Am 15. November 2014 begann die Raumsonde Cassini ihren mittlerweile 211. Umlauf um den Planeten Saturn. Den Höhepunkt dieses neuen Orbits bildet ein für den 10. Dezember 2014 vorgesehener naher Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan. Im Rahmen dieses Vorbeifluges sollen in erster Linie weitere Daten über die Atmosphäre des Titan gesammelt werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.
Am 15. November 2014 erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 00:04 MEZ erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 4,36 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 211. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini dabei eine Inklination von 33,1 Grad auf.
Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord von Cassini, sind während dieses erneut 39 Tage andauernden Umlaufs, dessen offizielle Bezeichnung “Rev 210” lautet, insgesamt 30 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Wie üblich wird ein Großteil dieser Kampagnen erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Den Höhepunkt der Beobachtungen stellt allerdings ein für den 10. Dezember vorgesehener naher Vorbeiflug an dem größten der derzeit 62 bekannten Saturnmonde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dar.
Sonnenkonjunktion
In den nächsten Tagen wird jedoch die Kommunikation zwischen der Erde und der Raumsonde Cassini zunächst erst einmal nur noch sehr stark eingeschränkt möglich sein. Der Grund hierfür ist eine in diesen Tagen erfolgende “Sonnenkonjunktion”. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Himmelskonstellation, bei der sich der Saturn von der Erde aus gesehen in einem Abstand von nur wenigen Grad zu der Sonne befindet. Aufgrund dieser Planetenkonstellation ist die Datenübertragung zwischen der Erde und der in einer Umlaufbahn um den Saturn operierenden Raumsonde stark beeinträchtigt, da die von der Sonne ausgehende Strahlung die Funksignale, welche zwischen der Erde und der Raumsonde hin und her gesandt werden, zu sehr stört.
Augrund der dadurch bedingten Begrenzung der Datenübertragungsraten wird Cassini in dem Zeitraum zwischen dem 16. und dem 20. November keine wissenschaftlichen Untersuchungen des Saturn oder von dessen Monden durchführen. Allerdings wollen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler diese Zeit dazu nutzen, um mit dem auf dem Kommunikationssystem der Raumsonde basierenden Radio Science Subsystem (RSS) den Einfluss zu studieren, welchen die Sonnenstrahlung auf die in mehreren Wellenbereichen ausgesandten Radiosignale von Cassini ausübt. Durch die Verzerrungen der Radiosignale sollen so zum Beispiel Erkenntnisse über den aktuellen Elektronengehalt in der Sonnenkorona gewonnen werden.
Wetterbeobachtungen auf dem Titan
Die erste ISS-Beobachtungssequenz nach dem Ende der gegenwärtigen Sonnenkonjunktion wird am 22. November den Saturnmond Titan zum Ziel haben. Hierbei soll die Weitwinkelkamera des ISS-Kameraexperiments den Titan aus einer Distanz von 5,17 Millionen Kilometern abbilden und dabei auf dessen nördlichen Hemisphäre nach markanten Wolkenformationen Ausschau halten. Durch die regelmäßig erfolgende Dokumentation von Wolkenstrukturen und kleineren Sturmgebieten lassen sich zum Beispiel Aussagen über die gegenwärtig in der dichten Titanatmosphäre vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen.
In Kombination mit früheren und zukünftigen Beobachtungen dieser langfristig angelegten ‘Sturmbeobachtungskampagne’ lässt sich durch derartige Aufnahmen die allgemeine ‘Großwetterlage’ auf dem Titan dokumentieren, welche sich aufgrund der Bewegung des Saturn um die Sonne und der dabei auftretenden Jahreszeiten in einem etwa 30 Jahre dauernden Rhythmus kontinuierlich verändert. Bis zum 4. Dezember sind weitere fünf derartige Beobachtungen vorgesehen.
Kleine Monde
Für den 23. November sind diverse sogenannte ‘astrometrische Beobachtungen’ von mehreren der kleineren, inneren Saturnmonde vorgesehen. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren. Weitere astrometrische Beobachtungskampagnen werden am 25. und 29. November sowie am 4., 5. und 21. Dezember erfolgen.
Am 24. November wird die ISS-Kamera schließlich aus einer Entfernung von etwa 9,81 Millionen Kilometern den Saturnmond Albiorix abbilden. Außer dessen Bahndaten, seinem Durchmesser von etwa 23 Kilometern und seiner mittleren Dichte von etwa 2,3 Gramm pro Kubikzentimeter ist über diesen erst im Jahr 2000 entdeckten Mond bisher nur sehr wenig bekannt. In Kombination mit den bereits zu früheren Zeitpunkten gewonnenen Beobachtungsdaten soll bei dieser Beobachtungskampagne die Ausrichtung von dessen Rotationsachse ermittelt werden. Außerdem sollen die neu anzufertigenden Aufnahmen, welche allerdings keine Oberflächendetails enthüllen werden, dazu dienen, dessen Rotationsdauer zu bestimmen. Eine weitere Albiorix-Beobachtungskampagne ist für den 26. November vorgesehen.
Periapsis
Am 8. Dezember 2014 wird Cassini um 22:22 MEZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 211, erreichen und den Ringplaneten in einer Entfernung von 597.910 Kilometern passieren. Zu diesem Zeitpunkt soll eines der Spektrometer der Raumsonde, das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), dazu genutzt werden, um verschiedene Regionen der Saturnatmosphäre und der Ringe des Saturn ‘abzutasten’. Ein spezielles Augenmerk wird dabei auf die Südpolregion des Saturn gerichtet. Die an der Kampagne beteiligten Wissenschaftler erhoffen sich dadurch weitere Erkenntnisse über eventuell zu diesem Zeitpunkt dort befindliche Polarlichter.
Der Titan-Vorbeiflug T-107
Zwei Tage später, am 10. Dezember 2014, steht dann der Höhepunkt dieses 211. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 23:27 MEZ wird die Raumsonde den größten der Saturnmonde im Rahmen eines zielgerichteten Vorbeifluges mit einer Geschwindigkeit von 5,8 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von 970 Kilometern passieren. Die mit diesem 108. Vorbeiflug am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung “T-107” – assoziierten Beobachtungen beginnen bereits mehrere Stunden vor der dichtesten Annäherung.
Das hierbei zum Einsatz kommende Composite Infrared Spectrometer (CIRS) wird den Titan dabei mehrfach im mittleren und fernen Infrarotbereich abtasten. Die so gewonnenen Daten dienen der Bestimmung der aktuellen Temperaturen innerhalb der Atmosphäre dieses Mondes und sollen auch dabei helfen, dort eventuell durch den derzeitigen Jahreszeitenwechsel bedingte Veränderungen in deren chemischen Zusammensetzung zu erkennen. Zeitgleich wird auch die ISS-Kamera den Titan abbilden. Das aus 15 Einzelbilder bestehende Mosaik wird verschiedene Oberflächenstrukturen wie zum Beispiel die ausgedehnten Dünenfelder Tsegihi, Senkyo, Aztlan und Fensal und den Impaktkrater Nath umfassen.
Während der neun Stunden der dichtesten Annäherung von Cassini an den Titan gilt das Interesse der beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure der Atmosphäre des Titan. Zu diesem Zweck wird die Hauptantenne der Raumsonde während dieser Phase des Vorbeifluges direkt auf die Erde ausgerichtet sein und ein stabiles Radiosignal absetzen, welches nach dem Durchdringen der Titanatmosphäre – und einer dadurch bedingten leichten Veränderung, welche sich unter anderem durch eine Dopplerverschiebung dieses Signals bemerkbar macht – von den Empfangsanlagen des Deep Space Network (DSN) der NASA empfangen werden wird. Die so gewonnenen Daten können anschließend mit zeitgleich erfolgenden Messungen eines weiteren Instruments der Raumsonde, dem Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS), abgeglichen werden.
Durch die Auswertung der im Rahmen dieser Kampagne ausgestrahlten Radiosignale und dem Vergleich mit den entsprechenden INMS-Daten wollen die Wissenschaftler die gegenwärtige Temperatur und Dichte der oberen Schichten der Saturnatmosphäre ermitteln. Hierbei soll auch ein vertikales Profil der Ionendichte in der Ionosphäre des Saturn gewonnen werden.
Zudem erhoffen sich die für die Steuerung der Raumsonde verantwortlichen Mitarbeiter des Cassini-Navigationsteams vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA weitere Erkenntnisse darüber, inwieweit die Raumsonde bei einem dichten Vorbeiflug an dem Titan durch dessen selbst noch in einer Höhe von fast 1.000 Kilometern vorhandenen und ‘deutlich spürbaren’ Atmosphäre abgebremst wird. Vergleichbare Messungen haben zu unterschiedlichen und teilweise deutlich voneinander abweichenden Resultaten geführt. Eine möglichst genaue Kenntnis dieses Effektes ist jedoch nötig, um zukünftige Vorbeiflüge der Raumsonde an dem Titan mit der dafür notwendigen Genauigkeit im Detail planen zu können.
Während der Endphase des Titan-Vorbeifluges T-107 wird schließlich ein weiteres Instrument, das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), zum Einsatz kommen. Das VIMS soll hierbei speziell nach Reflektionen des Sonnenlichts Ausschau halten, welche ihren Ursprung auf den Oberflächen von einigen der größeren mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllten Seen auf der Titanoberfläche haben, die sich über größere Bereiche von dessen nördlichen Hemisphäre erstrecken. Das UVIS-Spektrometer soll zudem die Stickstoffemissionen untersuchen, welche sich in einer Höhe von etwa 800 Kilometern über der Oberfläche des Titan konzentrieren.
Der Phoebe-Ring, weitere Monde und der Saturn
Am 14. Dezember wird das ISS-Kamerateam schließlich versuchen, den am weitesten vom Saturn entfernt gelegenen, extrem lichtschwachen und erst im Jahr 2009 auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Spitzer entdeckten Phoebe-Ring abzubilden. Hierbei soll auf den Aufnahmen der Weitwinkelkamera WAC der Schatten erkennbar sein, welcher der Saturn auf diesen Ring wirft.
Weitere Beobachtungen werden am 15. und am 22. Dezember die äußeren Saturnmonde Loge und Thrymr zum Ziel haben. Wie bereits am 24. November bei dem Mond Albiorix sollen auch diese aus Entfernungen von 17,3 beziehungsweise 11,4 Millionen Kilometern durchzuführenden Beobachtungssequenzen dazu dienen, deren Rotationsdauer sowie die Orientierung der Rotationsachsen zu ermitteln.
Am 17. Dezember steht zudem der Saturn auf dem Beobachtungsplan. Hierbei sollen auch hier – vergleichbar mit entsprechenden Beobachtungen beim Titan – Daten über Wolkenbewegungen und sich daraus abzuleitende Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten gewonnen werden. Bis zum 22. Dezember werden noch drei weitere solche ‘Sturmbeobachtungskampagnen’ erfolgen.
Am 24. Dezember 2014 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 20:16 MEZ in einer Entfernung von rund 3,4 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 211. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 212 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie der Saturnmonde vorgesehen. Den Höhepunkt dieses nächsten Orbits bildet dabei ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Titan, welcher von der Raumsonde am 11. Januar 2015 in einer Entfernung von dann rund 970 Kilometern erneut passiert werden soll.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.
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