Eine am vergangenen Mittwoch von der Europäischen Südsternwarte veröffentlichte Aufnahmen zeigt ein Meer aus unzähligen Sternen. Im Zentrum dieser Aufnahme scheint jedoch eine schwarze Lücke zu klaffen. In diesem Bereich werden die hier befindlichen Hintergrundsterne von einer Dunkelwolke aus interstellarem Staub verdeckt. Im Inneren dieser Dunkelwolke werden gerade neue Sterne ‚geboren‘.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Auf einer am vergangenen Mittwoch von der Europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlichen Aufnahme scheint sich inmitten eines aus unzähligen Sternen bestehenden Hintergrundes eine ’schwarze Lücke‘ zu befinden. In Wirklichkeit befinden sich jedoch auch hier eine Vielzahl von Hintergrundsternen, welche allerdings von einer Dunkelwolke verdeckt werden.
Bei einer Dunkelwolke handelt es sich um eine Ansammlung von Gasmolekülen und interstellarem Staub, welche so viel Materie enthält, dass sie das Licht von dahinter liegenden Sternen vollständig absorbiert. Auf diese Weise entsteht für den Betrachter der Eindruck, dass dieser Bereich des Himmels keine Sterne beherbergt.
Bei dem hier gezeigten Objekt handelt es sich um die Dunkelwolke LDN 483. Namensgeberin war die US-amerikanischen Astronomin Beverly Turner Lynds, welche diese Wolke in den von ihr zusammengestellten und im Jahr 1962 publizierten Lynds Dark Nebula Catalogue aufgenommen hat. Der Dunkelnebel LDN 483 befindet sich in einer Entfernung von etwa 700 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im südlichen Bereich des zweigeteilten Sternbildes Schlange (lat. Name „Serpens Cauda“).
Dunkelnebel bieten aufgrund der dort konzentrierten Gas- und Staubpartikel hervorragende Bedingungen für die Entstehung neuer Sterne und werden deshalb von Astrophysikern eingehend untersucht. Astronomen, die den Prozess der Sternentstehung im Bereich von LDN 483 erforschen, haben dabei tief im Inneren dieser Dunkelwolke einige ‚Baby‘-Sterne entdeckt, welche sich noch in einer sehr frühen Phase ihrer Entwicklung befinden. Diese Exemplare gehören mit zu den jüngsten Sternen, welche bisher von Astronomen entdeckt wurden.
Sternentstehung
Neue Sterne entstehen im Inneren von kollabierenden interstellaren Molekülwolken. Im ersten Stadium ihrer stellaren Entwicklung sind diese zukünftigen Sterne noch nicht viel mehr als annähernd kugelförmige Konzentrationen aus Gas und Staub, welche sich aufgrund ihrer eigenen Schwerkraft innerhalb der umgebenden Molekülwolke immer weiter zusammenziehen und dabei allmählich verdichten. Dabei steigen auch die Temperatur und der Druck im Inneren dieser Protosterne immer weiter an.
Auf seiner Oberfläche ist ein solcher Protostern jedoch mit einer Temperatur von etwa minus 250 Grad Celsius zunächst noch sehr kalt, weshalb er Strahlung auch nur im langwelligen Submillimeterbereich des elektromagnetischen Spektrums aussendet, jedoch nicht im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums beobachtet werden kann. Für das Studium von Protosternen ist deshalb unter anderem das in den nordchilenischen Anden befindliche Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (kurz „ALMA“) geeignet, welches das Universum im Submillimeter- und Millimeterbereich beobachtet.
Diese früheste Phase der Sternentstehung dauert lediglich wenige Tausend Jahre. In astronomischen Maßstäben betrachtet ist dies eine nur sehr kurze Zeit, da Sterne üblicherweise mehrere Millionen oder gar Milliarden Jahre lang existieren. In den darauffolgenden Entwicklungsphasen steigen Temperatur und Dichte des Protosterns im Verlauf von einigen Jahrmillionen weiter an. Infolgedessen nimmt auch die Energie der abgegebenen Strahlung immer weiter zu. Vom kalten, fernen Infrarot verschiebt sich das Maximum der Abstrahlung nach und nach über das nahe Infrarot bis hin in den Bereich des sichtbaren Lichts. Aus dem einstmals leuchtschwachen Protostern wird dabei im Laufe der Zeit ein hell leuchtender Stern, welcher auch mit dem menschlichen Auge wahrgenommen werden kann.
Sterne werden ‚geboren‘ – Dunkelwolken lösen sich auf
In Zukunft werden sich im Inneren von LDN 483 immer mehr Sterne bilden, welche dabei zugleich auch immer mehr Materie aus ihrer Umgebung ‚aufsaugen‘. Im Rahmen dieses Prozesses wird die Dunkelwolke LDN 483 in den kommenden Jahrmillionen zunächst immer ‚durchsichtiger‘ werden und sich schließlich vollständig auflösen. Beschleunigt wird dieser Auflösungsprozess zudem durch die von den neu geborenen Sternen ausgehenden Sternwinde.
Die gegenwärtig noch von der Dunkelwolke verdeckten Hintergrundsterne werden dann – zumindestens theoretisch – sichtbar. Praktisch werden dagegen die dann neu geborenen, somit sehr leuchtstarken und zudem näher an unserem Sonnensystem gelegenen Sterne, welche aus LDN 483 hervorgehen, die weiter weg gelegenen Hintergrundsterne ‚überstrahlen‘.
Die Dunkelwolke LDN 483 ist ein unter Amateurastronomen relativ unbekanntes Objekt. ‚Berühmtere‘ Vertreter dieser Art von Sternentstehungsregionen sind dagegen der Pferdekopfnebel im Sternbild Orion oder der im Sternbild „Kreuz des Südens“ gelegene Kohlensack-Dunkelnebel. Ein besonders beeindruckendes Beispiel für eine derartige Sternentstehungsregion sind zudem die im Adlernebel – dieser Nebel liegt ebenfalls im Sternbild Schlange – befindlichen „Säulen der Schöpfung“. An den Enden der dort erkennbaren Bok-Globulen bilden sich gegenwärtig ebenfalls neue Sterne.
Die hier gezeigte Aufnahme der Dunkelwolke LDN 483 wurde mit dem Wide Field Imager (WFI) des MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskops am La Silla-Observatorium der ESO in den nordchilenischen Anden angefertigt.
Verwandte Meldungen bei Raumfahrer.net:
- Der Staubschleier von NGC 6357 (24. Februar 2013)
- Sternhaufen und Dunkelwolken im Sternbild Schütze (13. Februar 2013)
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum: