Schneefall und barokline Wellen auf dem Mars

Planetenforscher aus Japan und Deutschland konnten jetzt einen Zusammenhang zwischen einem atmosphärischen Phänomen auf dem Mars, der dortigen Wolkenbildung und dem daraus während der Wintermonate resultierenden Schneefälle herstellen. Neben einem besseren Verständnis von dessen Meteorologie verbessert sich durch diese Arbeit die Möglichkeit das zukünftige Wettergeschehen auf unserem Nachbarplaneten vorherzusagen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2013.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Während des Winters bedeckt eine Schicht aus gefrorenem Kohlendioxid den Nordpol des Mars. Diese Schicht speist sich laut einer aktuellen Studie zu etwa 43 Prozent aus Kohlendioxid-Schnee, welcher aus Eiswolken in der Atmosphäre auf die Oberfläche fällt. Die hier gezeigte Aufnahme des Mars-Nordpols wurde im Oktober 2006 mit der MARCI-Kamera, einem der wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Mars Reconnaissance Orbiter, aufgenommen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Neben verschiedenen Spurengasen wie zum Beispiel Sauerstoff, Kohlenmonoxid und Wasserdampf, eventuell aber auch Methan besteht die Atmosphäre des Mars zum überwiegenden Teil aus Kohlendioxid, welches dabei mit einen Anteil von 95,32 Prozent vertreten ist. Zwei weitere Bestandteile der Marsatmosphäre sind Stickstoff (2,7 Prozent) sowie das mit einem Mengenanteil von 1,6 Prozent vorhandene Edelgas Argon. Diese Mengenanteile sind allerdings nicht konstant in der Marsatmosphäre enthalten. Vielmehr unterliegt deren Zusammensetzung einer bestimmten, jahreszeitlich bedingten Veränderung.

Wachsende und schrumpfende Polarkappen
Ähnlich wie die Polarregionen der Erde sind auch die Pole des Mars ganzjährig von zwei geschlossenen Eiskappen aus Wassereis und gefrorenem Kohlenstoffdioxid bedeckt, welche sich während des Winters ausdehnen und während der Sommermonate wieder zurückziehen. Während des Marswinters gewinnen die Polarkappen dabei in erster Linie durch die Ablagerung von gefrorenem Kohlenstoffdioxid an Masse und Ausdehnung, welches aufgrund der zu dieser Jahreszeit auftretenden niedrigen Lufttemperaturen von zeitweise weniger als minus 130 Grad Celsius in einem großen Umfang aus der Atmosphäre ausfriert und sich in Form von Trockeneis im Bereich des jeweiligen Pols ablagert. Während des vergleichsweise warmen Marssommers sublimiert das Trockeneis wieder und wird erneut ein gasförmiger Bestandteil der Marsatmosphäre. Zurück bleibt eine von ihrem Umfang her jetzt deutlich kleiner ausfallende Polarkappe aus gefrorenem Wassereis.

Für die somit in erster Linie lediglich saisonal auftretenden Ablagerungen des Trockeneises im Bereich der Marspole existieren zwei Quellen. Ein Teil des in der Atmosphäre enthaltenen Kohlendioxids kondensiert demzufolge – ähnlich wie sich auf der Erde bei klarem, kalten Wetter eine Frostschicht auf dem Boden bildet – direkt an der Planetenoberfläche. Teile des restlichen Gases gefrieren dagegen bereits in der Atmosphäre zu winzigen Eiskristallen und bilden in der Folge dieses Prozesses Wolken. Unter entsprechenden Bedingungen können diese Kristalle dann aus den Wolken heraus als Schnee auf die Oberfläche niedergehen.

Schneefall auf dem Mars
Bereits im Jahr 2004 konnten Marsforscher anhand von Daten der von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in der Atmosphäre unseres äußeren Nachbarplaneten solche aus Kohlendioxideispartikeln bestehende Wolken nachweisen (Raumfahrer.net berichtete). Ein aus solchen Wolken hervorgehender “Schneefall” konnte dann erstmals im September 2008 durch den von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Marslander Phoenix im Bereich des marsianischen Nordpols nachgewiesen werden. Eines der Instrumente des Marslanders, ein LIDAR, konnte dabei in einer Höhe von etwa vier Kilometern über der Marsoberfläche Wolkenformationen ausmachen, aus denen Eiskristalle in Richtung Oberfläche fielen.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, Canadian Space Agency
Am 3. September 2008 konnte das LIDAR-Instrument des Marslander Phoenix erstmals Schneefall auf dem Mars registrieren.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, Canadian Space Agency)

Im Jahr 2012 zeigte sich anhand von Daten, welche durch den NASA-Orbiter Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) aufgezeichnet wurden, dass auch im Bereich des Südpols Wolken auftreten, in denen sich Trockeneiskristalle bilden, welche anschließend auf die Oberfläche abschneien. Aktuelle Berechnungen von Wissenschaftlern der Tohoku-Universität in Sendai/Japan und vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau führten jetzt zu dem Ergebnis, dass etwa 42 Prozent der saisonalen Eisablagerungen im Bereich der nördlichen Polarkappe durch einen solchen Schneefall verursacht wird.

Wie bilden sich diese Wolken?
Zusätzlich konnten die beteiligten Planetenforscher bei ihrer Studie eine direkte Verbindung zwischen der Bildung von Wolken aus Trockeneiskristallen und einem während der “kalten Jahreszeit” auftretenden Wetterphänomen, den sogenannten “baroklinen” Wellen, herstellen. Während des Marswinters erfolgt demzufolge eine periodisch auftretende Schwankung von Luftdruck, Temperatur, Windrichtung und Windstärke, welche sich mit einer hohen Regelmäßigkeit wellenartig durch die Atmosphäre unseres Nachbarplaneten ausbreitet.

Diese “planetaren Wellen” treten auf der nördlichen Marshemisphäre in der Zeit vom Herbst bis zum Frühling mit einer bemerkenswerten Verlässlichkeit auf. Sie breiten sich dabei in einer regelmäßigen Periode von fünf bis sechs Tagen in die östliche Richtung aus. Nahe an der Oberfläche lassen sich zusätzlich Wellen mit einer höheren Frequenz beobachten. Obwohl die durch das Auftreten dieser Wellen bedingten “Temperaturstürze” in der Atmosphäre lediglich wenige Grad Celsius betragen, führt dies trotzdem dazu, dass die Temperatur in der Marsatmosphäre während der kalten Jahreszeit regelmäßig auf Werte unterhalb von minus 128 Grad Celsius sinkt. Dies ist die Temperatur, bei der gasförmiges Kohlenstoffdioxid auf dem Mars gefriert.

NASA, JPL-Caltech
Diese Aufnahme von Wolkenstrukturen in der Marsatmosphäre wurde im Rahmen der Mars-Pathfinder-Mission der NASA im August 1997 angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Die Analysen der an der Studie beteiligten Wissenschaftler zeigen, dass sich überall dort, wo die Temperaturen entsprechend tief absinken, winzige Eiskristalle aus gefrorenem Kohlendioxid bilden und zu Eiswolken konzentrieren. Nördlich des 70. Breitengrades treten die Wolken dabei während der Winterzeit in allen Luftschichten bis zu einer Höhe von etwa 40 Kilometern Höhe auf. Unterhalb von 25 Kilometern Höhe sinken die Kristalle dabei als Schnee in Richtung Planetenoberfläche, wobei die Kristalle etwa drei Stunden benötigen, um aus diesen 25 Kilometern Höhe die Oberfläche zu erreichen. Voraussetzung für ein Erreichen der Oberfläche ist allerdings, dass die Trockeneispartikel auf dem Weg zur Oberfläche keine Zonen durchdringen müssen, in denen die Temperatur der Atmosphäre aufgrund horizontal ausgerichteter wärmerer Luftströmungen wieder höhere Temperaturwerte erreicht.

Sollte auf dem Weg zur Oberfläche eine wärmere Luftschicht durchquert werden, so sublimiert der Trockeneisschnee noch vor dem Erreichen der Oberfläche wieder und geht erneut in den gasförmigen Zustand über. Nach dem “Verlassen” der wärmeren Lufttasche werden aber erneut Trockeneispartikel gebildet, welche dann erneut zur Oberfläche niedergehen.

Laut den an der Studie beteiligten Wissenschaftler könnten die neuen Erkenntnisse aufgrund des regelmäßig erfolgenden Auftretens der baroklinen Wellen dabei helfen, zukünftig auf dem Mars auftretenden Schneefälle vorherzusagen. Die hier kurz vorgestellte Studie wurde bereits am 29. April 2013 unter dem Titel “Carbon dioxide ice clouds, snowfalls, and baroclinic waves in the northern winter polar atmosphere of Mars” in der Fachzeitschrift “Geophysical Research Letters” publiziert und am heutigen Tag auf dem European Planetary Science Congress 2013, einer gegenwärtig in London stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

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Fachartikel von Takeshi Kuroda et al.:

EPSC 2013:

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