnvoller wäre, mehr unbemannte Raumsonden, die viele wissenschaftliche Daten sammeln könnten, statt einem bemannten Raumschiff zum Mars zu schicken. Darauf hatten die Raumfahrer sofort eine Antwort parat: Ein Roboter kann zwar Daten sammeln oder Fotos machen, dennoch kann er nicht von seinem Erlebnis erzählen. Man kann ihn nicht fragen, wie es sich anfühlt, auf dem Mars zu laufen.

Michael Lopez-Alegria mit Raumfahrer-net-Redakteurin Maria Steinrück
(Bild: Herbert Steinrück/Raumfahrer.net)

Am Ende der Veranstaltung wurde den Raumfahrern der Hauptkontrollraum gezeigt. Von dort werden die kritischen Missionsphasen der Raumsonden, wie Starts, Vorbeiflüge oder auch Landungen gesteuert.

Danach gab es für Journalisten die Gelegenheit, mit den Raumfahrern zu sprechen. Raumfahrer.net-Redakteurin Maria Steinrück konnte sich kurz mit Michael Lopez-Alegria unterhalten und fragte ihn, welches der Experimente, die er auf der ISS durchführen musste, er am interessantesten gefunden hatte. Aus seiner Sicht war es ein Versuch, bei dem die Raumfahrer mit einigen Mini-Satelliten in der Größe eines Volleyballs an Bord der Raumstation einige Manöver durchführen mussten.

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